Allgemein

Bei uns findet Karneval nicht statt

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Bei uns ist zu.

Das Bestattungsgewerbe ist keine Arbeit bei der man nach Stechuhr arbeiten kann. Es fallen immer mal wieder Überstunden an und ich habe glücklicherweise nur Leute, die das auch mitmachen, andere könnte ich gar nicht gebrauchen.
Dafür bin ich dann aber auch großzügig und an Rosenmontag, dem Tag nach unserem Volksfest, an Weihnachten und ‚zwischen den Jahren‘ ist hier zu. An solchen Tagen will sowieso niemand eine Trauerfeier bei uns und alles andere lässt sich auch in Rufbereitschaft erledigen.

Ihr fahre frühmorgens die Tour zum Standesamt und zur Friedhofsverwaltung und überlege auf dem Rückweg noch, daß ich mir auch einen lauen Lenz machen werde, da finde ich bei meiner Rückkehr auf meinem Schreibtisch einen ganzen Stapel von Sachen vor, die Frau Büser mir wärmstens ans Herz legt. Buchhaltung, Berufsgenossenschaft usw.
Oben drauf liegt ein Zettel mit einem Gruß von Frau Büser, sie bringt mir später „Bolle“ vorbei.

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Es ist ruhig in der Firma und ich erschrecke, als ich plötzlich ein unheimliches Rauschen und Rascheln höre.

Es ist ein Hot-Dog.

Genauergesagt: Es ist Antonia in einem Hotdog-Kostüm. Zwei Schaumgummi-Brötchenhälften auf Bauch und Rücken geschnallt, den Körper in ein hautenges Wurstkostüm gezwängt und auf dem Kopf eine Kappe, die den Wurstzipfel darstellen soll. Gemacht worden ist das Kostüm ganz eindeutig für eine sehr schlanke Person und Antonia gehört ebenso eindeutig nicht in diese Kategorie. Stellt Euch vor, ihr müßtet eine Apfelsine am Stück herunterschlucken. Das Gefühl das sich dann kurz hinterm Zäpfchen einstellt, das ist das Gefühl das diese Brötchenhälften haben müssen.

Antonia will nur ihren MP3-Player holen, dann geht sie später auf den Rosenmontagszug. Alles klar.
Während sie drüben ihren Ohrenstöpselapparat sucht, fällt mir so ein Viererpack Sekt-Piccolos ein, die ich mal geschenkt bekommen habe. Für so eine junge Frau genau das Richtige um es mit auf den „Zoch“ zu nehmen. „Ich stelle Dir was auf den Tisch!“ rufe ich ihr zu und gehe nach nebenan, um etwas zu suchen.

Als ich wiederkomme, hat sich die an einem Medizinball erinnernde Wurst in meinem Büro in eine halbwaagerechte Position gebracht, sitzen kann sie nämlich in diesem Kostüm nicht. Das mit dem Sekt hat Antonia falsch verstanden, gleich zwei Piccolos aufgemacht und zwei Gläser vollgemacht.
So war das ja nicht gemeint, aber was soll’s? S’ist Karneval, oder?

Gerade klingen die Gläser aneinander, da sind schon wieder Stimmen aus der Halle zu hören, Manni und seine Frau sind gekommen. Er will sich Holzwolle aus dem keller holen, denn er geht als Vogelscheuche und will sich das in die Manschetten und Hosenbeine stopfen. „Ha! Was ist hier denn los? Privatparty, was?“ Seine Frau geht als Kürbis, ist allerdings von extrem dünner Statur und schlottert in ihrer hohlen Schaumgummikugel ein wenig verloren herum. So ganz wohl scheint sie sich auch nicht zu fühlen, aber nach einem Glas Sekt geht es ihr gleich besser.

Ich mag ja, zum Leidwesen meiner Frau, keinen Sekt. Sie liebt Sekt und würde manchmal gerne mit mir anstoßen und wenn ich mich dann mal opfere, tue ich das nur um dieses Stoßen willens, so ein Glas will ja auch mal klingen…
Da wo bei mir das Einparken und Wegefinden gespeichert ist, muß meine Frau einen Deichmann-Katalog und ein Sekt-Riechorgan abgelegt haben und so dauert es auch nur den Bruchteil einer lichtschnellen Millisekunde und sie steht bei mir im Büro: „Sekt? Party?“
Natürlich hat sie auch große Sektflaschen gebunkert und es dauert keine halbe Stunde, da ist Stimmung in der Bude.
Antonia und Mannis Frau haben beschlossen die Kostüme zu tauschen, was an sich eine gute Idee ist, nur tauschen sie stückchenweise und es sieht irgendwie so aus, als wolle die fette Wurst sich mit einem Kürbis paaren. Manni lacht sich halb kaputt und meine Frau ist seelig.

Mitten in das Getümmel platzt Frau Büser mit ihren „Bolle“ rein. Das sind im Wesentlichen Berliner, allerdings mit Vanillecreme gefüllt und von einer hauchdünnen Schicht Vollmilchschokolade überzogen, herrlich! „Ach nee, kaum ist die Katze aus dem Haus, da tanzen die Mäuse auf Tischen und Bänken“, lautet ihr Kommentar und binnen einer Sekunde hat auch sie ein Glas in der Hand.

Carlos Gastro-Poda ist der Nächste der zu uns stößt. Eigentlich hat er sich für heute den LYNXX 3200 ausgeliehen, das ist ein Atomkraftwerk mit Tunnelbaumaschine im Miniformat, damit will er heute hämmern und bohren. Nee, wir lassen ihn nicht und er ist uns auch nicht böse. Stattdessen zeigt er uns, wie man in seinem Dorf, auf einem Bein auf dem Tisch tanzt und mit den Zähnen den Strumpf vom anderen Bein zieht. Dabei muß man ein Taschentuch über dem Kopf schwenken und singen.
Ich mach‘ da nicht mit, ich würd mir ja was brechen! Aber Antonia muß es unbedingt auch versuchen. Wenigstens hat sie nu noch die Wurstpelle an, sonst wären die Schaumstoffbrötchen geplatzt. Alle sind lustig, alles gröhlt und Antonia schafft es natürlich nicht.
Jemand hustet an der Tür und wir alle drehen uns um: Sandy steht da, tippt vielsagend mit dem Fuß auf den Boden und zieht eine „Schnüss“: „So, mir gebt ihr frei und ihr macht hier Party, Sauerei!“

Okay, zu mehr habe ich jetzt keine Zeit, die anderen rufen schon und ich muß das jetzt doch nochmal mit dem einen Bein und dem Socken probieren.

Wie gesagt, wir feiern ja keinen Karneval.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

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(©si)