Menschen

Weisse Schokolade

Nasweis-Lästig, der seit seiner Geburt vor dem ersten Kriege dauerpensionierte Oberstudienschrat von hinten überm Hof, baut sein Bad um. Klopfgeräusche aus der Heißwasserleitung machten einen nur ganz kleinen, mal eben von einem örtlichen Handwerker ausgeführten Eingriff notwendig.

„Da wird nur im Bad eine Wand aufgemacht und es werden zwei Meter Rohr neu verlegt. Ist eine Sache von einem Tag“, freute sich Nasweis-Lästig noch vor einigen Monaten und warf sich in seine gestärkte und gebügelte Latzhose, zog einen grauen Kittel darüber und begann damit, den zwei Handwerkern im Weg herumzustehen.

Mit seiner eigenen Wasserwaage und einem lasergestützten Zollstock nahm er eigenhändig die Kontrollmessungen vor und schimpfte lauthals über den Gartenzaun zu mir herüber, er müsse „alles, aber auch wirklich alles nachmessen“, diese Ausländer würden ja nicht einmal zwei Stellen hinterm Komma genau messen.

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„Ich heiße Pohle, verdammt noch mal, ich bin aber keiner!“ brüllte einer der Handwerker aus dem offenstehenden Badezimmerfenster und warf, wie um seine Worte zu unterstreichen, in hohem Bogen einen Heizkörper aus dem Fenster auf einen Haufen mit Schutt, Schrott und Gerümpel.

„Scheint doch was Größeres zu werden, nicht wahr?“ fragte ich Nasweis-Lästig, doch der stürmte zeternd und schimpfend ins Haus zurück.

Es stellte sich dann heraus, daß nicht nur die besagten zwei Meter Leitung morsch waren, sondern im Grunde die ganze Hausinstallation von Grund auf saniert werden mußte.

Das ließ sich Nasweis-Lästig dann aber erst einmal gründlich durchrechnen und als er des Kostenvoranschlags ansichtig wurde, wurde er ganz blass um sein kleines Nasweis und setzte sich kopfschüttelnd und staunend und verärgert zugleich an seinen Küchentisch. Dort nahm er die „Gelben Seiten“ zur Hand und telefonierte der Reihe nach alle Installateure ab, in der Hoffnung, einen günstigeren Anbieter zu finden.

Das einzige Unternehmen, das wirklich bedeutend billiger gewesen wäre, die Firma Krystof Pryzibczowski GmbH, kam für Nasweis-Lästig wegen der für ihn immer noch offenen Fragen rund um die deutsch-polnische Grenzziehung nicht in Frage.

In seiner Verzweiflung rief der greise Knabenführer und Wortlieber seinen Kriegskameraden Kunibert von Schlaghecken-Zimmerbronn an, einen ebenfalls im Ruhestand befindlichen Patentanwalt, der aus einer verarmten Adelsfamilie stammt, die quasi von überall her geflüchtet ist, von wo genau, das weiß man nicht mehr, jedenfalls vor den Russen.

Nun sind also, man kann es sich fast denken, diese beiden alten Herren seit nunmehr 16 Wochen in jeder freien Minute damit beschäftigt, in Eigenregie das Bad des Nasweis-Lästig zu reparieren und zu renovieren.
Gut, das Hauptkampfgebiet wurde inzwischen ausgeweitet und die oberste Heeresleitung hat inzwischen das gesamte Nasweissche Domizil zum Bad erklärt und ganz offensichtlich schrecken die zwei hammerbewehrten Heerspitzen nicht davor zurück, auch einen Brückenkopf ins Wohnzimmer und ins Schlafzimmer des Hauses zu schlagen, auch wenn es dort definitiv keine Wasserleitungen freizulegen gibt.

„Wenn wir schon einmal dabei sind…“ seufzte Nasweis-Lästig neulich und reichte eine Flasche „38er Braunauer Wolfsgrund“ über den Zaun und entschuldigte sich für das teils bis in die tiefe Nacht gehende, langanhaltende Klopfen und Hämmern.

Ich stellte die Flasche in die Küche und meine Frau fragte nur, ob das jetzt österreichischer oder deutscher Wein sei.

„Ach, das ist Wein?“ staunte ich, „Ich dachte eher an Waffenöl.“

So geht das nun also schon seit Wochen und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen reicht der Reichsverweser kleine Liebesgaben über den Zaun, um uns für die, mit dem Umbau verbundenen Unannehmlichkeiten zu entschädigen.

Das tut er nicht nur bei uns, sondern auch bei seinen Nachbarn zur Linken und zur Rechten. Frau Hammerschmidt hat einen geräucherten Wolfsschinken bekommen und Herr Grunflat gepökelte Gänsestopfleber von freilaufenden Gänsen, die garantiert mal diesseits, mal jenseits der Oder-Neiße-Linie scharren.

Wir haben erst gestern zwei Tafeln weiße Schokolade bekommen, dunkle Schokolade lehnt Nasweis-Lästig seit dem Verlust der deutschen Kolonien als Negerware ab, sowas komme ihm nicht ins Haus, weiße Schokolade werde, soweit er das wisse, in ausländerfreien Zonen wie der Schweiz gefertigt und die sei besonders gesund.

Meine Frau und ich sind ja der Meinung, daß es gar nicht so verkehrt ist, wenn diese Leute in ein paar Jahren ausgestorben sind. Also jetzt nicht die Schweizer, sondern diese Braunschädel. Wenn ich aber sehe, welche Energie Nasweis-Lästig bei seinem Umbau an den Tag legt, dann scheint der Zeitpunkt seines Ablebens noch in weiter Ferne zu liegen.

„Daß sowas so lange dauern kann“, wundere ich mich und meine Frau meint: „Du kannst es wohl gar nicht abwarten, den zu bestatten, oder?“

„Nein, ich meine das mit dem Umbau, daß der so gar nicht fertig wird.“

„Sei Du doch ruhig“, raunzt sie mich an und aus unserem Keller tönen dumpfe Schläge, Carlos Gastro-Poda ist auch bei uns immer noch am Werk.

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(©si)