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Tag der offenen Tür

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Mensch, da ist doch tatsächlich der gestrige Samstag mal als blogfreier Tag durchgegangen. Muß auch mal sein, war viel zu tun, im Haus, ums Haus und in der Familie.

Ansonsten steht bei Bestatters auch Sonntag immer wieder Arbeit an, so ist das eben in dem Gewerbe. Im Röhrenwerk war am Samstag Tag der offenen Tür, man feierte 150-jähriges Bestehen der Fabrik. Etwa 2.000 Menschen labten sich an Bratwurst, Bier und Limo, etwa 300 standen an einem LKW Schlange, um die Gastpräsente in Form von Kuscheltieren, Briefbeschwerern und Prospekten in Empfang zu nehmen.
Während im zugänglichen Teil des Werkes Menschen feierten und Interessierte einen Einblick in die Produktion gewinnen konnten, wurde in einem anderen Bereich die Wochenendruhe dazu genutzt, eine große Maschine auszutauschen. Als eines der großen Aggregate von einem riesigen Autokran hochgehoben werden sollte, löste sich ein Flansch und ein überdimensionaler Schäkel oder Flansch rollte zur Seite. Leider stand ein gerade einmal 20-jähriger Hilfsarbeiter aus den neuen Bundesländern, der bei einer Leiharbeitsfirma angestellt war, zur falschen Zeit am falschen Platz und das etwa 700 Kilogramm schwere Teil drückte ihn gegen ein Betonfundament.

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Der Mann war noch etwa 20 Minuten ansprechbar, so lange brauchten Werksfeuerwehr, Werksambulanz und die Feuerwehr aus der Stadt, um ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien. Der Notarzt konnte dann aber leider nicht mehr viel für ihn tun. Es ist immer verdächtig, wenn der Rettungswagen mit dem Notarzt nach der Bergung nicht bald losfährt…
Mehr als 45 Minuten wurde vor Ort gekämpft, dann hieß es, der Mann sei schon beim Einladen in den Rettungswagen quasi verstorben, man habe ihn aber mehrfach kurz wieder „zurückgeholt“, aber letztlich sei alles Kämpfen umsonst gewesen.

Da an diesem Tag die Werksfeuerwehr sowieso zum Gaudi der Besucher so Einiges auf die Beine gestellt hatte, unter anderem Rundfahrten mit Blaulicht für die Kinder, war den Gästen vom tatsächlichen Einsatz gar nichts aufgefallen. Für uns bedeutete das, nachdem auch die Polizei und Kripo eingetroffen war, daß wird vom Tor 3 ganz im Süden einfahren mußten, damit die Besucher davon nichts mitbekommen.
Zwar haben die Straßen im Werk auch Namen, aber dies sind Namen, die auf die Arbeit dort und auf Persönlichkeiten aus der Firmengeschichte Bezug nehmen, „Hammerwerkweg“ und „Dr. Fridolin-Nuckes-Straße“ heißen sie. Das kommt in keinem Navigationsgerät mehr vor, das sind private Bezeichnungen. Der Werksschutz, das ist ja sowieso immer so eine Sache für sich, kam sich vor wie die Oberpolizei der Welt und tropfte nur so vor Arroganz. Man kann doch nicht erwarten, daß jeder Bestatter der Stadt sich auf den verschlungenen Pfaden und Wegen im Werk auskennt.
Die Rettungskräfte aus der Stadt tun sich schon immer schwer und die haben wenigstens Pläne und über einmal jährlich dort den Katastrophenfall.

„Seid’s Ihr auch endlich da?“ hieß es dann folglich, als wir 20 Minuten nach der Einfahrt ins Werksgelände am Ort des tragischen Geschehens eintrafen. Wenigstens tauchte zehn Minuten nach uns ein verirrter Wagen der Spurensicherung auch noch auf, der sich zwischen der Halle mit dem Stanzwerk und der Glühwange (oder so) verfahren hatte und im Westbereich des Werks bei den Klärteichen gelandet war, von wo er -wiederum vom Werksschutz- lachend verjagt worden war.

Der Notarzt erzählte unsere Fahrern, die Sache sei einfach dumm gelaufen. Das große Metallteil (man lege mich jetzt nicht darauf festm ob es ein Flansch, ein Schäkel oder das angehobene Teil selbst war) sei nicht einmal auf den Mann herabgefallen, sondern nur beim Anheben weggerutscht und ohne große Geschwindigkeit oder Fallhöhe allein aufgrund der großen Masse tödlich gewesen. Wie das manchmal so sei, habe das Teil an sich ein sofortiges Verbluten des Opfers verhindert, weil es Druck auf den Körper ausgeübt habe. Wenn das Teil dann entfernt werde, gehe es immer um Sekunden, um stabilisierende Maßnahmen einleiten zu können und diesen Wettlauf habe man verloren. Dann wandte sich der Notarzt etwas an die Seite und sagte leiser: „Abwärts vom Bauchnabel sah es sowieso nicht gut aus…“

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(©si)