Ach ist das geil, daß es morgens um Sieben hier an der Tanke schon frische Brötchen gibt, auch sonntags.
Irgendwie führt man ja als Bestatter schon ein recht unstetes und unregelmäßiges Familienleben. Andere liegen um diese Zeit noch im Bett und ich habe schon 4 Stunden Arbeit hinter mir. Meine ganze Familie schläft noch und ich glaube ich bleibe noch etwas hier unten im Büro, um niemanden zu wecken.
Um 2.30 Uhr ging mein Handy und ich musste raus. Ein Polizeieinsatz in der Nachbarstadt erforderte meine Anwesenheit und als ich dort ankam, ging doch alles reibungsloser, als man gedacht hatte. So war ich um kurz nach Drei schon wieder hier in der Straße, da klingelte das Handy schon wieder. Eine ältere Dame ist verstorben und die Familie wollte alles sofort regeln.
Also drehte ich wieder um und bin quer durch die Stadt gefahren. Kleines Einfamilienreihenhaus. Diese Häuser kenne ich in und auswendig. Wenn man reinkommt ist rechts das Gästeklo, links die Küche, hintenraus das Wohnzimmer. Oben zwei Schlafzimmer und das Bad. Ist fast überall gleich, manchmal auch linksrum…
Als ich ankam, sah ich unseren Bestattungswagen schon am anderen Ende der Straße verschwinden. Die Verstorbene war also schon abgeholt.
Die Familie saß in der Küche um den Küchentisch, man hatte mir ein Glas Wasser und einen Kaffee vorbereitet und sogar eine Zeitung als Schreibunterlage hingelegt. Stammbuch, Rentenpapiere und Sterbepapiere lagen griffbereit, vorbildlich!
Zwei Töchter, ein Schwiegersohn und der Ehemann der Verstorbenen waren da. Auch in diesem Fall war der Opa dement und wollte zuerst wissen, ob ich seine Tochter heiraten will.
„Nein, Papa, das ist der Mann vom Bestattungsinstitut.“
„Wenn der meine Helga nicht heiraten will, warum hat er sich dann so fein gemacht?“
Schließlich ließ er sich doch davon überzeugen, daß ich nicht um die Hand seiner Tochter anhalten wollte und gab sich damit zufrieden, mir meinen Kugelschreiber wegzunehmen und auf einem Lebensmittelprospekt das Rindfleisch blau anzumalen.
Auch die verstorbene Mutter war dement, schon länger bettlägrig und erstaunlicherweise waren es nicht die Töchter sondern der anwesende Schwiegersohn, der sich fast rund um die Uhr um die beiden gekümmert hatte. Er ist arbeitslos und hat das, wie es scheint, sehr gerne gemacht.
Während wir alles Notwendige besprachen, blieb mir zwischendurch Zeit, ein paar Fragen zu stellen. Mich interessierte, wie es denn jetzt mit dem Opa weitergeht.
„So einen alten Mann kann man doch nicht mehr umsiedeln, der Opa bleibt hier und wir kümmern uns um ihn“, sagte er.
Opa hatte inzwischen in meiner Aktentasche meine Zigaretten entdeckt und starrte die ganze Zeit darauf. Ich schaffte es, die Aufmerksamkeit einer der Töchter darauf zu lenken, sie nickte mir zu und holte einen Aschenbecher. Dann bekam der alte Herr eine Zigarette und freute sich wie ein kleines Kind. Völlig unvermittelt sprach er mich dann an: „Und nehmen Sie einen schönen Sarg, einen aus Eiche, ja?“
Sofort änderten die Töchter die Bestellung und nutzen den lichten Moment, um dem Vater Fragen zu stellen. Ob es an der Zigarette lag, daß er wenigstens zehn Minuten durchhielt und recht deutliche Angaben machen konnte? Dann war es wieder vorbei und er fragte mich, ob wir auch den anderen Schornstein heute noch fegen.
Und bevor da einer lacht, ich hatte keinen schwarzen Anzug an und auch keinen Zylinder auf.
Es war wohltuend zu sehen, wie liebevoll und behutsam die Leute mit ihrem alten Vater umgingen, das sehe ich immer seltener.
Ich meine, wir geben uns ja immer große Mühe, aber wenn die Leute nett sind, macht es einem noch viel mehr Freude, wenn man es schafft, alles zu deren vollster Zufriedenheit abzuwickeln.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: morgens, noch, ordnung, sieben, welt
Eine Wohltat sowas zu lesen. Gerade kurz nach der Geschichte von der anderen Familie und ihrem Umgang mit dementen Menschen.
Das ist wirklich eine zu Wohltat zu lesen das es doch auch noch anders geht.
Ein guter Start in den Sonntag! Danke
Waren eher keine Lehrer, oder?
Schön zu lesen. Hast du mitbekommen, warum es aber nicht die Töchter sind, die sich um den alten Mann kümmern, sondern der Schwiegersohn. So selbstverständlich ist das ja nun auch nicht.
In meiner Tätigkeit als Krankenpfleger bekommt man auch viele Geschichten mit. Viele Angehörige kümmern sich wirklich vorbildlich um ihre alten bzw. kranken Leute und sind sehr bemüht, dass diese an ihrem Lebensabend noch Lebensqualität besitzen. Dazu gehört oft viel Kraft, Geduld und Ausgeglichenheit. Diese Menschen sind wirklich zu bewundern. Leider gibt es immer wieder Negativbeispiele. Manchmal werden die alten Menschen aus Bequemlichkeit schlecht behandelt oder weil es den Angehörigen einfach egal ist. Oft ist es allerdings auch so, dass die Angehörigen heillos überfordert sind und selbst am Rande des Burn-Out stehen oder krank werden. Diese Situation führt oft auch zu Gewalt, auch wenn sie nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Wenn wir erkennen, dass so ein Fall vorliegt versuchen wir den Angehörigen Hilfsangebote zu vermitteln. Oft ist den Leuten schon geholfen, wenn sie ein paar Stunden pro Woche Zeit für sich haben. Im Krankenhaus bekommt man oft Pflegefälle zur Behandlung. Aber dort kann man nach dem Dienst nach Hause gehen und braucht sich nicht mehr zu kümmern. Und irgendwann kommen die Pflegefälle auch… Weiterlesen »
Schönes Gegenbeispiel zu der Lehrerfamilie.
Stimmt, es gibt überall Licht und Schatten. Leider wird in unserer Gesellschaft lieber auf die Schatten gezeigt, was dann leider einigen als Vorbild dient.
Ist das normal das man einen Bestatter um halb drei in der Nacht aus dem Bett klingeln kann?
Gut, wenn ich drüber nachdenke halten sich die Menschen mit dem Tot ja dann doch nicht an die üblichen Tageszeiten, aber das ihr irgendwie 24/7 abrufbereit seid (sein müßt?), darauf war ich auch noch nicht gekommen.
@Thomas: Vollkommen normal. 24/365 passt eher.
Natürlich versuchen wir die Termine in unsere normale Dienstzeit zu legen und seit geraumer Zeit scheue ich mich auch nicht mehr, einen Nachtzuschlag von 50 Euro abzurechnen, wenn die Angehörigen mitten in der Nacht eine Beratung wünschen.
Man muss natürlich berücksichtigen, daß viele Menschen zum allerersten Mal vor so einer Situation stehen oder kopflos reagieren.
Derjenige der Telefondienst hat, vermittelt schon sehr behutsam, dass noch ausreichend Zeit besteht, aber wenn die Leute unbedingt darauf bestehen, müssen wir eben auch nachts raus.