Geschichten

Bestatterkrimi -VI-

Kennt Ihr das? Manchmal trifft man einen jahrelang nicht, dann wieder läuft er einem in einer Woche zweimal über den Weg.

So war das bei mir und Zirbler auch. Ich hatte ihn, wie gesagt, immer mal wieder irgendwo getroffen oder gesehen und auch schon ein paar mal gesprochen, aber jetzt war doch einige Zeit ins Land gegangen, daß ich ihn nicht gesehen hatte und so kam es, daß in mir gewisse Zweifel an ihm aufgestiegen waren, als Frau Müske ihre Krimitheorie ausgebreitet hatte.

Doch ausgerechnet in der darauffolgenden Woche traf ich Zirbler im Klinikum. Wir warteten beide auf Schwester Amalies Büßerbänkchen auf die Aushändigung von Leichenschaupapieren. Die alte Nonne muß zum Orden der barfüßigen Langsamkeit gehören, denn für das Heraussuchen der Papiere und das Ausfüllen der Quittung benötigt sie ewig lange und man hat gefälligst draußen auf dem Büßerbänkchen zu warten, bis sie drinnen ein Christkindls-Glöckchen läutet. Wehe, man verstößt dagegen! Wehe!

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Wie es ihm denn so ginge, erkundigte ich mich bei Zirbler und er strahlte mich an. Sein Geschäft laufe super gut, er habe seine Sterbefallzahlen über die Jahre mehr als verdoppeln können und jetzt neulich erst einen nagelneuen Bestattungswagen angeschafft. An ihm seien schlechte Konjunktur, sinkende Sterbefallzahlen und Geiz-ist-geil völlig vorübergegangen: „Aber bei mir in M. ist das ja auch was anderes als hier bei Ihnen. Alles alte Leute mit Traditionsbewußtsein und die wollen eben Eiche rustikal und das ganze Pipapo, Sparen gilt da als Zeichen der Schande. Und dann haben die mir ja gleich zwei Seniorenheime in die Nachbarschaft gesetzt, was will man als Bestatter mehr?“

Ein netter und freundlicher Mann, dem der berufliche Erfolg anzusehen ist. Nein, wenn ich ihn so betrachtete, war da nichts von krimineller Verschlagenheit oder irgendetwas, was darauf hätte hindeuten können, daß an Frau Müskes Verdächtigungen etwas dran sein könnte.

Aber trotzdem, ich bin ja von Natur aus nicht neugierig, ich bin bloß von der Gemüsefrau dahingehend infiziert, daß ich immer alles wissen will. Deshalb fragte ich Zirbler, als ich ihn in der gleichen Woche das zweite Mal traf, ganz direkt nach dem Fall der Frau Poland.

Zirbler seufzte, verdrehte die Augen und wußte offenbar sofort, um was es ging. Er lachte und schüttelte den Kopf als er sagte: „Das ist immer so eine Sache mit den Barzahlungen. Ich mache das normalerweise nie, Sie kennen ja das Theater, das man damit immer hat. Am liebsten ist mir die Treuhand oder das klassische Sparbuch. Aber sie werden das auch kennen … manchmal geht es eben nicht anders; und bevor mir jemand mit einer Vorsorge wegläuft… aber wem sage ich das?
Die alte Dame hatte erst alles bezahlt, da hat sie drauf bestanden und was soll ich denn machen? Ich hab‘ Ihnen zwar erzählt, daß das Geschäft ganz gut läuft, aber ich muß ja auch sehen wo ich bleibe und Kunden wegschicken… nee, das kann ich mir nicht erlauben.
Ja und dann ist sie gekommen und wollte ihr Geld wiederhaben. Auf ein Sparbuch wollte sie es einzahlen und ich habe ihr noch einen Zettel mitgegeben, auf dem genau stand, was vorne im Sparbuch stehen soll. Nur ist sie dann nie wiedergekommen. Einmal habe ich sie angerufen, da hieß es dann, das habe doch noch Zeit, so alt sei sie doch noch nicht und beizeiten käme sie schon noch vorbei.
Was sollte ich machen? Ich habe bestimmt ein halbes Dutzend Vorsorgen im Tresor, bei denen ich weiß, daß da später kein Geld da sein wird. Aber eben deshalb haben wir doch alle den Passus in unseren Verträgen, daß wir nur dann auch die Vorsorge abwickeln und erfüllen müssen, wenn das Geld auch wirklich eingezahlt wurde.
Als die dann starb und ihr Mann bei mir auftauchte, ist der natürlich aus allen Wolken gefallen, aber was soll ich machen? Weiß der Kuckuck, wo die da Geld gelassen hat.“

Ich schaute mir Zirbler genau an und ich konnte beim besten Willen wirklich nichts entdecken, was gegen seine Version sprechen würde. So etwas habe ich selbst schon erlebt, oft genug von Kollegen gehört und überhaupt erschien Zirbler so souverän und integer, daß mir klar wurde, daß sich die alte Frau Müske da etwas zusammengesponnen hatte, was jeder Grundlage entbehrte.

Aber da sieht man, wie schnell man als Bestatter in einen falschen Verdacht geraten kann.

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