Branche/Kommune

Zu teuer – zu abgehoben – zu branchenfremd

Angebote für Bestatter

Immer wieder schicken mir Bestatter aus ganz Deutschland per Mail oder Post Angebote von Firmen zu, die Neuigkeiten aus der Pietätwaren-Branche verkaufen möchten. Die Bestatter wollen wissen, was ich davon halte, ob ich von dem Anbieter schon mal etwas gehört habe und ob das entsprechende Angebot wohl was taugt.

Im Zweifelsfall rate ich den Bestattern dann oft, das Produkt doch einfach mal auszuprobieren. Dann wird sich doch recht schnell zeigen, ob der Gegenstand verwendbar ist, die Arbeit erleichtert oder ein Zusatzangebot für die Angehörigen darstellt.

Ich kann nicht anders, als es so zu sagen: Ein Großteil der vermeintlich innovativen Angebote, die derzeit über Kataloge, Messen und Mailings in die Büros deutscher Bestatter flattern, ist – mit Verlaub – überteuerter Firlefanz. Da wird mit beeindruckender Dreistigkeit sinnfreier Zierrat zu Fantasiepreisen feilgeboten, der in der Praxis kaum einen Mehrwert bietet, außer vielleicht für das Ego des Anbieters.

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Viele dieser Produkte sind nicht nur nutzlos, sondern obendrein derart erklärungsbedürftig, dass sich bereits beim bloßen Gedanken an ein Beratungsgespräch bei gestandenen Bestattern der Magen zusammenzieht. Wer will sich denn ernsthaft mit trauernden Angehörigen in ein Gespräch über handgenähte Algenkissen, Duftbeutel mit Lavendelnote oder Strumpfbänder für Urnen verstricken – als ginge es um das Sortiment eines Hochzeitsausstatters?

Und dann die Preise! Man fragt sich unweigerlich, ob in manchen Kreativbüros das Verhältnis von Warenwert und Verkaufspreis per Würfelwurf bestimmt wird. Ein einfacher Stoffbeutel für die Aschenkapsel – wohlgemerkt: keine komplizierte technische Vorrichtung, kein patentiertes System, sondern ein Stückchen Stoff mit Bändchen – wird mitunter für dreistellige Summen angeboten. Da steht der Bestatter dann da, soll das dem Kunden mit ernster Miene verkaufen und sich dabei nicht wie ein Marktschreier vorkommen.

Kein Wunder also, dass die Reaktion in den meisten Fällen dieselbe ist: Man schaut einmal flüchtig auf das Angebot, seufzt leise, und lässt das Ganze ohne weitere Diskussion dort verschwinden, wo es hingehört – im Papierkorb. Und das ist nicht einmal böse gemeint, sondern einfach eine logische Konsequenz aus Mangel an Praxisbezug, Preissensibilität und Respekt für die tatsächlichen Bedürfnisse eines anspruchsvollen Berufsstandes. Wer glaubt, mit Goldrand, Filigran und Pseudo-Individualität den Alltag von Bestattern bereichern zu können, ohne sich je mit ihnen unterhalten zu haben, der hat den Ernst dieses Gewerbes nicht im Ansatz verstanden.

Um was geht es?

Es fängt an bei Grabsteinen, die nicht einzementiert werden müssen, sondern mittels eines Gestänges quasi von jedermann aufgestellt werden können, es geht um Säcke und Beutel, in die man Urnen hineinstecken kann und um eine Art Strumpfband zur Verzierung von Urnen.
Angeboten werden Blumenvasen mit Saugnäpfen, die man an die Särge prömpeln soll, ökologisch einwandfreie Duftsäckchen zum Übertünchen von Leichengeruch und ein Füllmaterial für Sargkissen aus getrockneten Algen.

Picken wir als Beispiel die Beutel für die Urnen heraus. Dabei handelt es sich um kleine Säcke, die hübsch bestickt sind und in die der Bestatter dann die Aschenkapsel, also die eigentliche Urne vom Krematorium, hineinstecken kann.
Der Vorteil für den Kunden: Er muss keine teure Überurne kaufen und spart so bis zu 300 Euro.

Die Idee ist weder neu noch spektakulär und im Grund auch nicht schlecht. Schon vor 40 Jahren habe ich Tücher um Urnen geschlungen und mit einem breiten Schleifenband zugebunden und verziert. In der METRO gab es einmal passende Beutel aus einem groben Stoff, die sich ebenfalls hervorragend dafür eigneten. 50 Beutel kosteten 30 Mark. Die Tücher habe ich auf einem Wochenmarkt für drei Mark pro Stück gekauft. Mit einer einfachen Pappschablone haben wir Kreuze, Möwen, Bäume, Wolken und Wellen auf die Beutel gesprüht.
Das sah ganz toll aus, war innovativ und mal etwas ganz anderes. Der Vorteil für die Kunden war der gleiche, wie bei den heute angebotenen Beuteln: Sie konnten auf die teure Schmuckurne verzichten.

Der Nachteil damals wie heute lag aber darin, dass für den Bestatter kein nennenswerter Gewinn drin ist. Wir haben damals 25 Mark für Beutel, Tuch und Schleifenband genommen. Heute würde man vielleicht 20 bis 30 Euro nehmen. Mehr geht für ein Stück Stoff und einen Beutel nicht.

Doch der aktuelle Anbieter, so teilen mir die Bestatter mit, will an die 100 Euro für seine Beutelchen.

Angesichts der Tatsache, dass eine schlichte Schmuckurne im Einkauf neun bis zwölf Euro kostet und dann dem Kunden mit 79 bis 100 Euro in Rechnung gestellt wird, stellt sich jedem Bestatter die berechtigte Frage, was um Himmels willen er denn bei einem Einkaufspreis von 100 Euro für so einen Beutel an seine Kunden weiterberechnen kann.

Ähnlich sieht es mit einer Art Strumpfband für die Urne aus. An diesem Band sind noch Schlaufen, in die man die Stengel von Blumen hineinstecken kann, natürlich mit den daran befindlichen Blüten. Da stellt sich ein Bestatter aus Mecklenburg-Vorpommern schon eine Zeremonie vor, bei der jeder Angehörige mit einer Blume nach vorne kommt und diese an der Urne festmacht. Dann hört er, dass dieses Strumpfband fast 50 Euro kosten soll und winkt ab. „So ein Band bekomme ich viel billiger von der Rolle. Nehm ich eben ein Gummiband, das geht auch.“

Immer wieder werden auch künstlerisch gestaltete Urnen und Särge angeboten. Man muss es dem Umstand zuschreiben, dass es Künstler sind, die sich so etwas ausdenken, dass die erwarteten Preise dafür utopisch sind.
Kein Bestatter legt über 750 Euro für einen Bembel aus Ton hin, der noch nicht einmal die üblichen Maße einer Urne berücksichtigt und dann auch noch eine Lieferzeit von sechs bis acht Wochen haben soll.
Wenn ein Bestatter einen Sarg in der Fabrik für 200 Euro kaufen kann, wird er keine 2.000 Euro für dasselbe Modell hinlegen, nur weil ein Künstler einen Sonnenuntergang draufgemalt hat.
Ganz toll: Ein Sargdesigner beklebt Särge mit Zeitungspapier, will dafür über 3.000 Euro und erwartet, dass der Bestatter die Leiche mal eben 4 Wochen aufbewahrt, bis er die Einzelanfertigung beklebt hat.

So ein Sarg mit Zeitungspapier sieht übrigens gar nicht schlecht aus. So einen Sarg habe ich 1996 schon einmal für einen verstorbenen Journalisten gestaltet.
Eine Aschenkapsel im Beutel ist tatsächlich eine Alternative. Das Blumenband für die Urne kann eine gute Idee sein. Und warum soll man nicht eine künstlerisch gestaltete, individuelle Urne anbieten?
Alles gut und schön.

Aber ich kann jedem, der mit neuen, besonderen und schönen Produkten auf den Markt kommt, nur dringend raten, sich doch vorher einmal mit verschiedenen Bestattern zu unterhalten.
Wenn man so gar keine Ahnung von der Branche hat, wird das Projekt sehr schnell scheitern.

Man sollte sich folgende Fragen stellen:

Verstehe ich die Branche überhaupt?

Habe ich persönlich mit Bestattern gesprochen? Habe ich Einblick in die tatsächlichen Abläufe, Zwänge und Kundengespräche eines Bestattungsunternehmens? Kenne ich den Unterschied zwischen gestalterischer Idee und praktischer Umsetzung im täglichen Geschäft eines Bestatters?

Löst mein Produkt ein echtes Problem – oder erfinde ich ein neues?

Wird durch mein Produkt tatsächlich ein Mehrwert geschaffen? Spart es dem Bestatter Zeit, erleichtert es die Organisation oder Kommunikation mit den Angehörigen? Oder erzeuge ich lediglich einen dekorativen Zusatzaufwand, den niemand verlangt hat?

Ist mein Produkt selbsterklärend – oder erklärungsbedürftig?

Muss der Bestatter lange ausholen, um dem Kunden den Nutzen des Produkts zu erläutern? Ist der Aufwand zur Erklärung im Beratungsgespräch größer als der zu erwartende Nutzen? Und: Lässt sich der Nutzen in einem Satz erklären?

Ist der Preis realistisch kalkuliert – auch aus Sicht des Bestatters?

Wie viel Marge bleibt dem Bestatter wirklich, wenn er mein Produkt weiterverkauft? Ist das Preis-Leistungs-Verhältnis so gestaltet, dass es im Bestattungsalltag funktioniert? Wirke ich als Anbieter durch meine Preisvorstellung realitätsfern?

Was würde ein erfahrener Bestatter dazu sagen?

Habe ich mein Produkt oder meine Dienstleistung vor der Markteinführung mit erfahrenen Bestattern getestet? Gab es dabei ehrliche Rückmeldungen – auch kritische? Habe ich auf diese Rückmeldungen reagiert?

Kann mein Produkt flexibel in bestehende Abläufe integriert werden?

Ist mein Angebot sofort einsatzfähig, ohne dass Bestatter ihren gewohnten Arbeitsrhythmus verändern müssen? Oder erfordert es neue Routinen, Lagerhaltung, spezielle Schulungen oder zusätzliche Logistik?

Ist mein Produkt schnell verfügbar?

Bestatter müssen oft schnell reagieren und können nicht wochenlang auf die Lieferung eines Produktes warten. Sie legen sich für gewöhnlich nicht viele Produkte auf Lager.

Wurde das Produkt mit Blick auf Wirtschaftlichkeit und Lieferbarkeit entwickelt?

Ist es lieferfähig, kurzfristig verfügbar, lagerbar, haltbar? Sind Sonderanfertigungen oder lange Lieferzeiten ausgeschlossen – besonders bei Einzelstücken? Und: Ist die Produktion überhaupt skalierbar?

Bin ich mir meiner Außenwirkung bewusst?

Wirke ich wie jemand, der „nur etwas verkaufen“ will – oder wie jemand, der mitdenkt und versteht? Erwecke ich Vertrauen? Könnte mein Angebot auch in einem sensiblen Beratungsgespräch glaubwürdig vertreten werden?

Was würden Angehörige darüber denken – nicht nur die Bestatter?

Wird mein Produkt von Kunden als pietätvoll, geschmackvoll oder hilfreich wahrgenommen? Oder wirkt es auf Angehörige überflüssig, skurril oder gar geschmacklos?

Wie hoch ist die Bereitschaft des Kunden, für mein Produkt zu zahlen – und wie steht der Bestatter dazu?

Ist das Preis-Leistungs-Verhältnis auch aus Sicht der Angehörigen nachvollziehbar? Oder bringt das Produkt den Bestatter in Erklärungsnot, weil der Preis nicht zu rechtfertigen ist?

Bin ich bereit, meine Idee ggf. wieder zu verwerfen oder grundlegend zu überarbeiten?

Bin ich offen für ehrliches Feedback aus der Praxis? Bin ich bereit, das Projekt notfalls einzustellen oder konzeptionell neu zu denken?

Fazit

Viele Produkte aus dem Umfeld der Bestattungsbranche scheitern nicht an ihrer Gestaltung, sondern an der Realitätsferne ihrer Anbieter. Viele haben sich einfach nicht die Mühe gemacht, viele Bestatter zu kontaktieren. Bei den meisten Anbietern höre ich, dass sie mal bei einem Bestatter nachgefragt haben. Das ist zu wenig.

Wer ernsthaft etwas zum Positiven verändern will, muss mit vielen Bestattern reden, mitdenken und mitfühlen. Nur so kann Innovation entstehen, die auch angenommen wird – nicht als kreativer Firlefanz, sondern als praxisnaher Fortschritt.

Bildquellen:
  • angebote-bestatter: Peter Wilhelm KI


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Die Bestattungsbranche bietet viele Facetten. Bestatter arbeiten mit Verwaltungen, Friedhöfen und Kirchen, sowie Subunternehmern zusammen.

Hier finden Sie meine Berichte und Kommentare zur gesamten Bestattungsbranche.


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Lesezeit ca.: 12 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 31. März 2025

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1 Kommentar
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Tia
20 Tage zuvor

Chic, ein Strumpfband an meiner zukünftigen Urne, ich möchte ein schwarzes aus Spitze, mit silbernen Totenkopf, biologisch abbaubar natürlich! Das geht bestimmt für 950,- oder so….




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