Fundstücke

So macht man aus einem Mückenloch ein Elefantengrab

Aufmerksame Leser des Bestatterweblogs wissen, daß in Wahl-, Kauf-, Familiengräbern bzw. Gruften, je nachdem wie das eben vor Ort genannt wird, mehrere Personen beigesetzt werden können. Diese Gräber werden oft für mehrere Generationen einer Familie gekauft und im Laufe der Zeit können da viele Menschen beigesetzt werden, denn außer den sowieso vorhandenen mehreren Plätzen gilt: Wenn für einen der Beerdigten die Ruhezeit abgelaufen ist, kann wieder ein neuer Sarg dort bestattet werden.

Oft werden diese Gräber aber auch nicht mehr neu angemietet, beispielsweise dann, wenn der letzte Interessent verstorben ist und sich dann keiner mehr für das Grab interessiert oder wenn die verbliebenen Angehörigen weit weg wohnen usw.
Dann werden solche Wahlgräber, nachdem die Ruhezeit aller dort Bestatteten abgelaufen ist, wieder an andere Leute vermietet. Offiziell sind die dort Bestatteten „weg“. Die Ruhezeit ist abgelaufen, sämtliche Pflichten sind erfüllt. Jetzt können neue Leute ins Grab, egal, ob da noch etwas von früheren Bestattungen zu finden ist.

Wir wissen ja um die vermeintlichen „Skandale“, wenn im frisch ausgehobenen Grab Knochen- oder Sargfragmente zu sehen sind. Manchmal ist aber auch mehr übrig, im ungünstigsten Fall ein ganzer Sarg. Nicht überall sind die Böden so, daß alles innerhalb der Ruhezeit vergehen kann.

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Das hat nun in Hettensen zu einer sehr aufgeregten Geschichte geführt, die von der Presse auch entsprechend ausgeschlachtet und breit getreten wird, obwohl es im Grunde ein ganz normaler Vorgang ist.

Da hat also jemand für sich und seine Frau ein Grab gekauft. Die Frau ist 1994 verstorben und wurde in dem Grab beigesetzt.
Nun ist auch der Mann verstorben und sollte ebenfalls in das Grab. Doch beim Ausheben des Grabes stoßen die Friedhofsarbeiter auf einen bereits im Grab befindlichen Sarg einer „unbekannten Person“. Daß es sich hierbei um den Sarg einer vorher dort ordnungsgemäß bestatteten Person handelt, deren Familie einmal dieses Grab „besessen“ hat, liegt auf der Hand. Es ist halt eben nur mehr von diesem Sarg übrig als man erwartet hat. Vielleicht ist es aber auch der Sarg der damals bestatteten Ehefrau und nur die Friedhofsunterlagen stimmen nicht. Notiert wird da beispielsweise „rechts tief“ oder „links hoch“ um die Lage der vorhandenen Särge zu verzeichnen.

Wie würde man nun richtig vorgehen?
Zunächst würde ich mal versuchen, fstzustellen, wessen Sarg das überhaupt ist. Ist es der von der Ehefrau, dann ist ja alles gut.
Ist es ein fremder Sarg, was ich mir kaum vorstellen kann, dann wäre es korrekt, den „abgelaufenen“ Sarg zu bergen, das Grab an dieser Stelle entsprechend tiefer auszuheben und den Sarg bzw. die Sargreste dort zu bestatten, damit auch dieser „Alttote“ eine würdige letzte Stätte behält. Schließlich hat seine Familie ja einmal viel Geld dafür bezahlt, daß er dort seine letzte Ruhestätte findet. Und der Tote bzw. seine Familie können ja nun nichts dafür, daß er jetzt noch da ist.
Alternativ hätte die Friedhofsverwaltung den Sarg an einer anderen Stelle des Friedhofes beerdigen können.

Soweit ist also alles noch in Ordnung und durchaus nichts Außergewöhnliches.
Auf unseren Friedhöfen, wo Gräber immer wieder belegt werden, kommt so etwas tagtäglich vor.
Man weiß auch was zu tun ist.

Nicht so in Hettensen.
Da ist man erst einmal erstaunt, daß da ein Sarg im Grab ist. Da weiß man angeblich auch nicht wer da drin liegt und da weiß man offensichtlich auch nicht, was man jetzt mit der Kiste machen soll…
Unglaublich!

Wahrscheinlich handelt es sich ja um den Sarg der Ehefrau, nur liegt er halt statt auf der linken auf der rechten Seite im Grab. Man könnte jetzt professionell sein, aber was tut man dort? Dort macht man zu allererst einmal die Pferde scheu. Das tut man am allerbesten indem man die sowieso aufgeregten Angehörigen des jetzt Verstorbenen in die Sache mit einbezieht. Das ist immer die beste Gewähr dafür, daß die Aufregung groß wird.

Dann sagt man den Angehörigen, da sei ja nun kein Platz mehr für noch einen Sarg und drängt sie zu einer Einäscherung des neuen Sarges, weil eine Urne noch Platz hätte.
Das führt zu weiterer Aufregung, weil das nicht im Sinne des Verstorbenen war. Es wird aber dann trotzdem so gemacht, die Angehörigen willigen zähneknirschend ein.
Ja und dann kommt der Tag der Urnenbeisetzung und man setzt die Urne jetzt nicht in einem kleinen Urnenloch in dem bereits wieder zugeschütteten Grab bei, sondern will die Urne auf den Deckel des Sarges der 1994 beerdigten Ehefrau stellen. Das allein ist schon eine eher lustige Geschichte, denn nach nunmehr fast 20 Jahren könnte von diesem Sarg auch schlichtweg gar nichts mehr übrig sein.
Aber das Vorhandensein des ganz alten Sarges des Vorbesitzers spricht da ja eine andere Sprache, offenbar halten sich die Särge in Hettensen sehr gut im Boden. Wie gesagt, es könnte sich bei diesem „Altsarg“ durchaus um den der Ehefrau handeln, aber das nimmt überhaupt keiner an, man hat ja bereits die Pferde scheu gemacht. Alle glauben, es handele sich um einen fremden Sarg.
Also Urne auf den Deckel.
Nur auf welchen?
Man entscheidet sich, die Urne auf den vermeintlich falschen Deckel zu stellen, also auf den des ganz alten Sarges, vom Vormieter sozusagen…
Zwar steht die Urne jetzt meiner Meinung nach auf dem richtigen Sarg, aber das ahnt man in Hettensen nicht. Dort dürfen sich die Angehörigen nun ein weiteres Mal die Haare raufen, weil man sie im Glauben lässt, es handele sich um den falschen Sarg dort in der Erde.
Kann man eigentlich mehr falsch machen?
Kann man aus einer im Grunde ganz normalen Altbelegung noch eleganter einen Skandal machen?
Ich glaube kaum.

Gefunden von Leser Ingo und zwar hier.

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