Geschichten

Das ist unser Haus!

Es ging ganz harmlos los. Zwei Brüder, beide etwa in den 40ern, und deren Ehefrauen waren zu mir gekommen, um den Todesfall ihrer Mutter anzumelden.
Damit man das Gespräch anschließend besser versteht, gebe ich den beiden Paaren mal die Namen Georg und Renate und Dieter und Monika.

Das Beratungsgespräch verlief ganz normal, bis es ziemlich am Ende zu der Frage kam, wer denn in welcher Reihenfolge in der Todesanzeige in der Zeitung aufgeführt wird.

„Wie macht man das denn normalerweise?“ fragte eine der Schwiegertöchter.

Werbung

„Üblich ist es, dem Alter nach zu gehen, manche machen es auch alphabetisch und in besonderen Fällen weicht man auch von diesen Regelungen ab“, sagte ich und ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was ich damit auslösen würde.

„Georg, du bist der Ältere, also stehst Du ganz oben“, sagte seine Frau Renate. Sein Bruder Dieter nickte und damit wäre die Sache ja zu Ende gewesen. Ich hätte aufgeschrieben:


In stiller Trauer:

Georg und Renate M.
Dieter und Monika M.
sowie alle Verwandten, Freunde und Bekannten

„Moooooment!“ meldete sich nun Monika zu Wort: „Warum eigentlich? Der Mann hat doch gesagt, daß man in besonderen Fällen auch davon abweicht.“

‚Der Mann‘ das bin ich und der Mann sagte: „Ja, das macht man zum Beispiel in Fällen, in denen eines der Kinder ein ganz besonderes Verhältnis zur Verstorbenen hatte….“
Weiter kam ‚der Mann‘ nicht, denn nun fiel ihm Renate ins Wort und meinte: „Das waren ja wohl wir! Wir haben Mutter bis zuletzt gepflegt und demnach steht uns das zu.“

„Und das Haus, nicht wahr?“ wandte Schwägerin Monika ein, lehnte sich spöttisch lächelnd zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wie? Das Haus?“ fragte nun ihr Mann Dieter und Monika erklärte ihm: „Die haben schon ihr ganzes Zeug ins Haus geschafft.“

Renate fingerte nervös an den Unterlagen herum, die vor ihr lagen und erwiderte: „Das sind doch nur ein paar Sachen. Mutter ist es doch so schlecht gegangen und da haben Georg und ich ein paar Tage in Mutters Haus geschlafen, da brauchen wir doch Sachen.“

„Ach? Auch Möbel?“

Die beiden Männer schauen sich mit großen Augen an, dann erklärt Georg seinem Bruder Dieter, daß er grundsätzlich mal davon ausgehe, daß er mit seiner Frau Renate ganz sicher in das Haus der Mutter einziehen werde.
Das sahen aber Dieter und Monika ganz anders. Beiden Paaren war wohl klar, daß sie sich das Erbe werden teilen müssen, aber beide Paare glaubten eben auch, diejenigen zu sein, die das andere Paar auszahlen würden.

„Sie, sagen sie doch auch mal was!“ fordert mich Monika nun auf, doch ich mache nur eine abwehrende Handbewegung. So wendet sie sich Renate zu: „Und du willst Mutter gepflegt haben? Das wird ja wohl der Pflegedienst gemacht haben, während ihr Mutters Schränke nach Barem abgesucht habt.“

„Das ist ja wohl die Höhe!“ schimpfte Georg nun, packte seine Unterlagen zusammen und ging schnellen Schrittes aus dem Beratungszimmer. Renate sprang auf, schimpfte in Richtung Monika: „Blöde Zimtzicke!“
Woraufhin Monika entgegnete: „Raffgierige Kuh!“
Auch Renate verließ das Büro und als ich beiden hinterhereilte, sah ich, daß sie mit wehenden Fahnen unser Haus verlassen hatten.

Ich ging zu Monika und Dieter zurück, die etwas verlegen aus der Wäsche guckten, nahm Platz und wollte gerade etwas sagen, da meint Monika zu mir: „Tja, das war’s dann wohl.“
Ihr Mann fügt hinzu: „WIR bezahlen die Beerdigung nämlich nicht.“
„Soweit käme es noch, das sollen DIE bezahlen und das Haus kriegen die auch nicht“, sagte Monika.

Ich versuchte noch, irgendetwas zu retten, aber die beiden waren so erregt, daß es mir nicht gelang, sie zu beruhigen.
Wenige Minuten später waren dann auch Dieter und Monika verschwunden.

Jetzt hängen wir in der Luft, sollen wir die Verstorbene jetzt vom Krankenhaus abholen?
Wir werden mal etwas abwarten und dann rufe ich da nochmal an.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#haus! #unser

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)