Mitarbeiter/Firma

Sind wir doch mal nicht kleinlich -2-

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Da stehe ich da und sperre für einen kurzen Moment den Mund auf.
Ist mir so etwas an Dreistigkeit schon einmal untergekommen?
Hat dieser Herr Fuchs mir eben gesagt, daß er mich immer und immer wieder behupst, behumbst und bedaddelt?

Während in mir Gedanken über Abmahnung, Kündigung und was weiß ich Purzelbaum schlagen, drängt sich eine andere Geschichte aus den Tiefen meiner rindfleischverseuchten Gehirnwindungen nach oben.

Es war ein sonniger Tag, die Männer aus der Werkstatt und die Aushilfsfahrer hatten alle unsere Wagen aus der Tiefgarage hoch geholt und gründlich ausgeräumt, gewaschen und poliert.
Herr Fuchs lag zu diesem Zweck quer über den beiden Sitzen eines Bestattungswagens und klaubte irgendetwas unter einem der Sitze hervor.
Manni kam um den Wagen herum, sah die Beifahrertür offenstehen und wußte nichts vom quer im Wagen liegenden Herrn Fuchs.
Ja und dann? Dann haute Manni die Tür mal ordentlich zu und dem armen Herrn Fuchs vor den Schädel.
Deshalb ging die Tür auch nicht richtig zu, weshalb Manni nochmals ordentlich Schwung nahm und die Tür nochmals und nochmals zuwerfen wollte.
Natürlich hatte Herr Fuchs schon beim ersten Mal geschrien, aber das hatte Manni nicht gehört, weil die Männer eines der Autoradios aufgedreht hatten.

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Erst beim vierten oder fünften Mal sah Manni nach und bemerkte den armen Kollegen, der sich den Kopf hielt.

„Ach Gott, ist Dir was passiert?“ fragte Manni.

Und was macht Herr Fuchs? Er hebt den schmerzenden Schädel und ruft: „Manni, Manni, ich bin sowas von bewußtlos, man könnte sagen ohnmächtig!“

Man kann sich vorstellen, wie groß das Gelächter war. Sogar Fuchs hat mitgelacht, als ihm klar wurde, wie blöd sein Ausruf war. Lange Monate haben wir noch unseren Schabernack getrieben und immer wenn irgendjemand Aua sagte, hieß es sofort: „Und, biste auch bewußtlos?“ Und die Standardantwort lautete natürlich: „Ich bin ja sowas von bewußtlos, man könnte sagen ohnmächtig!“

Was habe ich also mit Herrn Fuchs gemacht?
Ich habe ihn Platz nehmen lassen und mich mit ihm unterhalten.
Er hatte keinerlei Unrechtsbewußtsein, war sich überhaupt nicht im Klaren darüber, daß er mich quasi jedes Mal betrogen hatte, wenn er eine falsche Stundenzahl eingetragen hat.

„Ja, aber, Ihnen muß doch klar sein, daß das falsch ist. Wenn Sie immer eine halbe Stunde mehr aufschreiben, bekommen Sie doch viel zu viel Geld, das Ihnen eigentlich gar nicht zusteht!“, warf ich ihm vor.

„Moment mal, so ist das ja auch nicht“, sagte er und erläuterte: „Wenn ich da wirklich mehr bekomme, dann wird das ja auch versteuert. Also sorge ich doch dafür, daß der Staat mit der Steuer, die im Osten mit dem Solizuschlag und die Kirche mit der Kirchensteuer auch mehr bekommen. Dann ist das doch was Gutes, wenn ich da ein bißchen schummele.“

Und, liebe Leserinnen und Leser, der meinte das wirklich ernst!

Kann man so einem böse sein?

Ich sage: „Gut, dann lasse ich Manni und Frau Büser mal über Ihre Stundenzettel gucken und Frau Büser soll Ihnen jeden Monat ein bißchen was abziehen.“

„Jau, is‘ okay“, sagt Herr Fuchs und ist zufrieden.

War ihm egal.

Wir haben ihm nie etwas abgezogen, es hat keine Konsequenzen für ihn gehabt. Nur hat Manni jetzt die Stundenzettel ausgefüllt und abgezeichnet.

Ich bin sicher, genau richtig gehandelt zu haben. Einer, der mir das so unverblümt erzählt, der hat keine kriminelle Energie, der ist schlicht und ergreifend nur einfach gestrickt und hat aus Dummheit so gehandelt.


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Hier erzähle ich Geschichten aus meinem Bestattungshaus und insbesondere über meine fabelhaften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Namen sind verändert. Manchmal wurde auch mehrere Personen zu einer Erzählfigur zusammengefasst.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 23. Januar 2015 | Revision: 29. Januar 2015

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9 Kommentare
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9 Jahre zuvor

Finde ich (in diesem Fall und bei der Vorgeschichte) eine gute Lösung.

Arno Nühm
9 Jahre zuvor

Du bist einfach ein guter Mensch. Mann könnte auch sagen, daß Du schon fast zu nett bist für diese Welt.

9 Jahre zuvor

Die Lösung finde ich super und sie zeugt von wahrer Größe.

Bernd
9 Jahre zuvor

lach, so ist es genau richtig!

9 Jahre zuvor

Ein klassischer Fall von „mangelnde kriminelle Energie“. Da ist der Fehler schnell zugegeben und auch recht schnell verziehen. Tolle Lösung. 🙂

Allerdings vermisse ich hier die Cliffhanger. Das Nachdenken des Bestattungshausführers in 23 Folgen…

Leo
9 Jahre zuvor

Dann ist doch alles klar – der Mann hat(te) einen amtlichen Dachschaden!!! *ggg*

ein anderer Stefan
9 Jahre zuvor

Gut, bei DER Antwort wäre ich auch baff gewesen – dass jemand so (tschuldigung) treudoof sein kann, wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Dann kann man dem das tatsächlich nicht wirklich übel nehmen.

Bernd das Brot
9 Jahre zuvor

Aber er wird ja eine Intention gehabt haben, als er die halbe Stunde mehr immer auf dem Zettel eingetragen hat. Das macht man ja nicht einfach so, weil man sich keinen Kopf darüber macht, und das „versehentlich“ passiert. Also wollte er mit der halben Stunde mehr ja wohl etwas erreichen – wahrscheinlich dafür bezahlt werden. Ergo war ihm doch bewusst, dass er mehr Arbeitszeit einträgt, als er geleistet hat. Ob ihm nun bewusst war, dass das Betrug ist, will ich nichtmal unterstellen – aber was hat er denn stattdessen gedacht, als er es gemacht hat? Wenn mir vollkommen egal ist, ob das rechtens nicht, oder nicht, dann trage ich doch auch 2 oder 3 Stunden mehr ein. Aber die würden halt vlt auffallen und man will ja nicht auffallen, weil man eigentlich doch weiß, dass das nicht OK ist? Ich finde es übrigens cool, wie du reagiert hast. Wie eigentlich immer – du bist ein ziemlich genialer Chef und hast mit oftmals auch unkonventionellen Lösungen schon viel in deinem Umfeld, bei deinen Kunden und Mitarbeitern… Weiterlesen »

joschi
9 Jahre zuvor

Die mehrfachen Schläge mit der autotür gegen den Kopf haben wahrscheinlich einen bleibenden Schaden bei dem armen Kerl hinterlassen




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