„Wir sitzen auf bis zu 25.000 Euro offenen Rechnungen“
„Das Sozialamt hat jetzt in 2009 Rechnungen von Anfang 2008 noch nicht bezahlt.“
„Wir müssen für alles in Vorlage gehen, die Stadt lässt sich dann auf unsere Kosten Zeit.“
So lauten die Klagen vieler Kollegen in der ganzen Republik. Auf die Spitze scheint es derzeit die Stadt Gera zu treiben, wie in diesem Bericht hier zu lesen ist. Dort drohen die Bestatter schon mit einem Boykott und mancher lehnt Sozialbestattungen inzwischen ganz ab.
Problem: Oft weiß man bei der Auftragserteilung gar nicht, wie die finanziellen Verhältnisse sind. Eben noch glaubten die Angehörigen, es sei genügend Vermögen seitens des Verstorbenen da und dann entdeckt man einen Tag später, daß die Konten leer sind. Oft sagen Geschwister im ersten Überschwang eine finanzielle Beteiligung zu, halten dieses Versprechen aber nicht ein.
Gründe kann es viele geben, warum sich erst im Laufe der Abwicklung herausstellt, daß eventuell das Sozialamt die Kosten übernehmen muß.
Hinzu kommt, und das wird im oben verlinkten Artikel deutlich, daß die Bestatter nach dem Landesbestattungsgesetz vorgehen und vorgehen müssen, während die Sozialbehörden ein Bundesgesetz befolgen, das andere Voraussetzungen zugrundelegt. So ist der Personenkreis der Bestattungspflichtigen mit dem Kreis der für das Sozialamt haftbaren Personen nicht identisch.
Letztlich ist es aber nicht diese spezielle Sachlage, die zu Problemen führt, sondern die Tatsache, daß die sog. „öffentliche Hand“ in nahezu allen Bereichen äußerst schleppend zahlt. Handwerker, die für Kommunen tätig sind, können ein Lied davon singen.
Ein Malermeister erzählte mir einmal, daß er den Betrag für die bezugsfertigen Arbeiten an einer Stadthalle erst nach fünf Jahren bezahlt kam, als längst eine Renovierung fällig war.
Hashtags:
Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:
Das liegt aber in gewisser Weise auch an den Handwerkern selbst. Auch wenn die Forderung gegen die Stadt, das Sozialamt oder sonst eine öffentliche Einrichtung geht: Mahnung, Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid, Gerichtsvollzieher.
Die meisten Handwerker haben Angst, sie bekämen dann keine Aufträge mehr… aber wenn man Pleite ist kann man sowieso keine Aufträge mehr ausführen.
‚in 2009‘ schüttel, schauder, das tut beim Lesen weh. Leider immer häufiger zu sehen.
Es soll auch Taktik der öffentlichen Hand sein, zu warten ob die Pleite gehen. Spart ungemein. Das muss nicht eine spezielle Person aushecken, das ergibt sich quasi aus allen „Ja“-sagenden Instanzen und dem Budget auf das man immer mal wieder hinweisen kann.
igel: Ja, „in (Jahreszahl)“ sieht man wirklich immer häufiger. Könnte bedeuten, daß viele Sprecher es nicht als falsch oder sogar schmerzhaft ansehen!
Ich zitiere ja nur. Aber schlimmer finde ich, wenn jemand spricht: „In neunzehnvierzehn war…“ statt „im Jahr Neunzehnhundertundvierzehn“ wobei ich das darin enthaltene „und“ noch im Gesprochenen für entbehrlich halte.
<>
Zitat Georg Kofler, Premiere
Ich hasse Anglizismen, das ist alles nur Bullshit.
Zitat Ende.
fragt momentan mal einen Autohändler der die Abwrackprämie vorgestreckt hat nach den Zahlungseingängen vom zuständigen Amt …
Die Zahlungsmoral sieht leider auch sonst nicht sehr viel besser aus. Kaum ein Geschäftskunde, der nicht erst die erste „Freundliche Zahlungserinnerung“ abwartet.
So lange man nur seine Eigenleistung vorschießt, ist das alles noch zu verkraften, wenns dann aber auch um Waren geht, die selbst bezahlt werden müssen, dann kanns durch schleppende Zahlungsmoral leider ziemlich schnell düster aussehen..
Hm man könnte ja alles wieder ausgraben und dem Sozialamt vor die Tür stellen 🙂 Dann zahlen se bestimmt ganz schnell 🙂
hmmm…es ist üblich, dass 5% der Rechnungssumme bei Handwerksleistungen als Sicherheitseinbehalt einbehalten wird, bis die Gewährleistungzeit i.d.R. 5 Jahre abgelaufen ist. Danach erfolgt die Schlusszahlung. Diese kann gleich erfolgen, wenn der Handwerker eine Bankbürgschaft über den Restbetrag bringt.
@12
Das muß dann aber vertraglich vereinbart sein.
@13
davon gehe ich bei „öffentlicher Hand“ mal aus 😉
Bei Arbeiten an einer Stadthalle sollte es ja wohl eine ordentliche Ausschreibung und dann auch den entsprechenden Bauvertrag geben.
Dann würde ich zusätzlich beim Bestatterprotest auch dazu übergehen, nicht mehr das Geld für kommunale Gebühren als Durchlaufposten bei der Stadt vorzustrecken, sondern all diese Kosten von der Friedhofsverwaltung selbst eintreiben zu lassen.
Kann man einer Kommune nach den üblichen Mahnungen und Mahnbescheiden nicht auch den Gerichtsvollzieher auf den Hals schicken? Dann wird es noch teurer für sie.
– Rosa Brille wieder absetz –
Mal davon abgesehen, dass es ewig dauert, bis das Sozialamt mal zahlt (wenn es denn überhaupt zahlt), habe ich kürzlich erst ein perfektes Beispiel gehabt, wie dann gezahlt wird:
Grabgebühren Stadt: 100%
Kremationsgebühren städtisches Krematorium: 100%
Kosten Bestatter: knapp 50%
Da kann ich die Bestatter gut verstehen, dass sie es dann irgendwann ablehnen (müssen), immer wieder derart in Vorkasse zu gehen.
Ich arbeite in einer öffentlichen Einrichtung und weiß, dass unsere Sekretärin angewiesen worden ist, die Rechnungen so spät, wie nur möglich, zu bezahlen. Die Anweisung haben natürlich alle Sekretärinnen bekommen. Was da an Fristen überzogen wird, passt auf keine Kuhhaut. Ich finde es unmöglich.
Aber immerhin gibt es Rechnungen, die so schnell, wie möglich bezahlt werden. Nämlich von Firmen, deren Leistungen wir immer wieder in Anspruch nehmen und die gedroht haben, dass wir nichts mehr bekommen, sollten wir zu spät bezahlen. So kann es auch gehen.
tja so kanns gehen…das ist wohl inziwschen Gang und Gebe…eine einzige große Krankenkasse hatte Ende des Jahres 2008 noch 700.000 € bei uns offen. Die Zahlungsmoral ist in Deutschland übelst…Vater Staat langt auch richtig hin. Gebühren für Bescheinigungen, Urkunden etc. sind völlig unrealistisch gestiegen.
Wenn Personen über das Sozialamt versichert sind (gibts leider immer noch) dann kann man schnell mal auf einer hohen Summe sitzen bleiben. Aber Wehe der Staat hat noch 2 € Steuern zu bekommen.
Kleines Theaterstück als Beispiel…
Obdachloser kommt ins KH. Es müssen beide Beine amputiert werden. Er muss daher eine paar Tage im KH bleiben. Sozialamt und Krankenkasse streiten nun, wer für den Patient zuständig ist. Für das KH bedeutet das man einen Patient ohne festen Wohnsitz und ohne Beine nicht einfach vor die Tür setzen kann. Es wird erreicht das der Mann einen gesetzl. Betreuer bekommt um die Sache voranzutreiben. Der lahmt jedoch (der Betreuer). Der Patient lag dann schon 3 Monate!!! im KH. Der Chefarzt der Abteilung wollte daraufhin ein makaberes Klingelschild für den Pat. MOB Mitohnebeine. Presse durfte nicht eingeschaltet werden. KH findet ein Heim für den armen Mann. Dieses würde den Pat. aber nur aufnehmen wenn er eine KV hat. Kampf und Krampf bis ihn eine Kasse übernommen hat. Endlich konnte er entlassen werden. Der Hammer. Die Kasse die ihn dann versichert hat, hat den Aufenthalt vom MDK prüfen lassen wegen der langen Verweildauer, die letztlich ja die Kasse selbst verursacht hatte! Ende der Geschichte… KH bleibt auf 40.000 € sitzen…Betriebsrisiko…
Das Schlimmste daran ist doch, dass ganz viele kleine Firmen schon an der schlechten Zahlungsmoral ihrer Kunden zugrunde gegangen sind. Klar kann man klagen, aber wo nichts ist, ist nichts zu holen und gerade Handwerker muessen oft mit Material in Vorleistung gehen.Und dann geht ein gesunder Betrieb mit fleissigen Mitarbeitern den Bach runter.
Ich will als Bestatter nciht besonders jammern, aber jeder andere Handwerker hat doch folgende Möglichkeiten:
Barzahlung (Zug um Zug) bei kleinen Summen und Rechnungen, Teilzahlungen und Abschläge bei grösseren Aufträgen und dann gibt es ja auch noch (den nicht allzu hilfreichen) Eigentumsvorbehalt. All das und natürlich auch eine Bonitätsprüfung und/oder Factoring kann auch der Bestatter machen.
Das Problem bei Sozialhilfeempfänger ist aber doch, dass die meisten nun mal definitiv KEIN Geld haben. Da ist einfach nichts zu holen. Der gute Bestatter (Tom ist natürlich unvergleichlich…lach, aber es gibt viele die ähnlich denken und sich verhalten wie er) erledigt diese Bestattung natürlich trotzdem, schliesslich kann man nun mal niemanden unbestattet lassen.
Dennoch – abhängig vom Bundesland und vom zuständigen Kreis – ist es kein normales Geschäfstrisiko (wie von den Sozialämtern gern angeführt) auf den Kosten sitzen zu bleiben, sondern es ist reine Gutmütigkeit (oder Dummheit) wenn man diese Sozialbestattungen übernimmt macht.
Das Problem ergibt sich aus den Diskrepanzen ziwschen Bestattungsgesetz (Ländersache)und Sozialgesetzbuch (Bundesgesetz). Es gibt eine relativ überschaubare Anzahl von Personen, die für die Bestattung sorgen MÜSSEN (Bestattungspflicht) aber es gibt noch viel mehr Personen, die sich an den Kosten beteiligen MÜSSEN (BestattungsKOSTENpflicht).
Kleiner konstruierter Fall: Ehefrau/Witwe ist bestattungspflichtig. Das Ehepaar lebte von Minirente und Hartz IV. Es ist definitiv kein Geld vorhanden. Die Witwe stellt den Antrag beim Sozialamt und hat volles Anrecht auf die Übernahme Bestattungskosten. Stellen wir mal 2000 Euro Gesamtkosten in den Raum.
ABER – da ist ja noch ein Sohn aus der ersten Ehe des Mannes die vor 20 Jahren geschieden wurde und dieser Sohn ist dann unbekannt verzogen – z. B. in die Antarktis.
Resultat: Der Bestatter erhält 1000 Euro (der VOLLE) Anteil der Witwe an der Bestattungs-KOSTEN-pflicht. Die anderen 1000 Euro MUSS der Sohn zahlen.
Es interessiert das Sozialamt aber einen Dreck, dass dieser Sohn nicht zu erreichen ist, keinen Auftrag gegeben hat usw. usw. Es gibt ihn, er ist BestattungsKOSTENpflichtig und damit können die „seinen“ Anteil an den Kosten einfach streichen.
Je größer und komplizierter die Familie, desto sicherer ist es, dass ich als Bestatter auf einem Großteil der Kosten hängenbleibe. Denn mal ganz ehrlich – wenn die Beerdigung gelaufen ist, dann interessiert wirklich keine Sau mehr, ob und wie der Bestatter an sein Geld kommt.
2 oder 3 von diesen Fällen kann ich jedes Jahr wegdrücken, IN 2006 (grins) hatte ich allerdings 7 davon schon in der ersten Januarwoche. Noch ein paar im Februar dazu und schon schob ich rund 10000 Euro Eigenleistung und weitere 15000 Euro Auslagen vor mir her. Auslagen sind Geld für ANDERE. Andere, die nur gegen Vorkasse arbeiten. Arzt, Urkunden, Friedhof, Krematorium, Sargträger, Organisten usw.
Es läuft also so, dass ich (Blöd wie ich bin) im Sozialfall WENIGER für meine Eigenleistung bekomme, MEHR an Auslagen habe, im Schnitt 6 Monate (Rekord sind 16 Monate) aufs Geld warten und dann nur etwa 75 % der Kosten erhalte.
Wenn es dann mehr als 2 oder 3 pro Jahr sind, komme ich wirklich in Schwierigkeiten.
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Dieses „System“ funktioniert für die Ämter natürlich super – allerdings nur, bis den Bestattern der Kragen platzt. Hier in meiner Ecke war es relativ ruhig, aber inzwischen gärt es gewaltig. Schaun wir mal. Demnächst ist wieder „runder Tisch“ beim Kreissozialamt.
Ich jedenfalls kann die Thüringer Bestatter nur beglückwünschen und um ihr Druckmittel (den Boykott des städtischen Krematoriums) beneiden.
Mein Vermieter ist eine Tischlerei, die zusätzlich in Kooperation mit einem Bestatter Beerdigungen durchführt. Gerade sprach ich mit der Juniorchefin über zwei Fälle von Zahlungsverweigerung (Tischlereikunden). Nach ewigem Hin und Her nach 1! Jahr nach Leistungserfüllung geht die Sache beim ersten Fall nun zum Anwalt. Rechtlich gesehen muß der Kunde noch eine Mahnung mit der Androhung anwaltlicher Konsequenzen incl. weiteren 14 Tagen Zahlungsziel erhalten. Darauf käme es jetzt auch nicht mehr an, so die Juniorchefin. Blöd ist hierbei, daß Handwerker „fest verbaute Leistungen nicht einfach wieder entfernen dürfen“. Erinnerte mich an einen Tischler, der aus Wut über ausbleibende Zahlungen mit einer Axt seine Arbeit beim Kunden zerlegt hat… Logisch: er wurde angezeigt und bekam eine Strafe. Damit will ich solche Gewaltgeschichten nicht gutheißen. Aber theoretisch wäre es z.B. möglich bei Zahlungsverzug bei eingebauten Fenstern die „festen Rahmen“ drinzulassen und liebevollerweise die beweglichen Flügel samt Scheiben mitzunehmen. Der Kunde würde sicher schnellstens zahlen. Wie “ No. 19/Anita“ schon sagte: Der Handwerker geht in Vorleistung; Löhne, Lohnnebenkosten & Material müssen immer sofort bezahlt werden, egal wie schnell der Kunde löhnt. Die kleinen und mittelständischen Betriebe haben hier das größte unternehmerische Risiko.
Zum sehr treffenden Kommentar #20 möchte ich noch hinzufügen: In Schleswig-Holstein wird seit ein paar Monaten auf Weisung der Landräte und ausdrücklich gegen die Empfehlung des Sozialministeriums wie folgt vorgegangen: Der Sachbearbeiter darf bekannte Zahlungspflichtige, die keinen eigenen Antrag auf Kostenübernahme stellen, nicht mal anschreiben um die Offenlegung der finanziellen Verhältnisse zu fordern. Stellt ein Kostenpflichtiger Angehöriger innerhalb der vorgeschriebenen Frist den Antrag nicht, wird der gesamte Antrag abgelehnt. In Fällen mit unauffindbar vorzogenen Angehörigen ist es dem Sachbearbeiter sogar per Anweisung untersagt, diese Personen ausfindig zu machen. Die Angehörigen, die sich um die Bestattung kümmern und beim Bestatter sitzen, dürfen also den gesamten versprengten Clan selbst suchen und zur Offenlegung der finanziellen Verhältnisse überreden. Wenn ihnen das nicht gelint, wird der Antrag eben wegen fehlender oder unvollständiger Angaben abgelehnt.
@2 OT
Was ist an dem „in 2009“ denn so schlimm? Hier ist es im Gegenteil doch sogar gut, weil man sonst auch lesen könnte, daß als Gesamtzahl „2009 Rechnungen“ noch unbezahlt seien, was ja wirklich nicht gemeint war.
Bitte nicht als Antwort „Das ist falsch“, denn richtig ist, was die Leute benutzen und verstanden wird. Und verstanden wurde ja offensichtlich.