Elisabeth hat keine Papiere von Bruno. Man kann nun wirklich nicht sagen, daß die Frau einen dummen Eindruck macht, aber in Bezug auf ihren Bruno ist sie einfach blauäugig, soviel steht fest. Es steht allerdings nicht fest, wer Bruno eigentlich ist. Er soll in einer Stadt bei Bremen geboren worden sein, dort gibt es aber unter diesem Namen keinen Geburtseintrag. So, und nun?
Ich habe da also einen toten Mann im Keller, von dem seine Lebensgefährtin glaubt, er heiße Bruno Soundso und unter diesem Namen ist er nirgendwo registriert. Ich mein, okay, welche Frau läßt sich von ihrem Freund denn schon beim Kennenlernen den Ausweis zeigen? Und hinterher hat Bruno offenbar einige rührende Geschichten erzählt, die der Frau plausibel machten, warum er keine Papiere hat. „Ansonsten hat ja alles funktioniert“, sagt Elisabeth. „Der ist immer mal wieder arbeiten gegangen, hat sich um die Kinder gekümmert, geputzt, gewaschen, alles eben. Bei uns das war eine ganz normale Familie.“
Ich bleibe skeptisch: „Aber irgendwann mußte der doch auch mal zu Arzt, spätestens dann wäre doch die Krankenkassenfrage zu klären gewesen.“
„Nö, Bruno war nie krank, wenn er mal was hatte, hat der sich in der Apotheke was gekauft.“
„Ist Ihnen das nicht komisch vorgekommen, daß der gar keine Papiere hatte?“
„Nö, das war mir so gar nicht bewusst. Mein Gott nochmal, man fragt doch seinen Mann nicht ständig nach Urkunden oder Papieren. Daß er keinen Ausweis hatte, war mir klar, aber da hat er immer gesagt, daß er da Gras drüber wachsen lassen will und sich dann mal irgendwann einen neuen holt.“
Tja, wir wissen nicht, was Bruno dazu bewegt hat, so zu leben, aber jetzt haben wir ein Problem.
Gut, das Standesamt macht keine unnötigen Zicken, wir bekommen sogar eine vorläufige Bestattungsgenehmigung. Aber mir ist die Sache zu heikel, ich glaube, es wird das Beste sein, wenn man die Polizei einschaltet.
Und schon ist man als Bestatter wieder in der Situation, daß man den schwarzen Peter hat. Neulich erst wurde ein Fall ziemlich aufgebauscht, in dem eine Familie sich nach dem Beratungsgespräch gegen einen Bestatter entschieden hatte. Gut, sowas passiert, es ist schließlich ein Geschäft zwischen Kaufmann und Kunden und da haben beide Parteien das Recht, dieses Geschäft dann doch nicht eingehen zu wollen und sei es nur, weil der Bestatter weiße Socken anhatte oder denen sein Rasierwasser nicht gefiel.
In diesem Fall war das aber so, daß dem Bestatter am Leichnam etwas aufgefallen war, was für ihn mit den natürlichen Zeichen des Todes nicht vereinbar war. Wir alle wissen, wie oberflächlich manche hausärztliche Leichenschau ist und wenn der Bestatter nur den geringsten Zweifel hat, muss, muss, muss er die Polizei verständigen.
Das tat dieser Bestatter auch und nun wird ihm das als ungerechtfertigter Racheakt für den entgangenen Auftrag ausgelegt.
Ich weiß nicht, wer in diesem speziellen Fall Recht hat oder nicht, aber ein Bestatter hat in solchen Fällen doch immer die Arschkarte gezogen, um es mal deutlich zu sagen.
Die Familien sind daran interessiert, daß die Bestattung schnell, reibungslos und feierlich vonstatten geht und dann kommt der Verstorbene auf einmal zum Aufschneiden in die Rechtsmedizin und ihnen werden unangenehme Fragen gestellt. Möglicherweise kommt ja gar nichts dabei heraus und die Vermutungen des Bestatters gingen ins Leere. Aber wer, wenn nicht die Letzten, die den Verstorbenen noch einmal sehen, soll denn dann überhaupt noch aufmerksam sein?
Eine Gratwanderung!
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: bruno
Eine Frage stellt sich bei mit!
Wiso stellt der Arzt eigentlich einen Totenschein aus, ohne irgendwelche Dokumente gesehen zu haben?
Genau, wer zahlt denn den „Einsatz“ des Arztes, wo Bruno ja keine Krankenkasse vorweisen kann?
Moral sollte doch noch immer vor dem Geschäft kommen
Gibts da bei Bruno nicht mal wenigstens einen Führerschein? *wunder*
@Jan: In der regel verlassen sich die Ärzte auf die Angaben der anwesenden Angehörigen.
wer weiss was für ein mensch bruno wirklich ist … könnt ein schwerkrimineller sein, schließlich muss man ja nicht seine eigene existenz vernichten weil ein freund den ausweis missbraucht hat
@Magic Volker: Die Leichenschau zahlt die Krankenkasse sowieso nicht. Das liquidiert der Arzt direkt bei den Hinterbliebenen. Tod ist nunmal keine Krankheit, sagen die Kassen.
@Björn:
Bei Dir hatte es sich doch geklärt. War das nicht die Kiste aus dem Bio-Laden?
Vielleicht ist Bruno ja ein Dessateur (früher mal in einer Fremdenlegion) und hat Angst, erwischt zu werden.
Ja, das Problem mit der Gratwanderung kenne ich. Bei mir geht es zwar nicht um Menschenleben, aber doch kürzlich erst um die Frage: Gutgläubig sein oder die Polizei einschalten. Hat die Kundin die Leergutmengen nun irgendwo gestohlen oder hat sie dieses Sammelsurium wirklich ganz legal irgendwo im Keller stehen? Schwierig, sehr schwierig. Man könnte eine Kundin vergraulen oder man muss mit dem schlechten Gewissen leben.
Sicherlich ist die Dame blauäugig an die Sache herangegangen. Allerdings klingt es auch nicht so, als hätte der Mann sich etwas bei ihr zu schulden kommen lassen. Im Gegenteil, er hat sich um die Familie gekümmert und war anscheinend ein prima Lebenspartner für seine Frau, der während seines Lebens bei ihr keine krummen Geschäfte machte. Insofern ist es doch tragisch, was jetzt vielleicht noch alles ans Licht kommt.
So wie er sich ihr gegenüber offensichtlich verhalten hat, fällt es mir schwer zu sagen, er hätte eine zweite Chance nicht verdient.
Möglicherweise hatte er große Schulden und ist abgetaucht. Als die Möglichkeit der privaten Insolvenz aufkam, hatte er sich schon so im neuen Leben eingerichtet, daß eine Regelung der Verhältnisse ihm zu kompliziert war.
Wie konnten die denn ohne Papiere heiraten?
Spannend an der Sache finde ich den Aspekt der totalen „Papierlosigkeit“: Kein Amt hat Dich erfasst, keine Versicherung will unnötiges Geld von Dir und die ARD will auch keine Gebühren. Du bekommst keine Spams und keine blödsinnige Werbung in den Briefkasten. Manchmal wünschte ich mir das auch sehr…
LG middendorf
@DerTim: woraus schliesst du, dass die beiden verheiratet waren?
Dennoch bin ich tierisch gespannt, wie es jetzt weiter geht….
Kann die Identität geklärt werden? Schließlich ist es das reale Leben und nicht CSI, wo man die Fingerabdrücke 10 Sekunden durch den Rechner laufen lässt und schon spuckt der alle Daten aus.
Und wenn die Identität geklärt werden kann, was kommt da raus? Hatte der Mann im „alten“ Leben vielleicht Frau und Kind, die sich jetzt melden werden?
Irgendwie beschleicht mich das ungute Gefühl, dass die Frau da nicht großartig weiterbohren sollte. Wer weiß, was da zum Vorschein kommt.
Eine ähnliche Geschichte gabs vor Jahren mal in irgend einem alten Tatort. Da war der namen- und papierlose Tote ein hoch verschuldeter Mann, der diverse Kredite laufen hatte und nicht zurück zahlen konnte oder wollte. Er verschwand eines Tages, vernichtete sämtliche Papiere in der Annahme, irgendwann werde schon Gras über die Sache wachsen. Mal sehen, ob das in eine ähnliche Richtung gehen wird. Hoffentlich hat Tom bald Zeit und Muße für die Fortsetzung (*suggerier*)… 🙂
Gut, du kennst die Bochumer WAZ vom Dienstag also schon, dann brauche ich das nicht noch rüberschicken…
Zum nachlesen hier die Entprechung aus der WR (der WAZ-Artikel ist nicht online…)
http://www.derwesten.de/nachrichten/wr/westfalen/2007/12/11/news-10225944/detail.html
Ich bin auch gespannt wie das endet. Bruno wäre nicht der Erste gewesen, der sich perfekt und professionel aus der Affäre ziehen konnte. Leider fallen da sehr viele einsame Frauen drauf rein. Ich bin gespannt wie´s weitergeht
Gruss aus dem Bergischen Land
Na, daß da jetzt einer eine einsame Frau ausgenutzt hat, würd ich mal nicht gleich behaupten. Immerhin hat die Familie „funktioniert“ und er war anscheinend ein guter Mann und Vater. Daß die Dame über die lange Zeit etwas blauäugig war, kann man nicht abstreiten. *kopfschüttel* Papiere brauch man nicht, geht auch so…
„vorläufige Bestattungsgenehmigung“
Wie darf man sich das vorstellen? Bruno darf erstmal beerdigt werden, sollte das Standesamt zu einer anderen Überzeugung kommen muss er wieder ausgebuddelt werden?
fankt ist eines, in seinem fast 30-jährigen leben hat er wohl ne ganze menge erlebt, der bruno. bin auf die fortsetzung gespannt.
am Ende ist Bruno noch ein schwerreicher ehemaliger Schlagerstar, der einfach nur anonym in Ruhe leben wollte…. 😉
Ah! Bruno ist Elvis! Jetzt kommt’s ans Licht.
Da werden nach Feststellung seiner Identität durch Untersuchung der DNA und der Fingerabdrücke einige ungeklärte Fälle abgeschlossen werden. Aber sonst war er lieb.
@middendorf: Vor Spam bist du auch nicht geschützt wenn es dich nicht gibt 😉