Geschichten

Das Schwein -IV-

Der nächste Tag beginnt mit einem Knall.
Nein, er beginnt zunächst scheinbar normal. Ich begleite Manni zum Bestattungsinstitut des Kollegen, der das 14-jährige Mädchen zum Rechtsmedizinischen Institut gebracht und nach der Obduktion mit der Freigabe von dort auch wieder abgeholt hatte.
Ich kann nichts Negatives über diesen Kollegen sagen, er arbeitet ordentlich, aber ich vermisse immer ein wenig die Herzlichkeit und so gestaltet sich die Herausgabe des Mädchens wie das Übergeben eines Versandpackstücks am Verladebahnhof.

Sie ist in ein weißes Tuch gehüllt, wir heben sie mit dem Tuch in unseren Transportsarg und fahren sie zu uns. Während ich nach dem Ausladen den Bestattungswagen in der Tiefgarage noch für den nächsten Einsatz fertig mache, bringt Manni das Mädchen in unseren Behandlungsraum.

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Dann stehen wir da und keiner von uns will so recht ran…
Ich fasse einen Zipfel des Tuches und ziehe es von der Verstorbenen. Mein erster Gedanke ist: „Gut, die sieht ja nicht schlimm aus.“
Bei einer Obduktion werden alle drei Körperhöhlen geöffnet, Bauchraum, Brustraum und Kopf. Während man die Naht die von den beiden Schultern über die Brust bis hinunter an den Schambereich geht, heute meist mit Klammern ordentlich wieder verschließt und dieser Bereich ja später auch von der Leichenbekleidung verdeckt ist, hat man beim Kopf manchmal recht unschöne Ergebnisse.
Oft kann man dann keine offene Aufbahrung mehr machen.
Hier ist aber alles ordentlich gemacht worden, das Kind liegt da, so als ob es nur schlafe. Da kann man guten Gewissens auch eine offene Aufbahrung ins Auge fassen. Ich werde das den Eltern später vorschlagen, aber die Aufbahrung soll bei uns sein, nicht auf dem Friedhof. Wenn so junge Mädchen auf dem Friedhof liegen, wo dann doch keiner so richtig schaut, wer da alles während der Öffnungszeiten die Aufgebahrten besucht, da kommen dann doch viele einfach auch nur zum Gaffen.

Ich nicke Manni zu, er richtet schon die Utensilien her, die er benötigen wird, um die Kleine herzurichten.
Mit dem Aufzug fahre ich nach oben und dann kommt er, der Knall.

Oben kommt mir Frau Büser entgegen und wedelt mit einem Boulevardblatt. Gleichzeitig betreten Monika und Klaus Hartmann unser Bestattungshaus und ich sehe vorne auf dem Tittelblatt die Schlagzeile:

„Mädchen (14) tot, Vater unter Sexverdacht?“

Darunter ist sind Fotos zu sehen. Ein Foto zeigt die Bestattungshelfer meines Kollegen, wie sie die Trage mit der Verstorbenen vom Sterbehaus abtransportieren und ein anderes Bild zeigt das Ehepaar Hartmann mit schwarzen Balken vor den Augen.

Einige Minuten später haben wir folgendes Bild:
Frau Hartmann sitzt in einem Beratungszimmer und heult, Frau Büser kümmert sich um sie. Herr Hartmann hat kurz auf die Zeitung geschaut, dann wurde er leichenblass und ist in Richtung der Toiletten verschwunden, wo er, wie er später wörtlich sagte, sich vor Schreck die Seele aus dem Leib geschissen hat und ich sitze mit der Zeitung in meinem Büro und lese einen unerträglichen Wust aus unbewiesenen, vagen Unterstellungen, Mutmaßungen und Hörensagen. Nichts davon behauptet irgendetwas, nichts davon beschreibt Tatsachen, alles sind nur geschickt formulierte Fragen, die im Kopf des Lesers genau das erzeugen, was sie erzeugen sollen: sensationsgeile Neugierde.

Eine Nachbarin soll gesagt haben, Vater und Tochter seien immer sehr vertraut miteinander gewesen und oft alleine zusammen weggegangen. Ein andere Nachbarin hat gesagt, im Sommer sei das Mädchen „mit dem fraulichen und reifen Körperbau“ oft leicht bekleidet im kleinen Plastikpool herumgesprungen, während der Vater auf der Liege gelegen und ihr zugeschaut habe. Eine Lehrerin des Mädchen hat davon gesprochen, daß es manchmal sehr verschlossen und verstört gewirkt habe.
Ja, ja, das alles richtig verquirlt und einfach so, zusammenhanglos in den Raum gestellt, und dan noch diese Frage als Überschrift…

„Wie kommen die an unser Foto?“ ist das Erste, was Klaus Hartmann mich fragt, als er wieder von der Toilette zurückkommt. Ich weiß es auch nicht.


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 6. Dezember 2011 | Revision: 30. Mai 2012

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Glück Auf
13 Jahre zuvor

Schau mal bei google unter „WieboldTV“ das sind frimen die davon leben schneller als andere Fotos zu machen und diese zu verkaufen.
(Leider) völlig legal.

13 Jahre zuvor

Das ist ja heftig, jemandem in so einer Lage noch soetwas anzutun…

LuzieFehr
13 Jahre zuvor

der Journalist – das Schwein?!

Smilla
13 Jahre zuvor

Schwein oder nicht Schwein, dass ist hier die Frage….

Glück Auf
13 Jahre zuvor

Könnte mir vorstellen das der Vater (in den Augen der „Leute“) das Schwein ist und durch massive vorverurteilungen und daraus resultierendem Jobverlust, Trennung von der Frau usw. ganz schnell zum „armen Schwein“ wird.

Mario
13 Jahre zuvor
Kirstin
13 Jahre zuvor

Bei meinem bekannten tat die Zeitung genau das selbe. Seine Frau starb damals unter „normalen“ Umständen. Was nun leider nicht normal war, ist das Sie sich verschlossen und nur gefressen hatte. Es galt also eine dreistellige KG Schwere Dame aus dem 7ten Stock eines Hauses zu bekommen wo der Fahrstuhl so groß ist wie eine ausgebreitete Zeitung. Als ich diesen Artikel las der daraus gemacht wurde hätte ich am liebsten den Reporter erwürgt. Da kommt eines zum anderen, die sind schnell da wenn es „Sensation“ heißt, gehen ind die Wohnung und schauen sich um und du als betroffener bekommst es nicht einmal mit.

Millhouse
13 Jahre zuvor

Na ja. Die Polizei informiert über die Pressestelle die Medien. Die fangen an zu recherchieren. Da gibt es dann Keute die gehört haben, wie jemand erzählz bekommen hat, dass der Schwippschwager usw. Und so wird aus nackten Fakten eine reißerische Story. Bilder kannst Du heutzutage quasi überall bekommen und die Regenbogenpresse schert sich einen Scheiß um Privatsphäre oder Ermittlungen. Die Auflage ist wichtig. Eine Sensationsmeldung sorgt für Verkäufe. Da interessiert es Niemanden, welche Menschen dahinter stecken und wie es in Wahrheit gewesen sein könnte.

Rena
13 Jahre zuvor

Leider ist es ja so, dass die Leute das gerne glauben, was in der Zeitung steht. Der gute Mann hat aber den Schaden und wenn er Pech hat, wird ihm gekündigt, von anderen „Mobbing“-Geschichten der lieben Nachbarn mal ganz abgesehen. Leiden die Eltern nicht schon genug?

Aber das ist heute sehr oft so, dass man im Nachhinein immer schon wusste, dass der Mann was mit seiner Tochter hat. (Nacktsein muss etwas ganz schlimmes sein, vorallem in der Familie) Nur dort, wo es dann wirklich hart auf hart geht (wo wirklich Kinder / Jugendliche missbraucht werden), da schaut keiner hin.

Anita
13 Jahre zuvor

Egal, was raus kommt: Die Leute werden auf alle Faelle sagen: „Wo Rauch ist, ist auch Feuer“. Ich hasse dieses Sprichwort.

Martin
13 Jahre zuvor

Mein lieber Tom,
wenn du JETZT aus der Story nen Cliffhanger machst,
ich glaub, dann werd ich mindestens ohnmächtig…

hajo
13 Jahre zuvor

ich finde diese unsäglichen Cliffhanger unmöglich und mental äusserst belastend
Du suchst wohl neue Kunden?

ein anderer Stefan
13 Jahre zuvor

@1 Glück auf: Ich weiss nicht, ob man sich nicht auf das Persönlichkeitsrecht berufen kann – immerhin sind das keine Promis und damit keine Personen, die per se von allgemeinem Interesse sind. Aber selbst wenn das illegal wäre, was nützt es, wenn der Dreck erst einmal in der Welt ist? Da kann man noch so Recht haben…

@6 Mario: Danke für den Link. Das Problem ist ja, dass man nicht mal eine Gegendarstellung einfordern kann – wenn nur Suggestivfragen gestellt werden, ist das ja keine Tatsachenbehauptung – und die Pressefuzzis tun dann ganz unschuldig und behaupten, es sei ja nicht ihre Schuld, wenn die Menschen zu falschen Schlüssen kämen. Mundus vult decipi.

Norbert
13 Jahre zuvor

Tja, die Boulevardpresse ist eben das Krebsgeschwür der Pressefreiheit. Und (leider oder nicht ???)sind per GG die Behörden und die Politiker den Medien zur Auskunft verpflichtet. Da wird dann über Pressekonferenzen von Staatsanwaltschaften und Polizei alles ausgebreitet, was es auszubreiten gibt, als ob Polizei und Staatsanwäte nichts Wichtigeres zu tun hätten. Da werden dann regionale Ereignisse – und seien sie noch so abscheulich, aber sie sind nun mal regionale Ereignisse – zu Staatsaffären oder zu nationalen Großereignisse. Und was mir noch auffällt: Gegenüber der Presse und den Medien sind die Leute viel auskunftfreudiger als zur Polizei. Wenn Jahre lang Frauen in der Nachbarschaft geschlagen oder Kinder misshandelt werden rührt sich keine Sau und niemand will was gesehen und gehört haben. Kommt aber eine Kamera, dann wird munter drauflosgeplaudert, dass die Nachbarn schon immer „komisch“ gewesen sind und das alles klar wie Kloßbrühe ist. Richter braucht man dann eh nicht mehr. Die Urteile könnte man in den Redaktionsräumen von BILD und Co. fällen.

Astrid
13 Jahre zuvor

Oha das hätte ich nicht vorm Schlafen gehen lesen sollen, wenn ich nicht direkt erfahre was da nun war…

Jehuel
13 Jahre zuvor

Omann… die Klatschpresse. Tom, ich MUSS wissen wie es weiter geht, sonst kann ich mich nicht auf meine Kurse konzentrieren.

Sibylle Luise
13 Jahre zuvor

@Norbert: Die Verdammung der bösen, bösen Presse ist ja ein allseits beliebter Sport. Dabei wird aber immer wieder gerne übersehen, dass Verlage Unternehmen sind, die Geld verdienen wollen. Darum werden ihre Journalisten an den Auflagezahlen gemessen, die sie mit ihren Blättern einfahren. Ergo richten sich die Journalisten nach dem, was ihre Leserschaft will.
Wenn da draußen nicht so und so viele Leute rumlaufen würden, die eine gewisse Zeitung mit vier Buchstaben im Titel nicht täglich kaufen und die darin verbreiteten „Sensationsmeldungen“ verschlingen würden, gäbe es diese Zeitung nicht.
Ich bin Journalistin (habe allerdings nie im Ressort „People“ gearbeitet und auch noch nie für Springer) und mir geht’s unsagbar auf den Zeiger, wie immer mit dem Finger auf die Presse gedeutet wird. Sicher ist es schlimm, was manche Blätter verbreiten. Sicher ist es schlimm, dass in manchen Blättern der Mensch völlig wurst, aber die Sensation alles ist. Aber wie schon gesagt: Es gäbe diese Blätter nicht, wenn die Leser sie nicht wollten.

hajo
13 Jahre zuvor

@ Sibylle Loise
Gegenfrage: gibt es bei Journalisten keinen Berufsethos mehr?
.. so nach dem Brecht’schen Motto: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“.
Merke: alles auf die Geldgeber (= die Menschen, die die Darstellung der journalistischen „Ergüsse“ kaufen) zu schieben, ist etwas zu billig, denn die haben vielleicht die Hoffnung, dass doch „etwas änders wird“ (die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt).

ein anderer Stefan
13 Jahre zuvor

Ich denke, das bedingt sich auch gegenseitig: so lange es Leser dafür gibt, gibt es Klatschpresse; und so lange Klaschpresse gedruckt wird, wirds auch gekauft.

18 hajo: leider muss man sich ein Berufsethos auch leisten können – ich meine mich zu erinnern, dass in den letzten Jahre Redakteursgehälter nicht gerade gestiegen sind. Und dann kommt nun mal erst das Fressen und dann die Moral. Und wessen Geschichten nicht „saftig“ genug sind, der ist halt schnell weg vom Fenster.

13 Jahre zuvor

TOM IS BACK! Yeah, danke!

Und dann gleich wieder mit so einer hammer Story, einer BILD-Kritik à la Böll, will man meinen. Haaaach, lieber Tom, vielen vielen Dank, dass du uns völlig unendgeltlich an deiner Kunst teilhaben lässt 🙂

Anonym
13 Jahre zuvor

Hallo Sibylle Louise, natürlich ist es mir klar, dass Medien bzw. bestimmte Medien den Voyeurismus, die Sensationslust und schlichtweg nur Instinkte bedienen. Mit diesen Dingen lässt sich halt mehr Kohle machen als mit nüchternen Berichten wie sie mehrheitlich in der FAZ, der Zeit, der Süddeutschen usw. zu finden sind. Leider scheint sich hier das gebührenfinanzierte öff. rech. TV immer mehr den Privaten anzunähern. + Mit Stimmmungsmache und Hetze lässt sich ebenfalls Kohle machen: Gerade die Zeitung mit den 4 Buchstaben hat doch kaum eine Schlagzeile ausgelassen um z. B. über den jugendlichen Schläger mit Migrationshintergrund zu hetzen und hat das Sarrazin-Buch bis in den Himmel gelobt. Somit gibt dieses Medium der migrantenfeindlichen Grundtendenz in unserem Land immer Nahrung. Und jetzt präsentiert sich in Bezug auf die Neonazimorde die Vierbuchstabenzeitung wie ein Antifadablatt. + Ich bleibe dabei, dass Boulevardpresse das Krebsgeschwür der Pressefreiheit ist, gleichgültig ob Brancheninterne die Schuld eher beim Konsumenten suchen. Das ist wie mit der Droge: Wer ist da Schuld? Der Dealer oder der Konsument? Hier würde doch wohl jeder auf den Dealer… Weiterlesen »

Sibylle Luise
13 Jahre zuvor

Stefan hat leider recht: Berufsethos als Journalist muss man sich leisten können. In den letzten 20 Jahren (solange bin ich in diesem Beruf) ist es zu riesigen Umbrüchen in der Presselandschaft gekommen. Jede Menge Lokalzeitungen wurden eingestellt oder mit anderen zusammen gelegt, die meisten erscheinen nur noch als Einzelseiten innerhalb eines Redaktionsmantels. Dadurch ist wahrscheinlich die Hälfte aller Stellen für Redakteure weggebrochen. Dazu sind die Honorare für Freie nicht eben gestiegen – ganz im Gegenteil: Der Deutsche Journalisten-Verband hat mal ausgewiesen, dass der durchschnittliche Freie in Deutschland um die 20.000 Euro Jahreseinkommen hat. Davon kann man nicht leben, weswegen ganz viele auch noch PR machen oder Journalismus nur „nebenberuflich“ betreiben. Die, die so laut nach dem „Berufsethos“ der Journalisten fragen, müssen sich andersrum die Frage gefallen lassen, ob sie ihren Berufsethos aufrecht erhalten würden, wenn’s um die Existenz geht – und darum geht’s bei vielen Kollegen.Wenn die dritte Geschichte in der Konferenz „gestorben“ ist, weil der Chefredakteur sie zu langweilig findet, kommt jeder ins Schwitzen – und dann wird er wahrscheinlich bei der vierten Geschichte… Weiterlesen »

Norbert
13 Jahre zuvor

Da ich zu dem stehe, was ich schreibe möchte ich anfügen dass Kommentar Nr. 21 nicht von „Anonym“ (obwohl wir das im Web sowieso alle mehr oder weniger sind) sondern von mir, Norbert stammt, derselbe, der Kommentar 14 verfasst hat. Ich habe nur im Überschwang die Namens- und E-Mail-Seite nicht ausgefüllt. 😉

Earonn
13 Jahre zuvor

„Berufsethos muss man sich leisten können“

Nun, es soll Leute geben,die haben einen Beruf aufgegeben, weil sie von ihm nicht mehr auf ehrliche Weise leben konnten.

Natürlich verstehe ich, dass es schwer ist, einen Beruf, den man aus Neigung ergriffen hat und den man gut beherrscht, gegen ungelernte Jobs zu tauschen, aber wenn es wirklich nur ums Überleben geht, wäre das doch eine Lösung. Journalisten sind nicht die ersten und einzigen, die sich zwischen sicherer Versorgung und Selbstachtung entscheiden mussten…

Wenn dieses Argument zieht, kann ja von jetzt an jeder im Beruf so beschissen arbeiten, so egozentrisch, rücksichtslos und brutal sein, wie er will. Er „muss ja von was leben“.

Im Extremfall führt solches Denken zu News of the World. Im „Normalfall“ (leider) zum Kölner Stadtanzeiger und seiner Profisportler-Selbstmord-Klickstrecke und dem Werther-Effekt.

So, und jetzt gehen alle Anwälte das Recht beugen, Buchhalter und Banker betrügen, Ärzte verhökern schwarz bitte Drogen, etc.pp. Müssen ja alle „von etwas leben“ und sich „Berufsethos leisten können“.

ein anderer Stefan
13 Jahre zuvor

Hallo Earonn (24), es soll auch Leute geben, die ihren Beruf aus Leidenschaft gewählt haben und wirklich einen guten Job machen wollen. Deswegen werden sie ihn nicht gleich hinwerfen wollen, wenn es mies läuft. Gerade wenn ein Beruf eine fundierte Ausbildung voraussetzt und das eigene Leben dadurch geprägt wird, wirft man das nicht so schnell weg. Außerdem ist das mit einem anderen Job finden ja nun auch nicht so einfach – oder arbeiten die Redakteure für im Schnitt 20T Euro im Jahr, weil sie das so toll finden? Wohl eher mangels Alternative, bzw. sie machen das nebenberuflich und haben mutmaßlich schon einen anderen Job (oder auch zwei). Und jetzt komme mir keiner mit „ja, wenn es aber keiner mehr macht, dann wirds auch nicht mehr gemacht“ – das hat noch nie funktioniert. Der Vergleich mit anderen Berufsgruppen hinkt fürchterlich, denn erstens sind das, was Du da beschreibst, handfeste Straftaten und zweitens werden diese Berufe im Allgemeinen ohne solche Straftaten ausgeübt. Der Chef, der so etwas fordert, ist selber ein Verbrecher. Passender wäre der Vergleich mit… Weiterlesen »

RedQueen
13 Jahre zuvor

Lieber Tom,
bitte bitte schreib weiter… Du kannst uns doch nicht einfach so sitzen lassen! Ich mag wissen ob die Geschichte ein gutes Ende nimmt. Mir tun die armen Eltern leid. Die fiesen Reporter! Mehr sag ich dazu nicht, sonst kommt mir hier noch eine ganze riesengroße Schimpftirade aus der Tastatur 😉

Earonn
13 Jahre zuvor

@anderer Stefan

Erklär das bitte mal Nicole B. :

http://www.bildblog.de/35539/jonathan-h-und-die-geier/

Aber solange für dich alles okay ist, was nicht strafrechtlich verfolgt wird und auch „von anderen gemacht wird“, ist eine Diskussion müßig.
Menschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein kann man nicht einklagen.

Sibylle Luise
13 Jahre zuvor

@Earonn: Hat der „andere Stefan“ irgendwo gesagt, dass er Sensationsjournalismus und das Überschreiten von Grenzen ganz klasse und vollkommen legitim findet? Habe ich das irgendwo bedeutet?

Wir versuchen beide, die Situation von Journalisten darzustellen und klar zu machen, dass am Sensationsjournalismus auch die Leser, die ihn fordern und fördern, schuld sind.

Ansonsten habe ich für mich es immer so gesehen, dass man als Journalist nicht nur zur wahrheitsgemäßen, sondern auch zu verantwortungsvoller Berichterstattung verpflichtet ist. Und ich habe schon zweimal durchaus gut bezahlte Jobs geschmissen, weil ich das Gefühl hatte, darin meinen Berufsethos aufgeben zu müssen. Dennoch ist es mir zu einseitig, dass immer auf die Journalisten eingeprügelt wird und dass man von ihnen ein Berufsethos verlangt, das meines Erachtens sehr viele von denen, die immer so laut danach schreien, selbst unter existentiellem Druck nicht aufbringen würden.

Earonn
13 Jahre zuvor

@Sibylle Luise Gratulation vor deinem Berufsethos, ganz ehrlich. Nun, der andere Stefan hat dieses Verhalten „gerechtfertigt“ mit „leider muss man sich ein Berufsethos auch leisten können“. Was m.E. zu kurz resp. zu egoistisch gedacht ist. Denn es ist ja nicht nur Geld, dass da für eine Story fließt. Der Journalist kriegt das Geld, Nicole B. das Leid, der Vater von Melanie die Steine der Nachbarschaft ins Fenster (ich hab natürlich keine Ahnung, wie gerade diese Geschichte weitergeht – Tom! Schreiben! Jetzt!). Die Abwälzung der Schuld auf die Leser, nein, da macht man es sich zu einfach. Ist alles okay, was eine Masse von Leuten will, weil sie es will? Von mir aus mag man argumentieren, dass es solche Dinge *gibt*, solange Bedarf besteht. Aber da ist doch ein großer Unterschied, ob man selbst sie auch *mitmacht*, oder? Ich denke, niemand hier hat „die Presse“ verdammt. Wir kritisieren nur Handlungsweisen, deren Opfer wir nicht werden wollen – Du wahrscheinlich auch nicht. Und ich persönlich kritisiere die Rechtfertigung solchen Handelns über das Einkommen. Nicht mehr. Auch nicht… Weiterlesen »

ein anderer Stefan
13 Jahre zuvor

Entweder habe ich mich sehr unklar ausgedrückt oder Earonn hat es falsch verstanden. Aber wenn ich meine Kommentare jetzt noch mal lese, sehe ich daraus bestenfalls ein Verständnis, das ein Schreiberling die Brocken nicht sofort hinwirft, wenn sein Chef Sex and Crime-Stories verlangt. Ich habe meines Erachtens dieses Verhalten keineswegs gutgeheißen, und es nicht ok für mich, nur weil es nicht strafrechtlich relevant ist. Das Argument seitens der Arbeitgeber (unterstelle ich jetzt mal) „wenn Du es nicht macht, machts halt ein anderer“ ist zwar ein garstiges, aber leider sehr wahres. Das Beispiel mit dem Banker sollte eigentlich klar stellen, dass solch ein Verhalten auf Druck der Vorgesetzten nicht ok ist. Mir jetzt zu unterstellen, ich würde alles gutheißen, sofern es legal ist, ist schon weit hergeholt. In der Tat, Menschlichkeit und Gewissen kann man nicht einklagen. Eine solch abartige Presse kann man nur mit juristischen Mitteln stoppen – und wenn die nicht greifen, hat man leider Pech gehabt. Und wenn man mit einem Berufsethos in seinem gewünschten Berufsfeld keinen Job findet, weil dieses Ethos dort… Weiterlesen »

Wolfram
13 Jahre zuvor

@Norbert (14): Das Grundgesetz regelt die Freiheit der Meinungsäußerung (Art.5), bietet aber keinesfalls eine Informationspflicht der Behörden. Oder wäre die nach meinem Abitur hineingepfuscht worden? Mir liegt nämlich nur die Ausgabe von Anfang 1992 vor, als die Regierung Schröder noch nicht… lassen wir das.

Dagegen wäre es vielleicht mal hilfreich für die Schmutzjournalisten, sich mit dem Pressekodex auseinanderzusetzen, zu finden in der Wikipedia unter diesem Wort oder auch hier: http://www.presserat.info/inhalt/der-pressekodex/pressekodex.html

Zitat:
Von der Recherche über Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation bis hin zur Archivierung dieser Daten achtet die Presse das Privatleben, die Intimsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Menschen. (aus der Präambel)
Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.
Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Sibylle Luise
13 Jahre zuvor

@Wolfram: Es wäre m.E. nicht nur für die „Schmutzjournalisten“ wichtig, sondern vor allem auch für ihre Chefredakteure und deren Vorgesetzte. Bei einigen von denen habe ich nämlich das Gefühl, dass die eine Rüge vom Presserat nicht nur mit einem Schulterzucken hinnehmen, sondern als Beleg dafür sehen, dass sie mal wieder einen richtigen „Scoop“ gelandet haben.
Die Informationspflicht der Behörden ist übrigens in der Tat nicht per GG geregelt, sondern über die jeweiligen Landespressegesetze. Im baden-württembergischen heißt es zu dem Thema: „§ 4 Informationsrecht der Presse. (1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen …“ (Quelle:http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=13&Itemid=27). In anderen steht das sinngemäß drin.
In den Landespressegesetzen sind dann auch Dinge wie Impressumspflicht, Benennung des verantwortlichen Redakteurs und Voraussetzungen für seine Tätigkeit, Gegendarstellungspflicht und solche Dinge geregelt. In der Praxis sind die Landespressegesetze für Journalisten folglich wichtiger als das GG.
Allerdings ist ein Punkt, der oft sehr wichtig ist, auch nicht in den Landespressegesetzen drin, sondern stammt aus der Strafprozessordnung: Das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten.

Norbert
13 Jahre zuvor

Hallo Wolfram,

du hast recht. Die Auskunftspflicht der Behörden gegenüber den Medien regelt nicht das GG sondern das Presserecht bzw. die Pressegesetze der Länder.
+
Ich zitiere mal § 4 Satz 1 des ba-wü. Pressegesetzes:
+
„(1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.“
+
Hier mal weiterlesen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Auskunftsanspruch_%28Presserecht%29

+
Ich bitte die Nachlässigkeit zu entschuldigen. Habe zwar gewußt, dass es irgendwo steht und habe mal, ohne viel nachzudenken das GG vorgeschoben. Man sollte halt erst Gehirn einschalten und dann schreiben. Mea culpa. 🙁
+
Grüße




Rechtliches


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