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Acht Personen umfaßt die Familie Pörtensiepen, Vater Klaus, Mutter Renate, fünf Kinder und Großmutter Gerlinde.
Eben diese Großmutter ist spät abends an einem langen Herzleiden in ihrem Bett verstorben.

Schönes Idyll, könnte man meinen, nette Großfamilie, die ihre alte Oma bei sich aufgenommen hat und die bettlägrige alte Frau bis zu ihrem Tod gepflegt hat. Doch die alte Frau Pörtensiepen ist keineswegs in einem schönen warmen Bett gestorben, sondern auf einer dünnen Matratze, gerade einmal mit einer doppelten Lage Wolldecken bedeckt.

Die Portensiepens wohnen in einem Doppelcontainer, der früher einmal die Unterkunft für Bauarbeiter war, die Scheiben sind einfach verglast und es ist feucht und muffig. Jeden Abend räumen sie den Tisch und zwei Sessel an die Seite, um Platz zu schaffen für fünf Matratzen, auf denen alle acht Personen gemeinsam schlafen. Eine Kochgelegenheit und sanitäre Anlagen haben die acht Personen nicht, sie können beides bei der Feuerwehr nebenan mitbenutzen.

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Die Familie wohnt in einer Notunterkunft der benachbarten Gemeinde.

Ende 2007 konnten die Portensiepens die Miete (577 Euro, kalt) für ihre Fünfzimmerwohnung nicht bezahlen. Da sie schon Anfang des Jahres 2007 eine Miete schuldig geblieben waren und auch die Nebenkostenabrechnung vom August nur zur Hälfte hatten bezahlen können, kam das Unausweichliche: Kündigung, Räumungsklage, Rauswurf durch den Gerichtsvollzieher. Und der hat auch noch das gesamte Hab und Gut der Portensiepens, bis auf Kleidung, persönliche Erinnerungsstücke und das Allernotwendigste, eingelagert und weggeschlossen. Die Sachen dienen dem ehemaligen Vermieter als Pfand bis er eines Tages die ausstehenden Beträge und die Kosten für die Zwangsräumung erhalten hat.
160 Euro monatliche Lagerkosten häufen sich zusätzlich an.

Die kurz vor Weihnachten obdachlos gewordene Familie stand nur wenige Tage im Licht der Öffentlichkeit. Der Bürgermeister hatte großspurig verkündet, er würde unbürokratisch und schnell helfen, doch seine Hilfe erschöpfte sich in der Bereitstellung der Notunterkunft. Frau Birnbaumer-Nüsselschweif hatte ihr Interesse kurzfristig auf die „armen Kinder“ gelenkt und im kirchlichen Mütterkreis Spielzeug gesammelt.

Geholfen war der Familie Portensiepen damit nicht. Wenig später verlor Klaus Portensiepen seine Arbeit als Lagerist in einem Getränkegroßhandel, sodaß die Familie fortan mit der mageren Rente der Großmutter und einer Art Überbrückungshilfe auskommen muß. Regelrechte Sozialleistungen werden nur teilweise gewährt, das Ganze ist noch in Prüfung, die Ansprüche sind nicht vollkommen geklärt und jeden Tag hoffen die Portensiepens, daß der Briefträger mal keine gelben Briefe vom Amtsgericht, sondern den langersehnten Bewilligungsbescheid vom Sozialamt bringt.
Mutter Renate hatte in ihrer Verzweiflung bei einem großen Versandhaus Küchenutensilien und wohl auch allerlei unnützen Krempel bestellt. Man lieferte auch prompt, überprüfte nicht die finanzielle Situation und jetzt hat Frau Portensiepen die Quittung: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie wegen Betrugs, denn die Rechnung konnte sie natürlich nicht bezahlen. Sie wollte das in Raten tun, tat das auch anfangs, doch dann kam sie damit in Verzug, weil auch das Wohnen in der Notunterkunft nicht wie erwartet kostenlos ist, sondern nach drei Monaten eine Mietnachzahlungsforderung der Gemeine über 1.200 Euro ins Haus flatterte. Man hatte aus Kulanz extra etwas gewartet, dann aber doch die 400 Euro Miete verlangen müssen.

Jetzt ist die Oma tot und muß unter die Erde.
„Ja kann man denn da nichts machen?“ will der zuständige Sachbearbeiter vom Gemeindeamt wissen, als er mit uns telefoniert. Ich erkläre ihm, daß wir doch nicht die Wohlfahrt sind und uns mal eben so eine kostenlose Bestattung aus dem Ärmel schütteln können. Mich dauert die Situation der Familie, aber ich sehe gar nicht ein, daß wir bluten sollen, während die Gemeinde nicht bereit ist, auf die Friedhofs- und Grabgebühren zu verzichten. Ich kriege das schon hin, die Oma Portensiepen so zu bestatten und der Familie eine Zahlungsmöglichkeit einzuräumen, daß sie wenigstens deswegen keine schlaflosen Nächte haben muß, aber es wäre -aus meiner Sicht- zunächst mal Sache der Gemeinde, denen bei den Bestattungskosten entgegenzukommen.

Irgendwie ist da alles verworren. Einerseits steht die Familie am finanziellen Abgrund, hat sicherlich auch etliche Ansprüche auf Unterstützung, kommt aber dennoch nicht weiter, weil es irgendwo mit den Anträgen und der Bewilligung klemmt.

Aber geholfen werden muß der Familie, soviel ist klar.

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(©si)