Branche/Kommune

Vorsorge weg

Gestern am Nachmittag gesellt sich im Biergarten Thomas zu mir und wir zwei bilden spontan eine nette Runde.
Thomas ist seit sechs Jahren krankgeschrieben und bedauert es beinahe in jedem seiner Sätze, wie sehr ihm doch die Arbeit fehlt.

Nun hat Thomas aber derzeit ein ernsthaftes Problem. Im fernen, küstennahen B. ist ein Bruder seines Vaters, also ein Onkel, verstorben. Der hat bis zuletzt in einem Heim gelebt und die nicht sehr kontaktfreudige und über ganz Deutschland verteilte Verwandtschaft glaubte, für den alten Onkel sei alles geregelt.
So zumindest hatte es geheißen, als der Onkel vor acht Jahren ins Heim gegangen ist.

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Jetzt aber stellte sich überraschenderweise heraus, daß die seinerzeit abgeschlossene Bestattungsvorsorge nicht mehr existiert. Der Heimträger hat inzwischen zweimal gewechselt und der augenblickliche Heimbesitzer, ein Konzern, weiß nichts von den Vorsorgen die die Heimbewohner mit der „Pietät Eichenlaub“ abgeschlossen haben.

Es ist also Not am Mann, denn der Verstorbene liegt schon seit 24 Stunden in der Kühlkammer eines Krankenhauses und die Verwaltung drängt, daß er nun bitteschön bald abgeholt werden müsse.
Also hat Thomas‘ Schwester bei der „Pietät Eichenlaub“ in B. angerufen und sich erkundigt, was denn das jetzt alles kosten würde.

Es geht darum, den Toten im Krankenhaus abzuholen, in einen einfachen Sarg zu betten und direkt zum Krematorium zu bringen. Die Urne bleibt dann im Krematorium drei Wochen stehen, bis die Angehörigen alle nach B. gefahren sind, und wird dann in der letzten noch freien Stelle eines Familiengrabes beigesetzt. Ohne Trauerfeier, nur eine kleine Versammlung am Grab.
Na, was würde sowas wohl kosten?

Die „Pietät“ kommt auf stolze 2.450 Euro und faxt das Thomas‘ Schwester so auch zu.
Es ist das Übliche: Die Überführung allein kostet 250 Euro und dann schreibt man noch den Fahrer und den Beifahrer mit 95 Euro extra auf, berechnet dann für die Einsargung 195 Euro und schreibt die beiden Männer zum zweiten Mal mit jeweils 95 Euro extra auf. So kommt man alleine dafür schon auf über 600 Euro, nimmt dann noch 399 Euro für den Sarg und ist ruckzuck bei 1.000 Euro.
Hemd und Urne schlagen mit 200 Euro zu Buche und da fragt man sich, wo die nun die andere Hälfte der 2.450 Euro noch hernehmen wollen. Aber das ist kein Problem. Fachliche Beratung 75 Euro, Beurkundung 95 Euro, Sonderzuschlag 66 Euro und so weiter und so fort, es läppert sich einfach Summe für Summe zusammen und am Ende ist man tatsächlich bei 2.450 Euro, ohne kommunale und sonstige Gebühren.

Von der Vorsorge weiß man auch bei den „Eichenlaubs“ nichts, die seien alle vor Jaaaaaahren schon aufgelöst worden. Wenn man Unterlagen habe, könne man damit vorbeikommen. Unterlagen, das sagt aber das Heim sogleich, gibt es nicht. Merkwürdig, alles sehr merkwürdig.

Ich gebe Thomas ein paar Tipps, er schnorrt sich vom intellektuellen Nachbartisch ein Netbook und recherchiert unter meiner Anleitung noch vor Ort im Biergarten nach Alternativen.
Am Ende haben wir drei Angebote von anderen Bestattern (darunter sogar eins per SMS, ein Lob an diesen modernen und aufgeschlossenen Kollegen!) und keins davon ist teurer als 780 Euro.

780 Euro plus Krematoriumsgebühr, Leichenschau, Graböffnungsgebühr, alles zusammen auf jeden Fall nicht wesentlich mehr als 1.000 Euro, wahrscheinlich sogar weniger. Das ist ein Wort, damit kann man leben.
Jetzt rufe ich nochmals in diesem Heim an. Die Vorsorge ist immer noch nicht aufgetaucht, aber erstaunlicherweise erinnert sich die Heimleiterin auf einmal, daß der Verstorbene im Heim nebenher (neben was?) noch Handlangerdienste geleistet habe, bei der Essensausgabe, bei der Gartenpflege usw., und dafür habe er ja ein kleines Taschengeld zusätzlich bekommen, das immer schön auf ein Konto gewandert sei.
Da seien jetzt zufälligerweise genau 820 Euro drauf.
Aber so ganz genau wisse das nur Herr K., der Betreuer des Verstorbenen, aber Herr K. könne sich im Moment nicht kümmern, der habe seit zwei Monaten Schlüsselbein oder Wadenbein, auf jeden Fall irgendwas mit einem Bein.

Ich lasse mir die Nummer von Betreuer K. geben und rufe da an. Der Anrufbeantworter verkündet, daß Hermann, Jutta und Nadine noch bis zum Fünfzehnten in Tirol sind. „Juchuhu, wir machen Uhurlahaub!“ singen die K.s am Ende noch vom Band und dann macht’s Piep.

Es bleibt also weiter an der Familie hängen, sich um alles zu kümmern und das über einige hundert Kilometer hinweg.
Thomas telefoniert mit seiner Schwester, mit anderen Verwandten und dann bekommt das 780-Euro-Unternehmen den Auftrag.
Mal sehen ob ich erfahre, wie es weitergegangen ist.

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(©si)