Ich kann Euch sagen, sowas habe ich auch schon lange nicht mehr erlebt.
Der Tod und die Aufbahrung der jungen Jennifer macht uns deutlich bewusst, wieviele Freunde und Bekannte junge Menschen haben und wie einsam doch manche Alten sterben. Es ist unglaublich, wieviele Menschen gestern durch unsere Räume gegangen sind, um von Jennifer Abschied zu nehmen.
Das Kondolenzbuch ist inzwischen so dick, daß es sich mit dem eines Bürgermeisters messen kann, den wir vor ein paar Jahren mal beerdigten.
Wie sehr die jungen Leute gestern geweint haben, brauche ich wohl nicht zu erzählen. Wir haben die Trauerhalle geöffnet und dort Kaffee und belegte Brötchen auf Kosten des Hauses serviert. So beugen wir Kreislaufproblemen vor, die bei solchen Gelegenheiten sehr oft vorkommen.
Damit die vornehmlich jungen Leute wieder „runterkommen“ konnten, haben wir so eine Art „open house“ gemacht und die Möglichkeit gegeben, in nahezu alle Räume zu gehen und sich alles anzuschauen. Das nimmt den Menschen etwas die Angst und das Gefühl des ausgeliefert seins.
So hatten wir bald ein dreigeteiltes Haus. Auf der einen Seite atemlose Stille, schweigendes Schlangestehen, unterbrochen von Schluchzen und Weinen. In der Mitte die Trauerhalle mit Leuten, die redeten, tranken und aßen und in den anderen Etagen eher ausgelassene und plappernde Menschen.
Unser Plan ist voll aufgegangen, ich glaube, nur die wenigsten sind vollkommen am Boden zerstört nach Hause gegangen, sondern die meisten dürften das Gefühl gehabt haben, daß ihnen das Drumherum Erleichterung in ihrer Trauer verschafft hat.
Ganz besonders dankbar sind wir, daß der katholische Pfarrer gekommen war, der doch etlichen Leuten in kurzen Gesprächen Beistand leisten konnte.
Sehr emotional und auch für uns sehr ergreifend war die erste halbe Stunde, als wir erst dem Freund und dann den Eltern und Geschwistern der Verstorbenen Gelegenheit gegeben haben, ganz alleine Abschied zu nehmen. Zu Dritt haben wir den jungen Mann halten müssen.
Bei den Eltern haben wir bewusst eine zeitliche Beschränkung ins Spiel gebracht. Eigentlich kann es uns ja egal sein, wie lange die neben dem Sarg stehen oder sitzen und normalerweise beschränken wir das auch nicht. Aber in diesem Fall hielten wir es für angeraten, nach einer gewissen Zeit (etwa 20 Minuten) behutsam auf ein Ende zu dringen. Wir bemerkten nämlich, daß sie sich in ihre Trauer hineinsteigerten und die Mutter des Mädchens kam dadurch in eine Situation, daß wir befürchten mussten, daß sie kollabiert.
Besser ist es, wenn man dann den Druck aus der Situation nimmt.
Bis 20.30 Uhr hatten wir Leute im Haus, wohlgemerkt vom späten Vormittag an.
Danach kam das Mädchen wieder in die Kühlung und wir konnten uns dem Saubermachen widmen. Egal wie vorsichtig und reinlich die Leute auch sind, fast 400 Menschen machen einen Haufen Dreck. Es war weit nach Mitternacht, bis wir alles gesaugt und gewischt hatten. Vor allem die Toiletten…. Mann, Mann…. Für einen solchen Ansturm sind wir dann doch nicht eingerichtet. Da muss ich beim nächsten Mal jemanden besorgen, der sich nur darum kümmert, auch zwischendurch und so…
Heute wird normaler Feiertagsbetrieb sein und morgen steht die Beerdigung von Jennifer an. Trauerfeier bei uns, anschließend Überführung im Schritttempo zum Friedhof und Beisetzung des Sarges.
Für die Trauerfeier ist etliches geplant, aber davon erzähle ich erst morgen, wenn auch wirklich alles so geklappt hat, wie wir es uns vorstellen.
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Wenn man das so liest, fragt man sich, wer wohl alles zur eigenen Beerdigung kommen würde. Sicher nicht mehr als 20. Aber man weiss ja nie, wen man garnicht mehr auf dem Zettel hat.
Ein Freund von mir starb Anfang 20, leider freiwillig 🙁 Es waren ungezählte Menschenmassen auf dem Friedhof, fast 100 alleine aus unserer Abistufe. Da war keine gelockerte Stimmung hinterher. Ich kann mich nichtmehr erinnern, wie ich vom Friedhof weg kam, 2 Freundinnen haben mich mehr oder minder getragen. Es ist fast 2 Jahre her, aber Tränen versiegen nicht, wenn man jemanden seit dem Kindergarten kennt
Ich habe vor einem halben Jahr einen Cousin bei einem Arbeitsunfall verloren, der gerade erst Anfang 20 war. Eine so gerappelt volle Trauerhalle mit Vereinen, Feuerwehr, Arbeitskollegen, Verwandtschaft, Bekanntschaft hatte ich noch nie erlebt.
ich verfolge diese "geschichte" nun schon von anfang an und muss sagen, dass man sich vor dir und deinen leuten nur verneigen kann. es ist echt bewundernswert, was ihr alles ermöglicht. ich kann mir nicht vorstellen, dass das so die norm ist und dabei ist der abschied von einem menschen so wichtig … gerade, wenn es der letzte ist.
Auch bei alten Menschen ist das möglich: Meine Oma ist mit 92 Jahren gestorben, wohnte ihr Leben lang im gleichen Ort und kannte dementsprechend viele Leute. In der Trauerhalle war nur die Familie anwesend, aber als wir zur Beerdigung hinaus gingen, stand den ganzen Weg quer durch den Friedhof eine Riesenschlange Menschen. Ein überwältigender Anblick.
Ich habe vor beinahe drei Jahren einen guten Freund verloren. Die meisten Mitglieder unseres damaligen Jahrgangs tragen heute noch ein Trauerkärtchen mit sich…
Bei mir würden sehr wenige kommen und ich bin noch nicht mal 20
hat also nicht unbedingt was mit dem alter zu tun
@mikamo: Es kämen mehr als du glaubst.
Ich muss jetzt wirklich auch mal sagen das ich riesigen Respekt vor eurer Arbeit und der Art wie ihr sie macht habe.
Beim ersten Teil dieser "Geschichte" bin ich ziemlich erschrocken, ich habe meine Freundin vor noch nicht mal 3 Jahren auf sehr ähnliche Weise verloren. Bei mir waren die Erfahrungen mit dem Bestattungsunternehmen aber nicht so positiv.
Schön das es aber auch das gibt, danke.
Ich hatte ja schon von dem frühen Tod meines Cousins berichtet. Wenn ich hier lese wie schön ihr die Aufbahrung gestaltet habt kommen mir die Tränen. Das war bei uns damals leider nicht der Fall, auch der Pfarrer hat sich angesichts der großen Masse von Trauergästen schnell aus dem staub gemacht. Ich finde es immer wieder toll zu lesen, wie viel mühe ihr euch in eurem betrieb gebt. das ist wirklich bemerkenswert.