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10 Euro Stundenlohn für die Abholung einer Leiche – Von Erdnüssen, Affen und Mindestlöhnen

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Immer wieder werde ich von Bestattern, Bestattungsfachkräften und Bestattungshelfern gefragt, was man denn so in der Branche für die Überführung (= Abholung) eines Verstorbenen bezahlt bekommt.
Meiner Meinung nach ist das stets zu wenig.

Nun schreibt ein Bestatter in den Kommentaren:

Ich arbeite als Bestatter und mir fällt dazu eine Überführung ein die ich dieses Jahr gemacht habe. Es handelte sich dabei um eine Hausabholung bei der der Verstorbene 193+ kg wog(wurde im Krematorium gewogen). Wir haben es mit unheimlich viel Mühe zu zweit geschafft(wollten der Angerhörigen die unangenehme Situation von “wir müssen Verstärkung holen” ersparen, mach ich aber NIE wieder!).
Als er dann im Bestattungsfahrzeug war und wir uns verabschieden wollten, sagte die Dame das sie uns für unsere Mühe(Hochsommer!) etwas geben möchte, dann gab sie jedem 1 Euro und ich musste mich sehr anstrengen das Geld nicht wieder zurück zu geben und auf nimmer wieder sehen zu sagen…
Es muss nicht immer sein, aber freut sich natürlich wenn man etwas bekommt vor allem bei 10 € Stundenlohn (=20€ pro Abholung).

So eine Ein-Euro-Geschichte gibt es auch im Bestatterweblog.
Du findest sie hier:

http://bestatterweblog.de/tratsch-im-treppenhaus/

Ansonsten sind 10 Euro Stundenlohn der allerunterste Minimallohn in meinen Augen.
Meine Fahrer haben schon vor 20 Jahren immer folgende Tarife zusätzlich zu ihrem Lohn erhalten:

a) Abholungen während der Dienstzeit 50 DM
b) Abholungen außerhalb der Dienstzeit 90 DM
c) Sonn- und Feiertage zusätzlich 20 DM

Die Dienstzeit war von 8-18 Uhr alles davon oder danach ergab den höheren Betrag.

Mit der Einführung des Euro ergab sich dann das Problem, daß sich 25 € für mich zu wenig anhörten. Es gab dann 35 € für Tagesabholungen und 75 € für Nachtabholungen.

Die Beträge für Abholungen während der Dienstzeit gab es für feste Fahrer aber nur für Hausabholungen, nicht für Krankenhaus oder Altersheim. Aushilfsfahrer bekamen die Beträge natürlich trotzdem.
Der Grund ist ja klar, denn Abholungen aus dem Krankenhaus oder Altenheim sind mit weniger Aufwand verbunden als Hausabholungen mit Familienzuschauern etc.
Diese Tätigkeit, bei der auch mal zwei Verstorbene oder mehr auf einmal aus einem Krankenhaus geholt wurden, gehörten zu den üblichen, während der Arbeitszeit zu erledigenden und durch das Monatsgehalt abgegoltenen Tätigkeiten der Fahrer.

Hinzu kamen allerdings noch Polizeiabholungen. Hier gab es je nach Art und Umfang durchaus erhebliche Zuschläge, die ich entweder aus eigener Tasche querfinanziert habe oder den Angehörigen hinterher als Mehraufwand in Rechnung gestellt habe.

Viele Kollegen haben den Kopf geschüttelt, wenn sie gehört haben, daß ich den Bestattungshelfern so viel gezahlt habe. Aber meiner Meinung nach gehört die Arbeit mit zu den unangenehmsten, die es gibt.
Verstorbene liegen eben nicht immer wie schlafend im Bett, sondern manche liegen seit sechs Wochen tot im Bett, wenn sie denn überhaupt im Bett liegen und nicht schon mit einem Teppich oder Sofa eine nahezu unlösbare Einheit eingegangen sind.
Manche Verstorbenen werden extrem zerstückelt oder verletzt geborgen, andere haben sich auf abenteuerlichste Weise das Leben genommen. Alles das sind Umstände, die physisch und psychisch sehr belastend sind.
Da ist eine gute Bezahlung nicht nur einfach selbstverständlich, sondern durchaus auch eine große Motivation, diese Arbeit überhaupt und auch noch gut zu machen.

Aus diesem Grund habe ich auch nie pauschal „Abholung des Toten“ auf die Rechnung geschrieben, wie es manche Bestatter heute auch noch machen.
Bei uns wurde exakt aufgelistet, was die eigentliche Überführung (Fahrzeug, Desinfektion usw.) kosten und was für die beiden Fahrer an Personalkosten anfällt.
Hat hier ein Kunde mal die Augenbrauen gehoben, dann habe ich ihn einfach gefragt, was er von mir verlangen würde, wenn ich ihn darum bitten würde, diese Arbeit zu machen.
Nach dieser Frage war jeder sofort bereit, den geforderten Betrag zu bezahlen.

Man kann Menschen, die rund um die Uhr in Bereitschaft zur Verfügung stehen, die sich zu jeder Zeit in einen Anzug zwängen und alles stehen und liegen lassen, die oft bis zu den Knöcheln in Gedärmen, Körperteilen, Exkrementen und Erbrochenem waten müssen, nicht nur 10 oder 20 Euro zahlen.
Neuerdings sagt man aus dem Englischen abgeleitet: Wer nur Erdnüsse bezahlt, bekommt auch nur Affen als Arbeiter.
Ich sage immer: Jede Mühe verdient ihren Lohn.

Es kann nicht angehen, daß Bestatter sich alle paar Jahre einen Bestattungswagen für um die 100.000 Euro leisten oder noch eine und noch eine Trauerhalle bauen und ihren Bestattern nur Mindestlöhne zahlen.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 31. Dezember 2014 | Peter Wilhelm 31. Dezember 2014

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14 Kommentare
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André
9 Jahre zuvor

Zitat:“ Ich sage immer: Jede Mühe verdient ihren Lohn. “
Ganz genauso ist es. Und es ist erschreckend, was es Heutzutage in verschiedenen Jobs zu verdienen gibt. Ich habe 16 Jahre im sozialen Bereich gearbeitet und recht gut verdient. Vor einiger Zeit musste ich, weil ich nicht mehr konnte und wollte, aufhören und hab nach was anderem Ausschau gehalten. (Bin nach eineinhalb Jahren Suche durch Glück fündig geworden vor einem Monat und kann das Jahr trotz finanzieller einbußen für mich positiv (nun wieder als Handwerker) abschließen 🙂 )

Ich sehe es auch so, dass insbesonere bei Bestattern (auch Rettungsdienst etc.), der Lohn angemessen sein sollte. Immerhin erledigen diese Leute die arbeiten, an die der Großteil der Bevölkerung noch nichtmal denken mag und über die man sogut wie nie etwas erfährt… (außer hier 😉 )

Dir, Peter und allen Kommentatoren hier wünsche ich einen guten Jahresanfang!

9 Jahre zuvor

Toll infertiler ich finde das ist eine faire Sache,
Aber leider., leider nur ein Einzelfall…
Auch du kennst in leipzig ein tolles bestattungshaus, aber glaube mir ich habe die Erfahrung auch gemacht… Die Mitarbeiter sind zwar wichtig, aber gerecht bezahlen will sie der Chef halt nicht so gern…
Wie inzwischen überall…

DD
Reply to  Kröger
9 Jahre zuvor

Lass mich raten

Eigentlich müsste unter deinem Post stehen

> — von meinem Smartphone gesendet

Aus was hat denn die Autokorrektur „infertiler“ gemacht? „Peter“?

Reply to  DD
9 Jahre zuvor

Interfiler sollte undertaker heißen…
..für uns wird noch alles zu Tode verbessert, ob wir wollen oder nicht. :-)))

Hajo
9 Jahre zuvor

Schon meine Oma (Grossmütter zeichnen sich oftmals durch besondere Weisheit aus) sagte: „was nichts kostet, ist nichts“.
Das ist im Zeitalter von Geiz-ist-geil leider etwas in Vergessenheit geraten.
Dir, lieber Peter und allen Mit-Kommentatoren (m/w) ein gutes 2015 (was immer Ihr auch unter „gut“ verstehen mögt).
Herzliche Grüsse
Hajo

9 Jahre zuvor

ZITAT: „Abholungen aus dem Krankenhaus oder Altenheim sind mit weniger Aufwand verbunden als Hausabholungen mit Familienzuschauern etc.“ …

Wie kommt das ? habe selbst als Nichtbestatterin nur zwei Anholungen miterlebt. Bei beiden war es absolut flott, problemlos und der Bestatter, sowie seine Helfer waren sehr nett und professionell.
Wobei ist eine Hausabholung aufwändiger als eine Heimabholung?

Reply to  machermama
9 Jahre zuvor

Ja, da hast Du subjektiv durchaus recht. Allerdings ist es so, daß in vielen Trauerhäusern zahlreiche Familienangehörige im Weg stehen, oft die Bestatter keine Sekunde aus den Augen lassen und manchmal die Abholung gar mit dem Sarg erfolgen soll. Das macht die Situation für die Bestatter nicht einfacher. Außerdem kommen enge, oft vollgestellte Treppenhäuser, viele Etagen usw. erschwerend hinzu. Ganz zu schweigen von der oft unglücklichen Parksituation und manchmal Menschentrauben als Zuschauer rund um den Bestattungswagen. Gemeint ist allerdings in meinem Artikel in erster Linie der Umstand, daß Hausabholungen zumeist sehr bald erfolgen müssen, oft nachts und natürlich auch an Wochenenden und Feiertagen. Im Krankenhaus wird morgens nach Dienstbeginn entspannt abgeholt, manchmal mehrere Verstorbene auf einmal und weil keine Zuschauer da sind, kann mit den Verstorbenen zwar respekt- und pietätvoll, aber dennoch zügig umgegangen werden. In Krankenhäusern sind die Wege bekannt, man weiß wo die Papiere zu holen sind. Bei Privatadressen kommen Fahrten quer durch die Stadt oder über Land zu unbekannten Adressen hinzu und in ganz vielen Fällen erpressen die Ärzte die Bezahlung ihrer… Weiterlesen »

Reply to  Peter Wilhelm
9 Jahre zuvor

Ok mit diesen Argumenten ist die Aussage schon logischer aus Sicht des Bestatters 😉
Da hatte der Bestatter, abgesehen vom 4. Stock ohne Fahrstuhl, doch noch glück gehabt. Alle Papiere da und keine Leute die im Weg stehen.
Zügig gearbeitet haben sie auch, der Bestatter selbst ist aber nachdem der Tote in den wagen gebracht wurde gleich hoch um alles rund um die Beerdigung zu klären.
Ich habe den Bestatter und seine Mitarbeiter noch bis zum Wagen begleitet, aber nicht aus Kontrollwahn, sondern weil ich eh heim musste zu meinen Kindern.
Im Treppenhaus gabs dann noch nen netten Smalltalk und es schien ihn auch keineswegs zu stören das ich hinterher kam.
Gibt sicher immer schwarze Schafe, wie in jedem Gewerbe. Aber von dem Institut bin ich wirklich begeistert. Auch die Bestattungen die wir über das Unternehmen haben machen lassen (Bisher 3 ) waren alle sehr individuell und auf alle Wünsche wurde diskussionslos eingegangen auch wenn die Bestattungen alle nicht nach Schema F waren.

josef
9 Jahre zuvor

Ja Peter, da hast Du recht, bei uns ließen die Ärzte gerne die Kreuze bei der Spalte Seuchenschutzgesetz weg, und hatten natürlich immer die Rechnung zufällig fertig!!!
Ein Schelm, der böses dabei denkt!
Liebe Grüße!

josef
9 Jahre zuvor

Hallo Peter!
So einen fairen und ich muss sagen, großzügigen Chef hätte ich mir auch gewünscht!!
Leider sterben Leute wie Du, die ihre Mitarbeiter so gut behandeln, immer mehr aus. Die Umgangskultur in der Arbeitswelt geht immer mehr den Bach hinunter! Ich musste nach meiner langjährigen Tätigkeit, als die Firma Pleite ging noch probeweise in zwei anderen Bestattungshäusern arbeiten. Was ich dort als Bezahlung angeboten bekam war lächerlich, der Umgang mit den Mitarbeitern zum Teil grauenhaft!!
Liebe Grüße!

ein anderer Stefan
9 Jahre zuvor

Vielen Dank, Tom, dass Du so fair bezahlt hast. Finde ich beispielhaft. Das ist die schöne „neue“ Arbeitswelt, die wir in Deutschland seit annähernd 30 Jahren aufgetischt bekommen, seit Schröder mit Turbo. Der Arbeitnehmer ist nur ein Kostenfaktor, den es zu reduzieren gilt. Das geht auch im Gesundheitswesen ganz prima, da werden die vormals städtischen Kliniken erst kaputtgerechnet, dann unter Wert an einen Konzern verkauft, der als erstes die Einnahmen erhöht und Personal abbaut. Neues Personal wird miserabel bezahlt, es werden Überstunden ohne Ende gemacht, der Patient ist nur noch ein Buchungsfaktor. Und dann wundern sich alle, wenn die Versorgung schlechter wird und sich Infektionen (um mal ein Beispiel zu nehmen) häufen, und dennoch die Kosten steigen. Wer das mal genauer wissen will, soll mal nach Asklepios und Bernard große Bröermann suchen, um zu sehen, wie das funktioniert. Der neue Mindestlohn ist ein Witz, wer den kriegt und Vollzeit arbeitet, liegt immer noch unter der Armutsgrenze. Der Mindestlohn sollte schnellstens und ohne Ausnahme auf ca. 10 bis 11 Euro angehoben werden. Dann müssen natürlich auch… Weiterlesen »

Reply to  ein anderer Stefan
9 Jahre zuvor

Nicht ganz korrekt.
Bei 40 Stunden pro Woche liegt man ca 100 Euro über der Armutsgrenze. Bei 35 EUR liegt man knapp (ca. 20 Euro) drunter. Bei Steuerklasse 1 gerechnet. Und ob man sich für 20 Euro die Mühe eines Antrages auf ALG-2 mit allen Schikanen macht? Wohl eher nicht.

Un d ja, ich stimme dir zu – er sollte auf 11 EUR angehoben werden. Denn Leben kostet. Und Mindestlohn bedeutet für mich, ich kann durch einen Vollzeitjob leben.

uj
9 Jahre zuvor

Wenn der sich beklagende Berufskollege nicht über die Courage verfügt, den Hinterbliebenen mitzuteilen, dass für den Abtransport einer 193 kg schweren Leiche weiteres Personal benötigt wird, ist das schon befremdlich.

Die Frage über das zu erwartende Gewicht vor Abholung zu stellen, sollte zum Standard gehören.

Bei uns die Regel: Kein Haustransport ohne Überführungstrage. Spielt keine Rolle, was die Leute wünschen, es ist unsere Gesundheit. Hilfsmittel sind dazu da, um bei der Arbeit behilflich zu sein.

Gruß, ein anderer Bestattungsunternehmer

Nebenbei, 193 kg mit 2 Personen? Da kenne ich keinen Fall aus der Praxis, oder jemanden, der sich darauf eingelassen hätte.

9 Jahre zuvor

Finde ich angenehm, Undertaker, dass du deine Mitarbeiter so geschätzt hast. Ist heute leider eher selten anzutreffen. In den meisten Fällen sind sie nur das Mittel, um noch mehr Geld zu machen …




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