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Werners Beerdigung

Ich drücke mich schon länger um den Bericht von Werners Beerdigung herum.
Diese Abschiednahme in der Trauerhalle des Waldfriedhofs war sowas von ergreifend für mich, daß ich heute noch schlucken muß, wenn ich daran denke.

Als Bestatter kann ich mich nicht mit den Trauernden hinsetzen und die Veranstaltung als zugleich bedrückendes und doch befreiendes Spektakel genießen, sondern meine Aufgabe ist es, in diesem Moment zu bedrücken und zu befreien.

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Mein Job ist es, der Trauer einen Raum zu schaffen, einen Kanal zu bieten, über den die Emotionen abfließen können. Um seine Trauer bewältigen zu können, brauchen die Hinterbliebenen Möglichkeiten, sich abzureagieren. Oftmals werden hinter der allfälligen Betriebsamkeit rund um einen Todesfall die wahren Emotionen versteckt und unterdrückt und ich finde, daß wir durch unsere Inszenierung mithelfen sollten, diesen Stau zu lösen.

In diesem konkreten Fall bleibt mir der Kloß im Hals, weil keiner meine Trauer zu lösen schien. Doch als dann Werners Sarg in die Grube abgelassen wurde, ertönte von recht weit entfernt die Trompete eines einsamen Polizeimusikers und man hörte „Guten Abend, gute Nacht“, eines von Werners Lieblingsliedern, ja da war ich froh, etwas abseits zu stehen und einfach nur in mein Taschentuch schniefen zu können.

Sechs Polizisten haben während der ganzen Trauerfeier neben dem Sarg gestanden, drei hüben, drei drüben. Der Pfarrer sprach sehr intensiv und persönlich, ein Vorgesetzter von Werner sprach lange und man merkte daß er Werner gut gekannt hatte. Doch am bewegendsten war der Moment, als Werners Tochter nach vorne ging und unter Tränen ein selbstgeschriebenes Gedicht für ihren Vater verlas.

Was sie sagte ist vollkommen unwichtig, ich kann mich an keine Zeile mehr erinnern, das heißt, doch an den Schluß erinnere ich mich: „Tschüß, Papa, ich liebe Dich.“

Dann spielte die Orgel und die Totenglocke begann zu läuten. Auf ihren Schultern trugen die sechs Kollegen den Sarg aus der Halle und die weit über 300, größtenteils uniformierten, Trauergäste folgten langsamen Schrittes. Etwa 500 Meter waren es bis zum Grab und auf halber Höhe hatte sich ein Teil des Polizeiorchesters plaziert und spielte den Trauermarsch, langsam, tief und sehr erhaben.

Fast eine Viertelstunde dauerte es, bis sich die Trauergäste zwischen den umliegenden Gräbern einsortiert hatten und der Pfarrer mit seinem Ansprache am Grab beginnen konnte. Für die Witwe und die engsten Angehörigen hatten wir Stühle aufgestellt, sonst wäre die anschließende Kondolationstour zu lang für sie geworden.

Bis alle Anwesenden ihr Schäufelchen voll Sand ins Grab geworfen hatten, verging eine ganze Stunde. Es ist durchaus nicht unüblich, daß sich die Witwe oder der Witwer in solchen Fällen auch schon früher vom Grab zurückziehen. Aber Werners Frau wollte die Kollegen, die zum Teil mit Bussen gekommen waren, nicht vor den Kopf stoßen und stand das Ganze tapfer durch.

Vor lauter Menschen und lauter Aufregung hatte sich die Familie die ganzen Kränze und Gestecke nicht richtig anschauen können. Wir haben Fotos gemacht und jede einzelne Schleife genau im Schleifenprotokoll festgehalten. Trotzdem sind wir am Nachmittag nochmals mit der Familie zum Grab gefahren, das inzwischen zugebaggert war, und haben uns alles genau angeschaut.

Das größte Kompliment, auch wenn manche das nicht verstehen werden, machte mir die Witwe, als sie sagte: „Das habt ihr so schön gemacht, ich hab ja so weinen müssen.“

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