Allgemein

Controletti

Der Mann ist von der Kontrollstelle (ich sag jetzt mal nicht von welcher) und macht eine unangekündigte Betriebsbegehung. Die Themen Arbeitssicherheit stünden ganz oben auf der Prioritätenliste und in diesen Tagen müsste mehrere Betriebe unserer Branche mit solchen Kontrollen rechnen.

Gleich am Eingang der Mitarbeitertoilette fällt ihm eine böse Stolperfalle auf. Die Messingleiste, die den gefahrlosen Übergang vom gekachelten Boden zum Teppichboden gewährleisten soll, steht einen gute Millimeter hoch und das geht ja nun gar nicht.

Werbung

„Gut“, sage ich, „die schrauben wir dann noch etwas besser fest.“

Der Kontrolleur nickt, schreibt und meint, das sei aber nicht so schlimm, deswegen würde er noch nicht einmal wiederkommen.
Ah ja.

Ansonsten findet er hier eine Kleinigkeit, dort eine Kleinigkeit, da ragt der Ast einer Pflanze in Augenhöhe hervor, das könne gaaaaanz gefährlich werden und dort könne man eventuell noch die Türklinke gegen eine austauschen, die noch mehr umgebogen ist, damit sich im Brandfalle, bei der Flucht dort niemand aufspießt.

Wir fahren in den Keller, dort befindet sich unser Lager, die Wagenhalle und die gesamte technische Abwicklung.
Der Wichtige entdeckt sofort einen Bodenabfluss, bei dem die Einzementierung ringsherum gebrochen ist. Und während er mir abermals erklärt, er komme deshalb nicht wieder, aber das müsse gemacht werden, fällt mein Blick auf einen Feuerlöscher an der Wand.

Ich schwöre, in all den Jahren ist es keiner Sau aufgefallen, daß dieser eine Feuerlöscher, einer von vielleicht einem Dutzend da unten, Brandschutzklasse C ist. Ich bin kein FeuerwehrExperte, aber es steht ganz deutlich drauf, daß Klasse C nur für gasförmige Stoffe geeignet ist. Da wird aber Holz, Stoffe und Papier lagern, benötigen wir eigentlich lauter Feuerlöscher Klasse A.

Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo dieser C-Löscher herkommt und seit wann der da hängt. Ich notiere innerlich, daß ich unbedingt beim nächsten Besuch unseres Feuerlöschermannes nachfragen muß. Für sowas ist dieser Herr Schlafberger verantwortlich. Herr Schlafberger ist Feuerlöscherrevisor, lebt davon, daß er bei allerlei Betrieben und Haushalten regelmäßig die Feuerlöscher kontrolliert, ggfs. austauscht und dann sein Kontrollsiegel draufklebt. Ich habe das mal durchgerechnet: Würden wir die Löscher jedes Jahr wegwerfen und uns neue aus dem Baumarkt kaufen, kämen wir unterm Strich billiger. Aber erstens ist Herr Schlafberger nett und zweitens habe ich durch seine Kontrollen irgendwie immer ein besseres Gefühl.

Ob der uns den Löscher Klase C hingehängt hat? Keine Ahnung.

Der Oberchefkontrolleur hat seine Arie bezüglich des Zements am Bodenabfluß zu Ende gesungen und läßt seinen Blick schweifen. Dort entdeckt er an einem Regal eine scharfe Kante, die abgeklebt werden soll und ich stelle mich mal sicherheitshalber zwischen ihn und den Feuerlöscher. Hoffentlich entdeckt er den nicht, denn dann kommt er vielleicht doch wieder.

Ich gucke ganz angestrengt in die andere Richtung und hoffe, daß er meinem Blick folgt, doch der Controletti läßt sich nicht foppen. Zielsicher schaut er an mir vorbei, sieht den Feuerlöscher und jubiliert: „Ja, was haben wir denn da?“ Und er wiederholt: „Ja, was haben wir denn da!“

Ich will schon tief Luft holen und erklären, daß der Löscher noch heute gegen einen geeigneteren ausgetauscht wird, da schnalzt der Kontrolleur mit der Zunge und sagt mit gönnerhaftem Unterton: „Ja ja, das haben Sie selbst schon bemerkt, nicht wahr?“

Ich nicke verschämt und er belehrt mich: „Sehen Sie, Sie wissen also genau, daß der Löscher viel zu hoch hängt, da kann man sich, wenn man hier um die Ecke kommt, böse den Kopf dran stoßen. Den hängen Sie dann bitte tiefer, ne?!“

Gut, machen wir, aber ob der dann besser löscht?

Nachtrag 1: Alles in allem keine nennenswerten Beanstandungen, der Kontrolleur kommt nicht wieder. Gut so.

Nachtrag 2: Nach einem Gespräch mit unserem Technikleiter und Herrn Schlafberger stellt sich heraus, daß der Löscher vermutlich vom Vorgänger des Herrn Schlafberger mit der Firma gegenüber vertauscht worden sein muß. Das Ladenlokal schräg gegenüber, wo zuletzt kurzzeitig mal die „Pietät Eichenlaub“ eingezogen war und wo jetzt „Die bunte Zahnfee“ mit einem Kinderklamotten-Second-Hand-Laden drin ist, hatte nämlich früher den selben Revisor wie wir. Herr Schlafberger meint aber, wir könnten den C-Löscher einfach da abhängen, wir hätten auch so genug.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

Schlagwörter:

Allgemein

Die Artikel in diesem Weblog sind in Rubriken / Kategorien einsortiert, um bestimmte Themenbereiche zusammenzufassen.

Da das Bestatterweblog schon über 20 Jahre existiert, wurde die Blogsoftware zwei-, dreimal gewechselt. Dabei sind oft die bereits vorgenommenen Kategorisierungen meist verlorengegangen.

Deshalb stehen über 4.000 Artikel in dieser Rubrik hier. Nach und nach, so wie ich die Zeit finde, räume ich hier auf.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 14. April 2008 | Revision: 28. Mai 2012

Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle journalistische Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bittet das Bestatterweblog um Ihre Hilfe. Es fehlen in diesem Jahr noch etwa € 8.500,- um den Server, IT, Redaktion und um die anderen Kosten zu decken. Bitte beschenken Sie uns mit einer Spende, sonst müssen wir in Zukunft die meisten Artikel kostenpflichtig bereitstellen. Das wäre schade, auch weil das weitere unkreative Arbeiten erfordert, die wir zeitlich kaum stemmen wollen. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
14 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Andy
16 Jahre zuvor

Uh…
…Arbeitsschutzbegehungen.

Immer dran denken: Nicht unter schwebende Lasten treten, Sicherheitsschuhe und Helm tragen und die Fahrwege für Gabelstapler nicht blockieren.

Shefox
16 Jahre zuvor

Oh, an diese Kontrollen kann ich mich auch noch gut erinnern. Bei uns kam jedes Jahr ein Kontrolleur für die Grossküche in einem Altersheim. Unsere Cheffin fing ihn immer im Flur ab und rief dann immer ganz laut: „Schönen guten Tag Herr XYZ!“ Das war für uns dann das Zeichen mit Unmengen an Bettlaken bewaffnet durch die Küche zu flitzen und jede noch so kleine Platte mit Lebensmitteln damit abzudecken. Unser Kühlhaus war einfach nicht gross genug um alle angerichteten Sachen für die 10 Minuten, die es bis zur Ausgabe des Essens dauerte, reinzuschieben. Das war auch kein Problem, nur abgedeckt mussten sie halt immer sein. Wenn man aber gerade dabei ist, eine Wurstplatte anzurichten, hat man die logischerweise offen stehen und fummelt nicht unter einem Laken rum um die Garnierung drauf zu bringen. Und jedes Jahr hat der gute Herr XYZ die gleichen baulichen Dinge bemängelt, die müssten UNBEDINGT SOFORT erledigt werden. Er kam im nächsten Jahr wieder, schrieb sie wieder auf und kam im drauffolgenden Jahr wieder, und schrieb sie wieder auf…Schien letztenendes… Weiterlesen »

powermax
16 Jahre zuvor

Bei solch eklatanten Sicherheitsmängeln SOFORT zumachen die Bude – sofort!
Unverantwortlich, wie hier versucht wird, Mitarbeiter zu Kunden zu machen. ts ts… *kopfschüttel*

jotwe
16 Jahre zuvor

Habt Ihr eigentlich auch Hochsicherheits-Särge mit Innen- und Außenairbag und gepolsterten Kanten, damit so ein Controletti auch seine letzte Reise mit der gebotenen Vorsicht und Sicherheit antreten kann?

16 Jahre zuvor

Hehe, sei froh das du nichts mit dem VAI (Verkehrsarbeitsinspektorat) hier in Österreich zu tun hast.

Die haben tlw. sehr eigene Ansicht und verlangen auch ab und zu mal was, was es nicht gibt. 😀

Werner
16 Jahre zuvor

Zur Prüfung von Feuerlöschern kann ich auch etwas beitragen. Geschehen in Rußland etwa 1975. Eines Tages erschien an unserem Arbeitsplatz (eine Schmiede) eine Kommission von vier oder fünf Leuten in schweren dicken Feuerwehrmänteln. Die marschierten durch die Halle und griffen sich jeden Feuerlöscher und prüften ihn. Diese Feuerlöscher waren von einem Typ, der in Deutschland schon lange verschwunden ist. Das Gehäuse ist kegelförmig, unten breit, nach oben spitz zu laufend. Die Spritzdüse ist oben, gestartet wird das Ding durch Aufschlagen auf den Boden. Dadurch wird innen eine Glasröhre zerstört, das drin enthaltende Mittel reagiert mit dem Wasser des Löschers, es baut sich Druck auf und dann „Wasser Marsch“. Die Prüfung ging also so vonstatten, daß der Obermacker den Löscher auf den Boden aufschlug, den Abzug betätigte, Wasser spritzte raus, zufriedenes Nicken, ein Strich auf der Liste, Löscher zurück in die Halterung und weiter zum Nächsten. Auf diese Weise wurde innerhalb kürzester Zeit die Löschkapazität der Firma auf Null gefahren. – Ich hätte da noch Geschichten über das Prüfen von Kacheln oder das Prüfen von Sicherungen… Weiterlesen »

muzz
16 Jahre zuvor

Während meiner Wehrdienstzeit kam kurz vor ner großen Fahrzeug-Inspektion mal ne Anforderung für ziemlich viel Farbe (hauptsächlich grüne) aus ner untergeordneten Einheit…

alfred
16 Jahre zuvor

Und wenn sich Frau Büser nun im Brandfall an der wenig gebogenen Türklinke aufspießt? Nun gut, evtl. löscht ihr herumspritzendes Blut das Feuer, aber Ärger ist doch garantiert.
Die Leute machen doch auch nur ihren Job, und eigentlich ist es doch völlig OK auf solche Kleinigkeiten hinzuweisen.

Gibt es eigentlich feuerfeste Särge? Und wie verhalten die sich wohl im Krematorium?

16 Jahre zuvor

Was wünsche ich mir, dass bei uns mal so einer auftauchte – aber wegen einer Angestellten kommt da keiner (bzw. es war mal einer da, der nur gefragt hat, welcher Angestellte dafür zuständig ist, mein Chef (bei Chefin pro forma angestellt hat sich freiwillig gemeldet und gut war.) Aber die Unordnung in unserem Lager, Stolperfallen wo man hintritt (ständig Kisten mitten im Weg, wo tags zuvor noch nichts stand…) ist nicht feierlich – und ich hab keine Zeit das alles ständig zu bereinigen. Von den unbequemen Bürostühlen (Vollholz ohne Polster o.ä. – sowas wie eigentlich in eine Küche von 1970 gehört) mal abgesehen (nur ich ahb einen „offiziellen“ Bürostuhl, nur arbeite ich nicht nur an dem einen Arbeitsplatz… Bestimmte Arbeitshandgriffe ließen sich sicher auch rückenschonender gestalten – aber dafür ist kein Platz… Naja, sonst ists ja ganz nett – aber dieses Chaos *seufz* … Sinn für Ordnung hat in dieser Firma leider niemand. Aber wehe, ich will mal was am Arbeitsablauf ändern… nein, DAS muss so bleiben… wegen der Ordnung *lol* Irgendwann muss ich mir… Weiterlesen »

16 Jahre zuvor

Naja ich hatte ehr sowas erwartet: „Also so einfach Leichen im Haus zu haben das geht gar nicht!“

Thomas79
16 Jahre zuvor

Teilweise ist das aber gar nicht falsch, z.B. die Sache mit der Pflanze. Ein nicht geringer Teil schwerer Augenverletzungen hier in Deutschland wird verursacht durch – Yuccapalmen…

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Wenn es die Kontrolleure nicht gäbe, dann würde niemand auf Sicherheitsvorschriften achten. Es käme billiger. Hier kann man sparen. Dafür stiege warscheinlich die Versicherungsprämie bei der BG um ein Mehrfaches. Hier kann man schimpfen.

sarc
16 Jahre zuvor

Herrliche Geschichte. Und erinnert mich an diese (ebenso herrliche) Schilderung: http://www.daujones.com/detail.php?usrid=6896

martin
16 Jahre zuvor

gut in erinnerung geblieben ist mir auch die schreckliche stolperfalle in form einer 1cm hohen schwelle in der tür unseres labors!
die musste sofort entfernt werden! der hinweiss, dass die so seit 30 jahre besteht und es noch zu keinem unfall gekommen sei und auch der hinweiss, dass es sich um einen massiven träger handele, der nicht, ohne die gesammte statik des hauses zu gefärden, entfernt werden könne, änderten nichs! wir haben es dann drauf ankommen lassen und dem nächsten kontolleur fiel es dann auch nicht weiter auf! der hat sich dann lieber über die seife auf unserer toilette ausgelassen!




Rechtliches


14
0
Was sind Deine Gedanken dazu? Kommentiere bittex