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Zucker im Kaffee

„Eine Tasse Kaffee nähme ich dann doch ganz gerne“, sagt die Kundin zu mir und ich muß gestehen, daß ich etwas unwillig die Augenbrauen hochzog. Erst wenige Minuten vorher hatte sie die Frage, ob sie denn einen Kaffee möchte, verneint und ich hatte nur mir eine Tasse geholt.

„Aber gerne“, sage ich dennoch freundlich, so sind die Leute eben und wenn man dann zwölf Jahre nach einer Beerdigung in ein Bestattungshaus geht, um zu fragen, wie lange das Grab denn noch „angekauft“ sei, ist man ja vielleicht doch ein wenig durch den Wind…

„Mit viel Milch und ohne Zucker, bitte!“

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„Gerne“, sage ich, hole der Frau eine Tasse voll Kaffee und da ich nicht weiß, was sie unter ‚viel‘ versteht, bringe ich ihr auf einem kleinen Tablett gleich ein ganzes Dutzend dieser Kaffeesahne-Einzelportionen mit.

„Och nö, diese Milch nehm ich nicht“, lehnt die Dame das freundliche Angebot ab und erklärt: „Diese Einzeldöschen verstopfen die Umwelt und sind schädlich für die Natur. Haben Sie denn keine richtige Milch?“

Diese Einzelportionen haben wir nur deshalb, weil kein Mensch bei uns normale Milch oder Sahne im Kaffee nimmt. Jede größere Dose würde schnell schlecht. Frau Büser nimmt Kaffeeweißer als Pulver, Sandy leidet unter Lactoseintoleranz und nimmt nur eine speziell vom Dalai Lama bei Vollmond mit den Füßen geklöppelte lactosefreie Milch.

Aber gut, wenn die Kundin richtige Milch will, dann soll sie welche bekommen. Oben in der Wohnung werde ich fündig und klaue meiner Tochter eine ganze Literpackung.
„Ui, die hat ja nur 1,5 %, die ist aber nicht wirklich gut für den Kaffee“, beklagt sich die Kundin nun, scheint aber wenigstens halbwegs zufrieden zu sein, denn sie schüttet sich von der Fettarmen was in den Kaffee.

„Ein wenig Zucker täte ich dann doch nehmen“, meint sie, nachdem sie einen Schluck probiert hat, „der Kaffee ist ja doch ziemlich stark, den kaufen Sie bei ALDI, oder?“

„Nein, der ist aus Italien und wir finden ihn eigentlich lecker.“

„Aus Italien? So ein Unfug! Wissen Sie nicht, was das an Sprit und Energie kostet? Wir bevorzugen ja Produkte aus heimischem Anbau von regionalen Erzeugern.“

„Keine schlechte Idee“, stimme ich ihr zu, spezifiziere aber, „jedoch: so weit es mir bekannt ist, wächst bei uns kein Kaffee und der kommt sowieso immer von weit her.“

„Wir kaufen fast alles im Hofladen, biologisch und den Rest nehmen wir nur aus fairem Handel.“

„Ich hole Ihnen Zucker“, sage ich und bin schon fast draußen, da drehe ich mich um und frage vorsichtshalber nach: „Aber der Zucker darf schon so aus ganz normalen Zuckerwürfeln bestehen, oder?“

„Rohrzucker haben Sie ja vermutlich sowieso nicht.“

„Nee.“

„Dann nehm ich Würfel“, sagt sie und strahlt mich an.

Kurz darauf würfelt sie sich zufrieden einen Zucker-Pasch in die Tasse, rührt um und trinkt: „Lecker, bloß ein bißchen kalt.“

Ich schwanke kurz, ob ich ihr die restlichen Zuckerwürfel in die Nase stopfen oder ihr die Milch über den Kopf schütten soll, dann besinne ich mich ob meiner humanistischen Erziehung und kanalisiere meinen kurzfristig aufkeimenden Drang zur Gewalttätigkeit, indem ich hörbar durch die Nase ausatme und gefährlich die Nüstern blähe.

Sie nippt dann nur noch einmal kurz an der Tasse und lässt sie stehen, das war’s.

Ich glaube, wir bieten demnächst nur noch Tee an.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#kaffee #zucker

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(©si)