Frag den Bestatter

Wenn der Sarg umkippt

Was passiert, wenn Sargträger unachtsam sind und Särge ins Grab fallen oder umkippen?

Diese Frage beantworte ich heute:

Hallo Herr Wilhem,
ich habe etwas für die Kategorie: Frag den Bestatter.

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Ich war heute bei einer Beerdigung, bei einer der inzwischen eher seltenen Erdbestattungen. Die vier Sargträger waren allesamt Angehörige und dementsprechend ungeübt. Anscheinend haben die Träger auf einer Seite das Seil wohl zu schnell gleiten lassen. Umgekehrt könnte man auch sagen, die zwei auf der anderen Seite waren zu langsam. Jedenfalls kam der Sarg beim Herunterlassen in eine beträchtliche Schieflage und ich habe befürchtet, dass er gleich umkippt. Man konnte das dann wieder korrigieren. Vielleicht sah es schlimmer aus, als es war. Aber die Neigung war beachtlich.

Nun stelle ich mir folgende Fragen:
Sind Ihnen Fälle bekannt, wo der Sarg beim Herunterlassen zur Seite umgefallen ist? Dass Särge ab und zu „plumpsen“, hat man schon gehört (und auch hier gelesen). Aber dass sie umkippen oder sich sogar umdrehen, gab es sowas auch schon? Und was tut man in diesem Fall? Holt man den Sarg irgendwie wieder heraus? Der Verstorbene dürfte dann auch nicht mehr ganz so friedlich liegen – somit müsste man den Sarg öffnen und alles wieder herrichten. Wie sollte das während einer Trauerfeier möglich sein? Das dürfte der Super-GAU für jeden Bestatter sein – auch wenn die Träger privat waren.

Aber unabhängig davon: Kann die Schieflage heute bereits die Position der Verstorbenen verändert haben? Der Sarg hing einige Sekunden stark nach links, bevor er wieder gerade wurde. Kann man davon ausgehen, dass die Person darin zur Seite gerutscht ist?

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort

Gerne beantworte ich Dir Deine Frage. Da ich aber ob des interessanten Themas ins Schwafeln gekommen bin, ist es hilfreich, das automatisch erzeugte Inhaltsverzeichnis zu nutzen, um ggfs. direkt zum für Dich interessantesten Teil zu springen.

Neulich habe ich hier im Bestatterweblog ja erst einen Fall geschildert, bei dem der Sarg zwei Meter tief ins Grab gekracht ist und sich sogar geöffnet hat.

Solche Fälle kommen in allen Variationen immer mal wieder vor und das mit leider steigender Tendenz.

„Da riß das Seil, das am Fußende war, und der Sarg schoß in das Grab, so daß Eulenspiegel in dem Sarg auf die Füße zu stehen kam. Da sprachen alle, die dabeistanden: »Laßt ihn stehen! Wunderlich ist er gewesen in seinem Leben, wunderlich will er auch sein in seinem Tod.« Also warfen sie das Grab zu und ließen ihn aufrecht auf den Füßen stehn.“
(wahrscheinlich nach dem Niederdeutschen von Hermann Bote, um 1510)1

Wer trägt eigentlich die Särge?

Hierzu sollten wir uns zunächst einmal die Frage stellen, wer überhaupt für das Tragen von Särgen und das Ablassen in das Grab zuständig ist.

Es gab einmal Zeiten, in denen Arbeit und Entlohnung in einem gesunden Verhältnis zueinander standen. In diesen Zeiten, mit einem auch deutlich geringeren Anspruchsdenken der Beschäftigten, war es möglich, dass ein Mann durch Arbeit und dem Verdienst eine Familie ernähren konnte.
Das ermöglichte es, dass Friedhöfe genügend Männer beschäftigen konnten, die je nach Größe des Friedhofs in Voll- oder Teilzeit als Sargträger dienten.
Bei kleineren Friedhöfen mit einer geringeren Zahl an Beerdigungen lohnte sich das aber auch schon früher nicht. So wurden an Beerdigungstagen Arbeiter von anderen Friedhöfen abgezogen oder aber es wurden Sargträger angemietet.
Diese „freiberuflichen“ Sargträger waren oft sogar in Sargträgervereinigungen organisiert. Es waren meist Rentner, Frühinvalide oder auch Tagelöhner. Diese Vereine organisierten den Trägerdienst selbst und kassierten ihren Lohn, manchmal auch ausschließlich aus Trinkgeldern bestehend, mitunter direkt bei den Angehörigen.
Regional unterschiedlich organisierten auch Bestatter solche Trägergruppen, hatten also die Aufgabe, zu jeder Bestattung auch immer noch vier kräftige Herren besorgen zu müssen.

Mercedes Transporter als Bestattungswagen

Mercedes TN als Bestattungswagen. Ausbau für 1-4 Särge und Doppelkabine für bis zu 6 Personen. Am Steuer hier: Der echte Manni

Mein Mercedes TN

Ich habe 1993 einen gebrauchten Bestattungstransporter in sehr gutem Zustand erworben. Dieses Fahrzeug hatte eine überraschend große Doppelkabine mit insgesamt sechs Sitzen.

Der vorherige Besitzer, ein Bestatter vom Bodensee, dem ich dieses Fahrzeug für 11.000 D-Mark abkaufte, hatte diese Doppelkabine benötigt, um neben seinen beiden Angestellten, auch noch die vier Sargträger (und manchmal auch den Pastor) zu den Friedhöfen fahren zu können.

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In manchen Städten organisiert die Stadtverwaltung als Träger der Friedhöfe auch den Trägerdienst für die Särge. Das kann auch eine Kirchengemeinde sein, wenn es ein konfessioneller Friedhof ist.

Heute wandelt sich das alles.

Nur noch in wenigen Städten gibt es Sargträgervereine. Kaum noch jemand ist bereit, für ein überschaubares Handgeld, diese Arbeit zu machen. Das Gefühl, einen ehrenvollen letzten Dienst zu erweisen, ist in weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr vorhanden. Durch die überwiegende Zahl von Urnenbeisetzungen lohnt sich vielerorts auch das Bereithalten von entsprechend vielen Sargträgern nicht mehr. „Fach“kräfte fehlen auch in diesem Bereich.

Das führt dazu, dass:

– Arbeiter mit ungenügender Erfahrung diese Arbeit machen
– Sargabsenkungsautomaten eingesetzt werden
– Familienangehörige den Trägerdienst übernehmen

Sargabsenkungsautomat / Sargversenker

Beim Sargabsenkungsautomat handelt es sich in der modernsten Form um ein Katafalk, also einen Sargwagen, auf dem der Sarg auch bei der Aufbahrung und der Trauerfeier steht. Im Gegensatz zum normalen Sargwägelchen kann bei dieser „Luxus“-Version aber der Boden unter dem Sarg weggeklappt werden und der Sarg quasi durch den Wagenrahmen hindurch auf breiten Gurten nach unten abgelassen werden. In seiner einfacheren Form ist es ein Rahmen mit Gurten. Durch Kurbeln oder Motorantrieb kann ein mittig auf den Gurten platzierter Sarg abgelassen werden.

Sargabsenkungsvorrichtung

einfacher Absenkautomat

Hier habe ich noch ein Foto aus den USA. Es zeigt eine besonders ausgeklügelte Sargabsenkungsvorrichtung. Bei dieser Beisetzung wird der Verstorbene in einem Holzsarg beigesetzt, der nochmals in einem haltbareren Übersarg platziert werden soll.
Der Automat ist bereits entsprechend vorbereitet:

ein Rahmen mit Gurten zum Absenken von Särgen

Das Unterteil des Übersarges befindet sich bereits in der Gruft. Der Deckel ist rechts schon in den Automat eingesetzt. Nun muss nur noch der eigentliche Sarg bei der Beerdigung mittig auf die quer verlaufenden Gurte gestellt werden. Die Querstreben (hell) werden weggenommen. Dann übernimmt der Automat den Rest: Der Sarg wird etwas abgelassen, der schwere Deckel von rechts über den Sarg geschwenkt und dann geschlossen. Anschließend sinkt der Übersarg mit dem Innensarg langsam ins Grab.

Fehler passieren immer wieder

Die alten Herren der Sargträgervereine nahmen sich gelegentlich vor dem harten Dienst am hüllenden Holze auch schon mal doppelgebrannten Korn zur Brust. Mehrmals habe ich es erlebt, dass dann einer der Sargträger nach der zweiten oder dritten Beerdigung schon so betrunken war, dass er am Grab ins Straucheln kam und manchmal sogar ins Grab gefallen ist.

Betrunkene

Die Taue, an denen die Särge abgelassen werden, können rutschig sein, die Sargträger können unerfahren oder auch mal nicht kräftig genug sein, es können auch mal Sarggriffe (durch die manchmal die Seile geführt werden) abbrechen und, und, und …
Der Fehlerquellen sind da mannigfaltig viele.

Dabei kann mit dem Sarg alles nur Erdenkliche passieren. Er kann mit dem Kopfende voran in die Grube fallen, mit dem Fußende voran, er kann sich drehen und mit dem Boden nach oben zu liegen kommen und er kann dabei auch zerbrechen oder sich öffnen.
In den seltensten Fällen bleibt der Verstorbene dabei schön wie schlafend mit gefalteten Händen im Sarg liegen. In allen Fällen aber bekommt er davon nichts mit.

Was tut man?

Bei mehreren tausend Beerdigungen, die stattfinden, wird es immer auch einen kleinen Prozentsatz geben, bei dem etwas schiefgeht. Menschen machen Fehler, Material schwächelt, Technik kann versagen. Shit happens.

Nebenbei bemerkt: Bei einer Beerdigung, bei der ich als Trauergast zugegen war, ist einer der vier Sargträger just beim Ablassen des Sarges an einem Herzschlag verstorben und mit dem Sarg ins Grab gefallen.

Das ist für die Trauergäste immer sehr dramatisch, aber eben letztendlich nicht ausgeschlossen.

Wichtig ist hier, dass man Ruhe bewahrt.
Wie ich neulich erst beschrieb, sollte man alles tun, um die Würde des Verstorbenen zu wahren und die berechtigterweise aufgeheizten Gemüter der Trauergäste abzukühlen.
Am besten ist es, wenn man die Anwesenden absondert und sie beispielsweise in die Trauerhalle bringt, um zu warten. In einem Fall (die Arbeiter hatten das Grab zu kurz ausgehoben und der Sarg passte nicht rein) habe ich die Trauergesellschaft dazu gebracht, den Leichenschmaus im Café vorzuziehen und zwei Stunden später wiederzukommen. Hier der Link zu dieser Geschichte aus 2007.

In der Zwischenzeit muss alles in Ordnung gebracht werden. Im günstigsten Fall kann an Ort und Stelle alles wieder gerichtet werden. Ansonsten muss der Sarg gehoben und ggfs. in die Leichenhalle (nicht die Trauerhalle) gebracht werden, um den Verstorbenen wieder einzubetten.
Im ungünstigsten Fall muss alles wieder zurück ins Bestattungshaus, damit eventuell sogar ein neuer Sarg genommen werden kann.
Sofern das nicht in überschaubarer Zeit erledigt werden kann, muss im schlimmsten Fall sogar ein neuer Termin für die Beerdigung gemacht werden.

Alles ganz schlimm!

Aber, es passiert in ganz seltenen Fällen doch schon mal.

1 angemerkt von Felix

Bildquellen:
  • betrunkene: KI generiert
  • sarg-faellt-um: Peter Wilhelm
  • lowering-device: https://www.trigard.com/blog/burial-site-set-up/
  • Bestattungswagen: Peter Wilhelm

Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 11 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 19. Januar 2024 | Peter Wilhelm 19. Januar 2024

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Felix
3 Monate zuvor

„Da riß das Seil, das am Fußende war, und der Sarg schoß in das Grab, so daß Eulenspiegel in dem Sarg auf die Füße zu stehen kam. Da sprachen alle, die dabeistanden: »Laßt ihn stehen! Wunderlich ist er gewesen in seinem Leben, wunderlich will er auch sein in seinem Tod.« Also warfen sie das Grab zu und ließen ihn aufrecht auf den Füßen stehn.“
(wahrscheinlich nach dem Niederdeutschen von Hermann Bote, um 1510)

Doro
3 Monate zuvor

Vielen Dank für diesen tollen und langen Artikel. Es ist schon bewundernswert, wie viel Arbeit du da investierst. Klasse!

Coffin
3 Monate zuvor

Ich wurde auch mal gebeten, bei einem guten bekannten als Sargträger mitzuwirken.
Der Mann war ziemlich schwer.
Mein Problem war, daß ich nicht vorbereitet war, ich wurde erst zu Beginn der Beerdigung angesprochen und hatte leichtes Schuhwerk an.
Als ich dann da stand und die komplette Last am Seil hing, wäre ich fast in die Grube gefallen.
Ein Angestellter der Bestatterfirma sah es und packte mich gerade noch rechtzeitig.
Ich hätte eine solche Kraft nicht erwartet.




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