Auf einem Dorffriedhof hier in der Nähe liegt das Grab der Zigeunerkönigin. Und bevor mich jetzt wieder ein politisch Korrekter steinigt, ich kann nichts dafür, daß das Grab so heißt, so steht es nämlich auf dem Grabstein. Seit 1953 besteht dieses Grab und es wird auch noch einige Jahrzehnte weiterbestehen, es wurde erst unlängst auf weitere 40 Jahre verlängert.
Ich kenne mich bei den Sinti und Roma zu wenig aus, um da mitreden zu können, aber alle paar Jahre trifft eine größere Zahl von Familien mit großen PKW und Wohnwagen auf dem Dorfanger ein, bleibt dort einige Tage und besucht die Grabstätte auf dem Friedhof. Das führte nur in einem Jahr zu größeren Problemen, als einige der Familien nicht mehr abreisen wollten und es zu Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung und den hygienischen Verhältnissen auf dem Dorfplatz kam. Das war damals, vor rund 12 Jahren, ein Riesentheater, das die Dorfbevölkerung wochenlang in Atem hielt.
Für uns Bestatter sind die Angehörigen dieser Volksgruppen sehr gute Kunden, sie bestellen nahezu ausnahmslos sehr aufwendige Bestattungen. Die Familien legen zusammen und lassen sich die Bestattungen richtig was kosten. Kein Kaufmann wird sich ärgern, wenn die Kunden regelrecht mit Geld winken. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich gerne mal erzählen würde, bei der ich aber noch nicht den richtigen Tonfall gefunden habe (Stichwort: Schere im Kopf).
Zurück zum Grab der Zigeunerkönigin. Dieses Grab ist der Grund, aus dem hier in der Gegend viele Kinder gerne mit ihren Eltern auf den Friedhof gehen, wenn diese die Gräber ihrer Verstorbenen pflegen wollen. Die Kinder laufen dann nämlich immer zu eben diesem Grab, bleiben ein Stück weit entfernt stehen und pirschen sich dann mit ängstlichen Gesichtern langsam heran.
Dazu muß man wissen, daß es sich bei diesem Grab um eine unterirdische Gruft handelt, die über ein Rohr von außen belüftet wird. Dazu ragt mitten auf dem Grab ein gebogenes Rohr aus der Erde und irgendwann hat irgendwer mal erzählt, man könne in die Öffnung dieses Rohres etwas hineinsprechen und die Zigeunerkönigin gebe dann manchmal sogar Antwort. Man müsse aber ganz leise sein und ganz genau hinhören.
Ein Stoff, aus dem Geschichten sind, die Kinder faszinieren und natürlich will jedes Kind das einmal ausprobieren und so gehört dieses Grab zu den meistbesuchten auf dem ganzen Friedhof.
Ab und zu, so heißt es, gehen wohl auch ältere Leute, vor allem Frauen, dorthin und befragen das Orakel.
Es ist eine regelrechte Tradition geworden, dieses Grab in seinen Friedhofsbesuch mit einzubeziehen und mittlerweile hat die Gemeinde wohl sogar die Pflege des Grabes übernommen. Jedenfalls ist es immer in einem Top-Zustand und man sieht hin und wieder die Gemeindearbeiter bei Pflegearbeiten.
Vielleicht gehe ich auch mal wieder hin. So ein paar Fragen hätte ich noch.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: grab, königin
Also eine Art Orakel womöglich, das den Mutigen Mut macht, die Verzagten stärkt. Tolle Geschichte. Wie heißt das Dorf?
Schöne Sache, ist leider recht Selten, dass die Gemeinde auf solches ,,lokales Brauchtum“Rücksicht nimmt.
Aber warum bitte belüftet man eine Gruft?
Vor Jahren wurde unsere Gemeinde auch immer von Zigeunern (Sie wollten selbst so genannt werden) besucht. Alljährlich um die 3 Wochen im Jahr. Und in einem muss ich Tom recht geben. Sparsam sind die nicht.
Die kamen teilweise mit Wohnwagen die mehr qm haben als ne kleine Wohnung.
Ein Jahr haben sie gemeint sie müsste die Kneipe meiner Eltern als Stammkneipe heimsuchen für die 3 Wochen die sie da waren, und was soll ich sagen. 10er, 20er und 50er wahren für die Kleingeld. Ansonsten, nur dick 100er aufwärts in der Tasche. Das aber noch zu DM-Zeiten. Waren Umsatzstarke 3 Wochen….. Leider waren schon seit Jahren keine mehr bei uns in der Gemeinde.
Gleich noch passend zum Thema.
Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, kommt dieses Wochenende bei Ende gut alles gut auch eine Bestattung vor aus diesem Personenkreis.
Frankendorf?
Bei uns gibt es auch solche Gruften, die vor allem wegen ihrer farbenfrohen, jahreszeitlich passenden Dekoration (ganze Tannenbäume mit brennenden Lichterketten, Osterhasen usw.) ein beliebtes Ausflugsziel sind. Und an Allerheiligen stecken die Angehörigen den dort Bestatteten schonmal eine brennende Zigarette ins Lüftungsrohr und stellen ein Schnapsgläschen daneben – ein sehr netter Brauch…
Spannend, sowas hätte mich als Kind auch interessiert. leider war mein Dorf in dieser Hinsicht eher langweilig.
Ich musste gerade irgendwie ans Teletubbyland denken, da gibt es auch so ein Sprachrohr… 😉
Warum die Gruft belüftet wird?
Na, damit das Orakel nicht erstickt, ist doch logisch.
…und damit man es auch hört. Sonst müsste sich das arme Orakel ja die Lunge aus dem Leichnam schreien, um durch die 2 Meter Erde gehört zu werden 😀
Frankendorf habe ich auch gerade gefunden. Hmmm 🙂
Toll schwarztomantisch.
Kein Wunder, dass die Zigeunerkönigin noch Fragen beantwortet –
ich habe beim Googeln das hier gefunden:
http://historische-gasthaeuser.de/de/gasthaus/clips/pic_text_24.pdf
An solche Orakel glaube ich zwar nicht, doch wenn es hier so etwas gäbe, würde ich vorsichtshalber doch dran glauben. Man kann ja nie wissen. Vielleicht ist doch was dran?
Ich liebe Mythen.
Nach Geschichten wie die aus Rielasingen frage ich im Urlaub die Einheimischen oder in der Dorfbibliothek.
Bei uns wurde ein alter brüchiger Baum auf dem Friedhof gefällt. Er soll seit 18hundertirgendwann aus dem Grab eines Zigeunerkindes gewachsen sein.
@Mac Kaber:
Ich bin auch nicht abergläubisch – das bringt nur Unglück!
🙂
@Mac Kaber:
Klingt nach Alexandra: Erst das Grab des „Zigeunerjungen“ und dann „Mein Freund, der Baum, ist tot“. Wenn das mal nichts zu sagen hat.
Das singt inzwischen die Astrid Harzbecker. Und stimmlich sogar echt perfekt.