Branche/Kommune

Zweite Leichenschau jetzt auch in Bayern

Ein Mediziner steht an einem Untersuchungstisch auf dem ein Verstorbener liegt

Ab dem 1. April 2025 gilt in Bayern eine Regelung, die in vielen anderen Bundesländern bereits seit Jahrzehnten reibungslos funktioniert: die zweite Leichenschau vor einer Feuerbestattung. Was andernorts als selbstverständlicher Bestandteil eines rechtsstaatlich sensiblen Verfahrens gilt, scheint in Bayern für einige Bestatter wie ein plötzlicher Schock zu wirken.

Pflicht zur zweiten Leichenschau: Bayerische Bestatter tun überrascht – dabei ist es längst bundesweiter Standard

Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, Ralf Michal, meldete öffentlich Bedenken an. Die zweite Leichenschau sei „stiefmütterlich behandelt“ worden, die Vorbereitung schleppend. Michal, selbst Bestatter in Schweinfurt, beklagt darüber hinaus praktische Unklarheiten in der Umsetzung und sieht insbesondere die Würde des Verstorbenen in Gefahr – etwa, wenn Kleidung für die Untersuchung geöffnet oder zerschnitten werden muss und nicht wieder „in Ordnung gebracht“ wird.

Ist das wirklich ein Problem – oder nur eine bayerische Marotte?

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein Sturm im Weihwasserglas entfacht wird. In fast allen anderen Bundesländern – etwa Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Berlin – ist die zweite Leichenschau seit Jahrzehnten vorgeschrieben. Sie dient dem rechtsmedizinischen Nachweis, dass der Tod nicht auf äußere Gewalteinwirkung oder ungeklärte Umstände zurückzuführen ist, bevor eine Einäscherung erfolgt. Ein sinnvoller Schutzmechanismus, der nachweislich Mordfälle aufgedeckt und Fehlbeurteilungen korrigiert hat.

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Die Umsetzung ist in diesen Bundesländern so routiniert wie das Ablesen eines Thermometers. Die Leichenschau erfolgt direkt im Krematorium, entweder durch Pathologen, Rechtsmediziner oder speziell qualifizierte Amtsärzte. In aller Regel dauert sie wenige Minuten, ist diskret, medizinisch korrekt und logistisch unproblematisch. Niemand regt sich dort über zerstörte Kleidung auf.

Bayern und der Erfindergeist – auch wenn’s ihn längst gibt

Dass bayerische Bestatter nun so tun, als werde ihnen hier ein bürokratischer Koloss neuen Ausmaßes aufgebürdet, wirkt reichlich selbstmitleidig. Statt sich mit den Kollegen aus anderen Bundesländern auszutauschen und bewährte Abläufe zu übernehmen, wird ein typisch bayerischer Reflex bedient: „Mir san mir“ – und deshalb müsse alles von Grund auf neu gedacht, diskutiert und idealerweise mit Sonderregelungen versehen werden.

Der Ruf nach Umbauten, Vorbereitungszeiten, Übergangsfristen und Ausnahmegenehmigungen wirkt angesichts der deutschlandweiten Realität eher wie ein Ausweichmanöver. In Wahrheit war längst absehbar, dass die zweite Leichenschau in Bayern kommen würde – der Gesetzgeber hat das Thema über viele Jahre vorbereitet. Wer sich jetzt überrascht zeigt, der hat schlicht die Zeichen der Zeit ignoriert.

Schutz vor Vertuschung und Irrtum – nicht Bürokratie um der Bürokratie willen

Gerade in Bayern, das mit seiner konservativen Grundhaltung gerne auf Werte wie Sicherheit, Recht und Ordnung pocht, sollte die zweite Leichenschau ein willkommener Baustein sein. Denn sie schützt vor Irrtümern und Schlampereien, deckt in seltenen Fällen auch Gewaltdelikte auf, die ansonsten im Krematorium verschwunden wären, und gibt den Angehörigen zusätzliche Gewissheit.

Dass manche Bestatter nun Befürchtungen äußern, die Kleidung der Verstorbenen könne bei der zweiten Leichenschau beschädigt werden, ist ein Nebenschauplatz mit Symbolwert. Kein Angehöriger stellt nach einer Einäscherung die Frage, ob das Jackett ordentlich zugeknöpft war. Es geht hier um Rechtsstaatlichkeit, nicht um Faltenfreiheit.

Praxisnah und unaufgeregt: So geht’s auch

In zahlreichen Krematorien in anderen Bundesländern wird die zweite Leichenschau ganz pragmatisch und effizient gehandhabt, ohne dass dafür teure Umbauten, eigene Leichenschau-Räume oder aufwendige Logistik nötig wären. Der Ablauf ist einfach, sachlich und bewährt: Die Mitarbeiter des Krematoriums öffnen den Sarg, entkleiden den Leichnam sorgfältig (sofern notwendig), und der hinzugezogene Amtsarzt oder Rechtsmediziner nimmt direkt am Sarg die vorgeschriebene zweite Leichenschau vor. Diese dauert in der Regel nur wenige Minuten. Gibt es keine Auffälligkeiten, wird die Einäscherungsfreigabe umgehend erteilt.

Die Kleidung wird anschließend ordentlich zusammengelegt und dem Verstorbenen wieder beigelegt – denn meist folgt unmittelbar im Anschluss der Einäscherungsprozess. Dieses Vorgehen ist praxisnah, pietätvoll und rechtlich einwandfrei, und es zeigt, dass die zweite Leichenschau kein Hexenwerk ist, sondern ein Routineverfahren, das sich mit etwas Organisation problemlos in den Arbeitsalltag integrieren lässt. Wer hier von „großen Umstellungen“ und „unklaren Abläufen“ spricht, hat offenbar noch nicht über den Tellerrand geblickt – oder möchte es gar nicht.

Die Sache mit der Kleidung

Ein guter Bestatter berät die Angehörigen auch bei der Auswahl der Totenbekleidung sachorientiert. Es ist natürlich für die Familien befremdlich, wenn Sie hören, dass der liebevoll eingekleidete Verstorbene noch einmal entkleidet werden muss. Es ist auch nicht immer gewährleistet, dass die Kleidung auch wieder angezogen wird. Um ehrlich zu sein, wird das meist tatsächlich nicht gemacht.

Deshalb erklärt ein Bestatter das den Angehörigen im besten Fall auch auf schonende Weise und weckt Verständnis für das pragmatische Vorgehen. Außerdem sollte er darauf hinwirken, dass dem Verstorbenen ein Talar, also ein Totenhemd, angezogen wird. Das ist nämlich hinten offen und kann nach der zweiten Leichenschau auch schnell wieder in Ordnung gebracht werden.

Können sich die Hinterbliebenen mit diesen Gedanken nicht anfreunden, müssten sie in den sauren Apfel beißen und den Bestatter gegen Kostenerstattung beauftragen, das Wiederankleiden vorzunehmen. In manchen Fällen erfolgt die Aufbahrung auch im Anzug oder Kleid und anschließend kleidet der Bestatter noch einmal in das besser geeignete Totenhemd um.

Fazit

Bayern holt mit der Pflicht zur zweiten Leichenschau lediglich nach, was anderswo schon gelebte Normalität ist. Die Aufregung mancher Branchenvertreter wirkt eher kalkuliert als begründet. Statt sich als Opfer einer übermächtigen Bürokratie darzustellen, wäre es an der Zeit, mit Sachlichkeit und Professionalität zu reagieren – so wie es die meisten Kolleginnen und Kollegen bundesweit längst tun.

Denn in einem Punkt haben alle Bestatter dasselbe Ziel: eine würdevolle, rechtssichere und verantwortungsvolle Bestattungskultur – auch (und gerade) in Bayern.

Pflicht zur zweiten Leichenschau: Bayern entdeckt das Rad – erneut

INFOBOX:
Was ist eine zweite Leichenschau?
Sie findet vor der Einäscherung statt, wird durch speziell qualifizierte Ärzte durchgeführt und dient dem Nachweis, dass kein Fremdverschulden vorliegt. Sie ist in vielen Bundesländern Standard und gilt als wichtige rechtsstaatliche Kontrollinstanz.

Fazit

Ein bisschen weniger Aufregung, ein bisschen mehr Austausch mit Kollegen aus dem Rest der Republik – und Bayern wäre schon morgen bereit. Die zweite Leichenschau ist kein bürokratischer Endgegner, sondern ein Beitrag zu mehr Transparenz und Gerechtigkeit im Bestattungswesen. Wer jetzt noch jammert, hat die letzten 30 Jahre schlicht verpasst.

Link: ZEIT.de

Bildquellen:
  • leichenschau-2: PW KI


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Hier finden Sie meine Berichte und Kommentare zur gesamten Bestattungsbranche.


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 1. April 2025

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2 Kommentare
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Tia
22 Tage zuvor

Was ich am Procedere nicht verstehe, warum kann man die entlkleideten Körper nicht einfach mit der Kleidung bedecken statt sie neben die Toten zu legen? Zusammenfalten und mit in den Sarg legen dauert länger. Der Gedanke dass Angehörige deswegen naggisch ins Feuer fahren, ist unschön muss ich sagen.




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