Frag doch den Undertaker

Wie sieht das Opfer eines Sturzes aus grosser Höhe aus?

hochhaus-pixabayIch habe eine etwas seltsame Frage. Eine sehr gute Freundin ist letzten Februar verstorben. Sie hat sich umgebracht – Sprung aus dem 11. Stock eines Hauses, Aufprall auf Beton. Ich tue mir sehr schwer mich mit allem „abzufinden“ bzw. zu begreifen und bin permanent am Suchen nach „Info-Material“, was passiert, wenn man springt. Können Sie mir hier „helfen“, sagen, was passiert, wenn man von so einer Höhe springt? Kann man von einer „Sauerei“ ausgehen, oder hält es sich in Grenzen? Wäre sie noch „zum Herzeigen“ gewesen? Der Bestatter hat mir (hab das Begräbnis mit organisiert) diese Frage gestellt… ich hab gesagt, was passiert ist, aber der meinte „Kann ja trotzdem sein..“. Wie verdreht ist ein Körper, nach so einem Sprung? Ist der Kopf noch „ganz“ ?

Ich möchte keineswegs pietätlos erscheinen, ich bin lediglich jemand, der eine Klatsche von der Realtität braucht, keine Beschönigungen, einfach nur die Wahrheit… und die erhoffe ich mir von Ihnen!

Ich habe es in meinem Berufsleben als Bestatter mehrere Male mit Verstorbenen zu tun gehabt, die aus Höhen von 25-50 Metern gefallen oder gesprungen sind.
Zunächst einmal kann man sagen, daß die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall zu überleben gegen Null tendiert.
Dabei ist es nahezu unerheblich, wie der Untergrund beschaffen ist. Selbst bei einem Sprung ins Wasser muß man bei diesen Höhen (z.B. Klippenspringer etc.) über ungeheure Erfahrung, Können und die erforderliche körperliche Konstitution verfügen, um schwere Verletzungen zu vermeiden.

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Sämtliche Action-Szenen aus Filmen, in denen der Held aus dem sechsten oder achten Stock in die Tiefe springt und in denen sein Fall durch einen Sonnenschirm, eine Markise oder ein paar Campingtische gebremst wird, sind Filmtricks; so etwas übersteht niemand in Wirklichkeit unbeschadet.

Ein Sturz aus rund 30 Metern Höhe auf Beton ist in wahrscheinlich 100% aller Fälle tödlich.
Durch den Aufprall werden in erheblichem Maße Knochen gebrochen, die inneren Organe können abreißen, schwere innere Blutungen sind die Folge. Hinzu kommt regelmäßig eine Zerstörung des Schädels mit erheblichen Quetschungen des Gehirns, bis hin zum Aufplatzen des Schädels und Austritt von Gehirnmasse.

Als Bestatter steht man nun leider auch manchmal vor der Aufgabe, auch einen auf diese Weise verstorbenen Menschen wieder herrichten zu müssen.
In den meisten Fällen werden Bestatter von einer Abschiednahme am offenen Sarg abraten. Insbesondere bei schweren Kopfverletzungen ist das Herbeiführen eines Aussehens wie zu Lebzeiten vielfach nicht mehr möglich.
Aber dennoch bestehen manche Angehörige darauf. Hier sind dann zunächst ausführliche Gespräche mit den Betroffenen erforderlich und der Bestatter muß sein Bestes geben, um -bei allen Einschränkungen- dennoch ein ansehbares Ergebnis zu erzielen.

Dabei ist schon das Ankleiden und Einsargen an sich eine recht schwierige Angelegenheit, weil so schwer verletzte Leichname viel beweglicher und somit „zerbrechlicher“ sind als andere Verstorbene. Es gibt eben durch die vielen Knochenbrüche, vor allem an den Extremitäten, viel mehr Biegestellen.

Nun ist der Körper an sich bei der bei uns üblichen Form der Einsargung bis auf Kopf und Hände ja nicht sichtbar und unter der Sargdecke verborgen.
Sogar die Hände und Arme kann man unter der Decke verschwinden lassen, sodaß letztlich nur der Kopf zu sehen ist.

Zunächst einmal ist es natürlich von zentraler Bedeutung, wie schwer und wo sich eventuelle Verletzungen des Kopfes befinden.
Bei einem Verstorbenen, an den ich mich erinnere, war vor allem das Hinterhaupt betroffen und wir entschieden uns, nach ausführliche Betrachtung von Fotos, die den Mann als Lebenden zeigten, ihn aufzubahren.
Nachdem der Kopf des Verstorbenen gewaschen und die Haare von Blut- und sonstigen Anhaftungen befreit waren, füllten wir die Verletzung am Kopf mit Papiertüchern und Mull und kaschierten die Stelle so gut es ging mit den Haaren.
Aus dem Kissen entfernten wir etwa die Hälfte der üblichen Füllung, sodaß der Kopf tief in das Kissen einsinken konnte. Gleichzeitig bauschte sich dadurch das Kissen seitlich neben dem Gesicht etwas auf, was dem Kopf Halt und Stütze verlieh und gleichzeitig einen Blick auf die verletzte Stelle verhinderte.

Ein jungen Mädchen, das von einem Hochhaus gesprungen war, wurde von mir als nicht mehr vorzeigbar eingestuft. Zu schwerwiegend waren die Verletzungen des Kopfes. Jedoch gehörte die junge Frau zur Bevölkerungsgruppe der Roma und die Angehörigen ließen bezüglich der Frage, ob es eine Aufbahrung geben könne, überhaupt gar keine Diskussion zu: Das Mädchen mußte aufgebahrt werden.

Ein befreundeter Bestatter, der in diesem Arbeitsbereich besser Bescheid wußte als ich, kam mir glücklicherweise zur Hilfe. Er hatte schon häufiger so schwere Fälle gehabt und traute sich diese Arbeit zu.
Man muß sich vorstellen, daß der Kopf eines Menschen sich bei einem Aufprall eben nicht so verhält, wie die im Fernsehen zu Vergleichszwecken immer gerne herangezogene Wassermelone.
Diese Melone zerplatzt bei Tests von Fahrradhelmen etc. immer in Zeitlupe.
So ist das beim Kopf eines Menschen nicht unbedingt. Die Knochen des Schädels sind bedeutend härter als die Schale einer Melone und vor allem ist der Schädel komplett mit Gewebe, Muskeln, Fett und Haut überzogen.

Bei dem Mädchen war es so, daß der Kopf ebenfalls am Hinterhaupt offen war und ein Stück des Schädelknochens dort fehlte. Ansonsten war der gesamte Schädelknochen in unglaublich viele Teile zerbrochen und wurde durch die Haut zusammengehalten.
Die Proportionen stimmten nicht mehr, der Kopf fühlte sich eher an, als habe man die oben genannte zerplatzte Wassermelone in einem Überzug aus Latex. Ja, würde man die Melone noch mit Watte umwickeln und in eine große Luftballonhaut stecken und dann zerbersten lassen, käme man der Realität deutlich näher.

Auch hier mußte wieder gründlich gewaschen und gereinigt werden. Wenigstens hatte das Mädchen lange Haare, die später die Verletzungen verdecken konnten.
Das Problem war aber die multiplen Frakturen des Schädels. Hier -und das gebe ich unumwunden zu- stieß ich an die Grenzen meiner Fähigkeiten und meiner damaligen Belastbarkeit.
Dennoch blieb ich jede Sekunde bei meinem Kollegen und ging ihm auch zur Hand.
Er verstand es, unter der Hülle aus Gewebe und Haut, die Knochenfragmente zu ertasten und so gut es ging, an die richtige Stelle zu schieben. So verfuhr er, der sehr genaue anatomische Kenntnisse hatte, auch mit den Gesichtsknochen.
Allmählich bildete sich unter seinen Händen tatsächlich so etwas, das nicht mehr an ein Alien, sondern an eine junge Frau erinnerte.
Die grundsätzliche Problematik lag darin, daß nichts da war, das die so frei modellierte Schädelstruktur und die Gesichtszüge an Ort und Stelle hielt.

Da aber damit zu rechnen war, daß die vielen Besucher der Roma-Familie die Leiche berühren, streicheln oder gar küssen würden, wie es bei anderen Sterbefällen von Roma schon oft der Fall gewesen war, entschieden wir uns zu zwei weiterführenden Maßnahmen. Nach dem ausführlichen Schminken des Mädchens, bei dem Konturen, insbesondere im Bereich der Augenbrauen, der Nase und des Kinns, überdeutlich betont wurden, bedeckten wir das Gesicht mit einem durchsichtigen Schleier.
In einem Fensterbaubetrieb ließen wir über Nacht aus Plexiglas eine gebogene Platte schneiden und biegen, die den oberen Teil des zur Hälfte aufklappbaren amerikanischen Metallsargs einnahm.
Auf diese Weise war ein Betrachten, nicht aber ein Berühren möglich.

Ungeachtet dessen gibt es immer wieder natürlich auch Fälle, in denen Menschen wie durch ein Wunder selbst Stürze aus größeren Höhen mit vergleichsweise geringen Verletzungen überleben. Die Ausnahme bestätigt hier die Regel.
Desweiteren gibt es auch immer mal wieder Leichname die trotzt eines Sturzes weitaus weniger beschädigt sind, als hier wiedergegeben.
Aber in der weitaus häufigsten Zahl der Fälle wird es so oder so ähnlich sein, wie hier beschrieben.

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