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Bruno -3-

Elisabeth hat keine Papiere von Bruno. Man kann nun wirklich nicht sagen, daß die Frau einen dummen Eindruck macht, aber in Bezug auf ihren Bruno ist sie einfach blauäugig, soviel steht fest. Es steht allerdings nicht fest, wer Bruno eigentlich ist. Er soll in einer Stadt bei Bremen geboren worden sein, dort gibt es aber unter diesem Namen keinen Geburtseintrag. So, und nun?

Ich habe da also einen toten Mann im Keller, von dem seine Lebensgefährtin glaubt, er heiße Bruno Soundso und unter diesem Namen ist er nirgendwo registriert. Ich mein, okay, welche Frau läßt sich von ihrem Freund denn schon beim Kennenlernen den Ausweis zeigen? Und hinterher hat Bruno offenbar einige rührende Geschichten erzählt, die der Frau plausibel machten, warum er keine Papiere hat. „Ansonsten hat ja alles funktioniert“, sagt Elisabeth. „Der ist immer mal wieder arbeiten gegangen, hat sich um die Kinder gekümmert, geputzt, gewaschen, alles eben. Bei uns das war eine ganz normale Familie.“

Ich bleibe skeptisch: „Aber irgendwann mußte der doch auch mal zu Arzt, spätestens dann wäre doch die Krankenkassenfrage zu klären gewesen.“

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„Nö, Bruno war nie krank, wenn er mal was hatte, hat der sich in der Apotheke was gekauft.“

„Ist Ihnen das nicht komisch vorgekommen, daß der gar keine Papiere hatte?“

„Nö, das war mir so gar nicht bewusst. Mein Gott nochmal, man fragt doch seinen Mann nicht ständig nach Urkunden oder Papieren. Daß er keinen Ausweis hatte, war mir klar, aber da hat er immer gesagt, daß er da Gras drüber wachsen lassen will und sich dann mal irgendwann einen neuen holt.“

Tja, wir wissen nicht, was Bruno dazu bewegt hat, so zu leben, aber jetzt haben wir ein Problem.
Gut, das Standesamt macht keine unnötigen Zicken, wir bekommen sogar eine vorläufige Bestattungsgenehmigung. Aber mir ist die Sache zu heikel, ich glaube, es wird das Beste sein, wenn man die Polizei einschaltet.

Und schon ist man als Bestatter wieder in der Situation, daß man den schwarzen Peter hat. Neulich erst wurde ein Fall ziemlich aufgebauscht, in dem eine Familie sich nach dem Beratungsgespräch gegen einen Bestatter entschieden hatte. Gut, sowas passiert, es ist schließlich ein Geschäft zwischen Kaufmann und Kunden und da haben beide Parteien das Recht, dieses Geschäft dann doch nicht eingehen zu wollen und sei es nur, weil der Bestatter weiße Socken anhatte oder denen sein Rasierwasser nicht gefiel.
In diesem Fall war das aber so, daß dem Bestatter am Leichnam etwas aufgefallen war, was für ihn mit den natürlichen Zeichen des Todes nicht vereinbar war. Wir alle wissen, wie oberflächlich manche hausärztliche Leichenschau ist und wenn der Bestatter nur den geringsten Zweifel hat, muss, muss, muss er die Polizei verständigen.
Das tat dieser Bestatter auch und nun wird ihm das als ungerechtfertigter Racheakt für den entgangenen Auftrag ausgelegt.
Ich weiß nicht, wer in diesem speziellen Fall Recht hat oder nicht, aber ein Bestatter hat in solchen Fällen doch immer die Arschkarte gezogen, um es mal deutlich zu sagen.
Die Familien sind daran interessiert, daß die Bestattung schnell, reibungslos und feierlich vonstatten geht und dann kommt der Verstorbene auf einmal zum Aufschneiden in die Rechtsmedizin und ihnen werden unangenehme Fragen gestellt. Möglicherweise kommt ja gar nichts dabei heraus und die Vermutungen des Bestatters gingen ins Leere. Aber wer, wenn nicht die Letzten, die den Verstorbenen noch einmal sehen, soll denn dann überhaupt noch aufmerksam sein?
Eine Gratwanderung!

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#bruno

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