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Bruno -2-

Bruno beschäftigt uns in ungewöhnlicher Weise.
Wir haben Bruno in der Nacht von vorgestern auf gestern zu Hause abgeholt. „Natürliche Todesursache“ hatte der Arzt angekreuzt und die Totenpapiere auf den Namen Brunos ausgestellt. Heute früh ist Brunos Lebensgefährtin bei mir gewesen und wir haben den Ablauf der Trauerfeier besprochen. Gestern hatte sie nur kurz angerufen und gefragt, ob wir das alles heute machen können, sie müsse erst die beiden gemeinsamen Kinder bei den Großeltern unterbringen und sei auch gar nicht in der Lage, sich um irgendetwas zu kümmern.

Wie immer fragte ich die Lebensgefährtin, nennen wie sie Elisabeth, nach Personenstandspapieren, also einer Geburtsurkunde oder ähnlichem. Damit konnte sie überhaupt nicht dienen. Sie wüsste überhaupt nicht, wo sie in der Wohnung nach so etwas suchen solle, ehrlich gesagt habe sie auch niemals gesehen, daß ihr Lebensgefährte so etwas besitze.

„Na wenigstens einen Personalausweis wird er ja wohl gehabt haben“, sage ich, doch sie schüttelt den Kopf. Nein, Bruno habe immer erzählt, den habe er mal einem Kumpel geliehen und der habe damit krumme Geschäfte gemacht. Deshalb sei sein Name vorbelastet und er könne nicht so einfach aufs Amt gehen und einen neuen holen.

„Krankenkassenkärtchen?“
„Nein, Bruno war nicht krankenversichert.“
„Lohnsteuerkarte?“
„Bruno arbeitete nicht und wenn dann „bar Kralle“.“
„EC-Karte?“
Sie lacht nur.
„Irgendwas muß der Mann doch gehabt haben.“
Sie schüttelt den Kopf und sagt: „Ich habe Bruno vor fünf Jahren an der Ostsee kennengelernt, wir haben uns verliebt und zwei Wochen später stand er mit einem Koffer auf der Matte.“

„Sie müssen doch wissen, wo er herstammt.“

„Aus Berlin, mehr weiß ich nicht.“

„Sie haben doch zwei Kinder, brauchten Sie da keine Papiere von ihm?“

„Nö, die laufen ja auf mich.“

„Verwandte?“

„Erzählt hat er immer von einer Tante in Österreich, aber Kontakt hatte er keinen.“

„Eins steht fest, wir brauchen irgendwelche Unterlagen.“

„Bei uns lief alles auf mich, ich wüsste nicht, daß Bruno irgendwas hatte.“

Sie verspricht, noch einmal alles zu durchsuchen und wiederzukommen. Jetzt ist es fast 17 Uhr und sie war noch nicht da. Ans Handy geht sie auch nicht.

Ich meine, irgendwelche Unterlagen hat doch jeder. Schulzeugnisse, Gesellenbrief, was weiß ich…


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Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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16 Jahre zuvor

Faszinierend von der Dame dann auch alles auf sich laufen zu lassen. Bruno dürfte definitiv eine nicht ganz blütenreine Vergangenheit gehabt haben, und bei aller Liebe, steht man eventuell irgendwann mit seinen Schulden da.

Scheint jedenfalls so als habe er versucht unter dem Radar zu bleiben. Keine Meldung beim Einwohneramt, nicht beim Finanzamt.. keine echten Datenspuren, seit wasweissichwann.

Kai
16 Jahre zuvor

Manche Leute tun aus Liebe leider alles, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken.
Aber irgendwelche Papiere muss es geben. Merkwürdig ist das ganze trotzdem, denn einen Personalausweis „verleiht“ man eigentlich nicht…

powermax
16 Jahre zuvor

Jason Bourne! 😉

Bin mal gespannt, was Elisabeth sagt, wenn sich herausstellt, daß Bruno noch zweimal verheiratet ist und vier Kinder mir drei Müttern hat.

MiniMoppel
16 Jahre zuvor

…Deckel in der Stammkneipe…

Glenn
16 Jahre zuvor

Ich glaube da kommt eine äußerst interessante Geschichte auf uns zu…

16 Jahre zuvor

Ich frage mich ohnehin, was bei eine, 30-Jährige die „natürliche Todesursache“ sein könnte.

dunni
16 Jahre zuvor

Patrick: du glaubst gar nicht, wieviele junge Leute einen Herzinfarkt o.ä. bekommen. Das sind heutzutage leider mehr als uns lieb ist.

16 Jahre zuvor

Ich muss ja gestehen, dass es mich ein kleines bisschen … äh: freut?, dass es auch in Zeiten von Payback-Karten und Vorratsdatenspeicherung noch möglich zu sein scheint, völlig ohne Datenspuren zu existieren.

Leroy
16 Jahre zuvor

Ich hätte da mal eine Frage. Wie geht ein Bestatter weiter vor, wenn sich absolut gar nichts über den Kandidaten finden lässt?

Nene
16 Jahre zuvor

@ leroy
Gibt es eigentlich nicht.
Bei Wohnungslosen wird dann -je nach Standesamt- halt nur das beurkundet was man hat, zur Not halt vorläufig.
Man reißt sich zwar als Bestatter oft den Arsch auf um -bei einem schwierigen Standesamt- auch noch die Übersetzung der Heiratsurkunde von tante Gisdela zu besorgen, aber wenn man nichts hat-was willste machen.
Kannst ja schlecht selber was malen.
Irgendwo wird der Kerl gemeldet sein, es sei denn Elisabeth war so dumm und füttert ihn durch;-))

Matthias
16 Jahre zuvor

@powermax: Besser als drei Kinder mit vier Mütten 😉

16 Jahre zuvor

Na wenn man mit seiner Vergangenheit abschließen will und ordentlich aufräumt, hat man eben nix. Und bei manchen ist es eben wirklich so.
Frag mich nur wie gutgläubig man sein muss um alles für einen zu machen von dem man absolut garnix weiss. *staun*

16 Jahre zuvor

@Nadine: Immerhin scheint er ja gearbeitet zu haben, aber immer nur gegen Bares, denn nur Bares ist Wahres.

Ich kann mir schon vorstellen, dass man Leben kann ohne dass jemand weiß, dass man existiert. Der Anfang ist glaube ich das schwerste. Später darf man sich zwar keine eigene Wohnung leisten, darf nicht krank werden, sich nicht von der Polizei kontrollieren lassen … auch an die Rente muss man denken – die, die kein junger mehr bekommen wird: Wenn man nicht existiert, bekommt man auch nirgendwo Geld her. Außer man wird durchgefüttert.

Ob das Leben unter diesen Umständen noch lebenswert ist wage ich stark zu bezweifeln.

lyla
16 Jahre zuvor

Bist du das heute bei der SuperNanny?

😀

Tanja
16 Jahre zuvor

@lyla 🙂

lyla
16 Jahre zuvor

Das ist echt mistig, immer wenn ich jetzt irgendwo Bestatter sehe muss ich an Tom denken 😀

Tanja
16 Jahre zuvor

😀

Tanja
16 Jahre zuvor

😀 😀 😀

Dreystein
16 Jahre zuvor

Leute seid ihr inzwischen so heftig angepasst?

Es scheint ja eine funktionierende Beziehung gewesen zu sein. Eine Beziehung nur dafür aufzugeben weil der andere Probleme hatte oder gerne untertauchen möchte ist doch ein bisschen sehr Oberflächlich. Das Mädel hier mit „gutgläubig“ oder „Manche Leute tun aus Liebe leider alles, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken“ abzutun finde ich schon extrem heftig.

Liebe und Hilfsbereitschaft findet man nicht überall. Da sollte man die wenigen Gelegenheiten gut nutzen und überlegen warum man die Chancen sausen lässt.

Grüße
Dreystein

Snyper
16 Jahre zuvor

Wie siehts mit den Herren in Grün aus ?

Treffer auf die Fingerabdrücke ?

Hauptsache identifiziert und nicht anonym verbuddelt ?

Ok, verbuddelt ist ein hartes Wort, aber wenn der Name falsch war und es vielleicht doch irgendwo noch verwandte gibt ?

Louffi
16 Jahre zuvor

@ Lukas: ja, das fand ich auch recht beruhigend, ungeachtet des Hintergrundes bei Bruno 🙂

Bin gespannt, wie es weitergeht!

Xeell
16 Jahre zuvor

Evtl. kam er ja auch von der Fremdenlegion oder sowas. Diese Leute haben auch keine „echte“ Identität mehr.

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Macht doch nix, vielleicht heißt er auch nicht Bruno. Hauptsache er war zu Elisabeth und den Kindern lieb. Dann hat er sich eine schöne Bestattung verdient. Egal wie er wirklich hieß. Wenn der Name richtig war, müßte er bei der Rentenversicherung immerhin eine Akte haben. Wenn nicht, beerdigen wir halt einen lieben Kerl, der früher vielleicht mal ein Schwein war, und dessen Leben Dank Elisabeth geändert wurde.




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