Sterben + Trauer

Danke dass Sie ihr Rohr blasen lassen

Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Akribie viele Menschen die Beerdigung planen. In meiner Familie waren wir eigentlich immer darauf bedacht, diesen Tag möglichst schnell und ohne großes Brimborium hinter uns zu bringen. Bei manchen deiner Kunden habe ich das Gefühl, das wäre der große Tag in ihrem Leben, an dem alles perfekt sein muß und den bereits die Schattierung der Blumen vollends ruinieren könnte. Bei einer Hochzeit kann ich das ja noch begrenzt verstehen. Aber einen Verstorbenen will ich nur würdevoll unter die Erde bringen und da häng ich mich nicht dran auf, wenn die spargelfarbenen Tulpen nun altschneeweiße Rosen waren. Ich seh das wohl etwas zu profan…

Möglicherweise hat sich in diesem Bereich das Anspruchsdenken in den letzten Jahren auch etwas geändert. Wir stellen zunehmend fest, daß die Menschen sehr kritisch sind und penibel genau auf die Ausführung achten.

Neben dem Anspruchsdenken hat das aber auch etwas mit dem Rechnungsschock zu tun. Jeder in der Branche (und in anderen Branchen) kennt das nur zu gut: Kommt die Rechnung, wird händeringend nach irgendeinem Mangel gesucht, der dann einen saftigen Abschlag oder gar das Nichtzahlen rechtfertigen soll.

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An der Tatsache, daß Bestattungen heute sehr viel individueller gestaltet werden, haben aber nicht zuletzt auch die Bestatter selbst mitgewirkt. Wir zumindest versuchen, ähnlich einem Weddingplanner bei Hochzeiten, diese Familienfeier so perfekt und persönlich wie möglich zu gestalten.
Man darf nicht vergessen, daß für viele Familien eine Trauerfeier sogar einen höheren Stellenwert hat, als eine Hochzeit. Heiraten kann man theoretisch beliebig oft, das Sterben hat etwas Endgültiges und die Emotionen sind sehr viel schwertragender. Eine Heirat hat etwas Leichtes, Fröhliches und feiert den Start in eine glückliche Zukunft, von der jeder der Feiernden hofft, daß er noch ein Stück weit diesen Weg begleiten kann.
Das Begleiten bei einer Beerdigung beschränkt sich oft auf diesen einen Tag, diesen einen Weg und deshalb muß alles aus unserer Sicht perfekt sein, der Akt ist nicht wiederholbar, Fehler kaum wiedergutzumachen. Geht bei einer Hochzeit irgendetwas schief, ist das oft für die Betroffenen auch eine Katastrophe, aber man kann wenigstens den Versuch unternehmen, es hinterher durch eine passende nette Geste wieder geradezurücken. Bei Trauerfeiern ist das sehr viel schwieriger.
Die Beschwingtheit einer Hochzeit zum Beispiel lässt auch schneller mal über eine kleine Panne hinwegsehen, als das bei den ohnehin traurigen Anlässen der Fall ist, mit denen wir es zu tun haben.

In vielen Familien sind Beerdigungen oft die einzigen Anlässe zu denen so viele Bekannte und Verwandte zusammenkommen und deshalb möchten auch die Angehörigen, daß alles möglichst alles absolut perfekt abläuft, damit man auch bei den Gästen einen guten Eindruck hinterlässt.

Recht plakativ sage ich immer: Die Leute wohnen schon 20 Jahre in einem Wohnzimmer, dessen Wohnzimmerschrank einen 30 cm langen Kratzer hat. Wenn aber am Sarg nur die kleinste millimetergroße Schramme ist, flippen manche geradezu aus.

Die häufigsten Punkte, die Anlass zu großem Ärger bringen sind in der Reihenfolge der „Wichtigkeit“:

1. Farbe der Blumen
2. Textfehler in Anzeigen
3. Ansprache des Pfarrers
4. Sarg

Für mich persönlich sind Blumen dann schön, wenn sie mir gefallen und wenn das Sarggesteck z.B. eine schöne Form und Gestaltung hat. Ob das nun zimtrotbraun oder vanilleschotenbeige ist, wäre mir eigentlich wurstegal.

Textfehler in Zeitungsanzeigen kommen leider viel zu oft vor. Offenbar liest bei den Zeitungen niemand mehr die Anzeigen gegen, bevor sie gedruckt werden. So kommt es dann zu einem „Hans“ statt einem „Franz“ und aus dem „1.FCK“ wird dann der „1.FKK“ oder aus dem Satz: „Die Beerdigung findet auf dem Hauptfriedhof statt“ wird dann eben mal „Die Beerdigung finden auf dem Hauptbahnhof statt. Aus einer Trauerfeier wird eine Tauffeier und es wurde auch schon einmal gebeten „von Blumen- und Organspenden abzusehen“.
In einer Danksagung wurde „ganz herzlich dem Herrn Pfarrer XYZ für seine einfühlsamen Worte und dem Onanist Herrn ABC für sein schönes Orgeln“ gedankt.
(Ob letzter Fehler durch die Zeitung oder die Angehörigen verursacht wurde, weiß ich nicht mehr. Aber es können durchaus die Angehörigen gewesen sein, denn wir sehen häufig Entwürfe in denen insbesondere der Organist und der Pfarrer wortvergewaltigt werden. Zum Beispiel wollte mal eine Familie schreiben lassen: „Wir danken Herrn XY für das Blasen seines Gerätes“. Ein Witwer hatte mal getextet: „Ich danke dem Pfarrer für sein Gerede und dem Herrn Doktor XYZ für seinen Einsatz bis in den Tod. Dank auch an den Pflegedienst ‚Eusebius‘ für die Pflegung meiner selbstlosen Frau und ich danke auch dem Bestattungshaus XYZ das meine Frau so ansehnlich hingerichtet hat.“
Wir haben dann aus dem letzten Beispiel gemacht: „Ich danke Herrn Doktor XYZ und dem Pflegedienst ‚Eusebius‘ für den selbstlosen Einsatz bei der Pflege meiner Frau. Dank auch an den Herrn Pfarrer für seine trostreichen Worte und dem Bestattungshaus XYZ für die tadellose Betreuung.“)

Selbst Fehler, die das Bestattungshaus gar nicht verursacht oder verschuldet hat, die nichtmal im Geringsten in der Verantwortung des Bestatters liegen, werden diesem aber oft angelastet. Da kann der Organist sich verspielt haben, die Sargträger der Stadtverwaltung sind zu schnell gelaufen, der Pfarrer hat einen Niesanfall, egal was, es ist immer der Bestatter Schuld!

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an ein Vorkommnis, das sicherlich schon 17 Jahre zurückliegt. Damals bekam der Pastor während seiner Ansprache heftiges Nasenbluten. Shit happens! Er hat dann sein Taschentuch hervorgekramt, kurz einen entschuldigenden Blick in die Runde geworfen und sich abgewandt um die Blutung zu stillen. Der Organist war so geistesgegenwärtig und hat ein Lied gespielt.
Das Theater, das die betroffene Familie dann am nächsten Tag veranstaltet hat, kennt kein Beispiel! Man hat sich sogar beim zuständigen Bischof über diesen Pfarrer beschwert und sich sogar in die Behauptung verstiegen, es sei sowieso auffällig gewesen, daß der Pfarrer so eine rote Nase habe, was wohl eindeutig auf zu großen Alkoholgenuß zurückzuführen sei.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#blasen #danke #dass #lassen #rohr

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(©si)