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Der Brückenfreitag

Es ist ein Brückentag und an solchen Brückentagen ist bei uns immer zu. Manche Kollegen meinen, ich sei wahnsinnig und gehe viel zu gut mit meinen Mitarbeitern um, aber ich bin seit frühester Jugend Brückentaggeschädigter und da ich weiterhin meine Leute so behandele, wie ich gerne behandelt werden möchte, ist an solchen Tagen hier immer Betriebsruhe. Insgesamt zieht Frau Büser gemäß Betriebsvereinbarung jedem 5 Tage Urlaub ab für die Zeit zwischen Weihnachten und Hl. Drei Könige und diese ganzen Brückentage. Für die Mitarbeiter ein gutes Geschäft.

Ich habe frei, das Telefon hat Frau Büser übernommen, Sandy macht Beratungen und fährt mit Manni auch raus.
So latsche ich, im wahrsten Sinne des Wortes nach unten, tappe im halbschlafenen Zustand durchs Büro, will nur mal das Zeug aus dem Fax durchgucken („Aber mach nicht so lange, nicht daß Du erst wieder an Deinem doofen Computer sitzt!“) und höre auf einmal Geräusche aus dem vorderen Büro.
Einbrecher? Oder doch Sandy?

Nein, es ist Antonia, die grinsend an Frau Büsers Tisch sitzt…

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„Was machst Du denn hier?“

„Morgen Chef, ich bin die Erste!“

„Die Erste bei was?“

„Alle anderen sind zu spät!“

„Heut‘ ist zu.“

„Wie zu?“

„Ja zu eben. Wir arbeiten nicht.“

„Ach?!“

„Hat Dir das denn keiner gesagt? Du bist doch jetzt schon so lange bei uns…“

„Sie meinen, heute kommt gar keiner?“

„Nö, gestern war Feiertag und heute ist frei, morgen auch und übermorgen erst recht.“

„Also erst am Montag wieder?“

„Geeeeenau!“

„Och!“

Und das sind so Momente, in denn ich mich freue, diese leichte Enttäuschung in Antonias Stimme zeigt mir doch, daß sie gerne zu uns in die Firma kommt und sich da wohlfühlt und wenn das so ist, dann habe ich einiges richtig gemacht. Ich denke immer, daß die Leute ja bis zu 10 oder manchmal auch 12 Stunden hier bei uns sind und hier mehr Zeit verbringen als irgendwo sonst. Wie schrecklich wäre es, wenn diese Zeit für sie schrecklich wäre. Es gibt immer mal Zeiten, in denen einem die Arbeit keine große Freude macht, das kennt ja jeder, aber insgesamt, so alles in allem, sollte es doch so sein, daß man da gerne hingeht, sich mit den Leuten gut versteht und nicht jedes Mal das große Grausen bekommt, wenn man nur an die Firma denkt.

Das ist auch mit einer der Gründe, warum ich stets diese Gratwanderung zwischen Pausenclown und Vorgesetztem mache. Ich bin schon ein gestrenger Dienstherr und die Leute haben einen gehörigen Respekt vor mir, das sehe und spüre ich jeden Tag. Nur glauben eben manche Vorgesetzte, sie müssten die Respektsperson ständig herauskehren, sonst ginge der Respekt verloren. Glücklicherweise habe ich aber ein Verhältnis zu meinen Mitarbeitern, das es mir ermöglicht, auch mal „meinen Affen raushängen zu lassen“.

Heute Morgen ist mir aber nur wenig affig zumute, ich grantele noch coffeinlos durch die Welt und dann treffe ich auch noch auf die nicht gerade für ihre Wortkargheit bekannte Antonia.
„Komm, pack Deine Klamotten wieder ein und fahr nach Hause!“ sage ich und drücke an der Kaffeemaschine auf den grünen Knopf. Das Ding bebt, es mahlt kurz und innerhalb von Sekunden brüht es mir einen schönen frischen Kaffee.
Der sprudelt in eine Tasse und ich nehme diese und tue das, was ich immer mit frischem Kaffee mache, ich lasse etwas kaltes Wasser dazulaufen, ich hasse brühendheißen Kaffee. Ich will nicht mit spitzen Lippen oder pustend homöopathische Tropfenmengen zu mir nehmen, sondern in großen Schlucken meinen Durst stillen. Deshalb hasse ich auch diese neumodische Erfindung, die da Crema genannt wird. Das hat die Kaffeemaschinenbauerindustrie einfach nicht in den Griff bekommen. Vermutlich haben sich ganze Hundertschaften von Ingenieuren abgemüht einen schönen klaren Kaffee mit diesen Maschinen zu brauen, aber immer entstand als schlechter Nebeneffekt diese geschmacklose, häßliche Schaumschicht, die ja überdies auch noch wirkungsvoll verhindert, daß der Kaffee irgendwann einmal eine trinkbare Temperatur annimmt. „Och“, hat dann vermutlich Herr Senseo mal gesagt: „Dann erklären wir eben diesen Maschinenschaum jetzt zum echt italienischen Schaum und suchen einen Namen dafür. Vielleicht nennen wir ihn einfach Crema. Jetzt geben wir den Werbestrategen den Auftrag, daß den Kunden als Nonplusultra einzureden, die glauben sowieso alles. Die glauben mittlerweile ja auch, daß guter Wein sauer sein muß, daß Tee auch nach Vanille schmecken darf und daß man ohne Fett Wurst machen kann. Da kaufen die Deppen uns auch ab, daß der Maschinenschaum was ganz Besonderes ist.“

Unsere Maschinen machen so gut wie keinen Schaum, da habe ich schon beim Kauf darauf geachtet. „Mir egal ob die aus Italien kommt, wenn die Schaum macht, packen Sie das Ding wieder ein und nehmen es mit!“

Heute Morgen hat der Kaffee aber wesentlich mehr Schaum als diese paar Schaumaugen, die ich der Maschine konstruktionsbedingt zugestehe. Es ist ein eher fester, weißer Schaum und der riecht auch noch komisch. Mit dem Finger nehme ich eine kleine Probe davon und er schmeckt nach … Pfefferminz!

„Was ist das denn? Warum schwimmt das Pfefferminzschaum auf dem Kaffee?“

„Das ist wegen dem Gebissreiniger“, sagt Antonia und strahlt.

„Was für ein Gebissreiniger?“

„Hab‘ ich im Fernsehen gesehen. Man tut ein paar Tabletten Gebissreiniger in die Kaffeemaschine und dann wird die wieder ganz sauber. Kann man auch ins Klo schmeißen, geht der Urinstein von weg.“

„Unsere Kaffeemaschinen haben keinen Urinstein.“

„Aber der Wasserbehälter ist schmutzig.“

„Dann spül ihn doch, aber wirf da keine Gebissreiniger rein.“

„Ich habe die Maschine ja schon fünf mal durchgespült, langsam sollte der Geschmack weggehen. Nur….“

„Was, nur?“

„Aus Versehen hatte ich auch ein paar Gebissreiniger oben zu den Kaffeebohnen reingeworfen und die sind kleingemahlen worden.“

Das bedeutet, daß diese Kaffeemaschine nicht nur im Wassertank und in der Brühgruppe, sondern auch im gesamten Mahlwerk pfefferminzverseucht ist.

„Gut“, sagte ich, „dann nehme ich die andere Maschine.“

Antonia guckt ihre Fußspitzen an, das ist kein gutes Zeichen.

Vorsichtshalber frage ich: „Du hast die andere Maschine doch nicht auch ’sauber‘ gemacht?“

„Dohoch“, klingt es kleinlaut aus Antonia heraus.

Die Respektsperson hat heute doch nicht frei und ich verdonnere mein kleines Fettpolster dazu, die Maschinen samt und sämtlich sauber zu machen. „Wehe da schmeckt hinterher noch irgendwas nach Gebissreiniger!“

Muß ich also doch oben Kaffee trinken.


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 22. Mai 2009 | Revision: 28. Mai 2012

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katz
15 Jahre zuvor

wie kann man denn aus versehen den reiniger auch zu den bohnen packen?!
so dumm kann doch keiner sein.

15 Jahre zuvor

Jetzt blitzen Deine Zähne wieder Tom? Die Idee mit dem „Gebissreiniger“, werde ich aber mal ab Herbst bei meinem Luftbefeuchter mit Filtermatte austesten.

Warum bin ich nicht auch auf diese Idee gekommen? Mit sonnigen Grüßen aus Nürnberg:

Rainer

bjoern
15 Jahre zuvor

autsch..SO darf ein Tag nicht anfangen. 🙁

15 Jahre zuvor

So ein BRÜCKEN-Freitag verleitet wohl auch im Blogg dazu, eine Brücke zu schlagen von der Beschreibung des Betriebsklimas über das persönliche Befinden über einen Kurzvortrag über Kaffeemaschinen bis hin zu dem Konflikt mit Antonia…
Respekt! Da hättest du mindestens 3 Geschichten draus machen können 🙂

Jan
15 Jahre zuvor

Ach du scheiße na hoffentlich sind jetzt noch alle Leitungen in dem Vollautomaten dicht und irgendwelche Sachen weggeätzt die vor Korrosion schützten.

Senfgnu
15 Jahre zuvor

Antonia hat großes Glück, dass ich nicht du bin – es wurden schon Leute weniger getötet…

Trischa
15 Jahre zuvor

Herrlich 😉 Vielen Dank für den ersten Schmunzler des nichtfreien Brückentages!

Ma Rode
15 Jahre zuvor

Na, da hat Deine Frau doch auch was von …

Rena
15 Jahre zuvor

Gebissreiniger in die Toilette kenne ich. Aber in der Kaffeemaschine? Es gibt nichts, was es nicht gibt. Hoffentlich bekommt Antonia den Geschmack wieder raus. So wirklich gesund dürfte die Einnahme des Reinigers nicht sein.

Miriam
15 Jahre zuvor

Naja, da man die gereinigten Gebisse in der Regel ja in den Mund nimmt, dürfte das für die Gesundheit unbedenklich sind…
Für die Geschmacksnerven allerdings… bäh. >.<

RealMurphy
15 Jahre zuvor

Tse, wie kann man^Wfrau nur.

Übrigens: Bei uns werden Montags bis Donnerstags je 7 Minuten länger gearbeitet, um damit die Brückentage für 2009 zu finanzieren…

Silvio
15 Jahre zuvor

Da fällt einem doch folgendes zu ein: http://www.youtube.com/watch?v=lAUIHBAxbXY 😀

Igel
15 Jahre zuvor

Gebissreinigertabs sind perfekt um Thermoskannen und Trinkflaschen zu reinigen.

15 Jahre zuvor

Kaugummi, Gebissreiniger, gibts irgendwas, was deine Kaffeemaschine nicht schluckt? 😀

15 Jahre zuvor

*lachträneabwisch*
herrlich,einfach herrlich. so simpel die tat, so groß …ach egal, scheee wars geschrieben.
danke, mein erster herzhafter lacher heute.

Dargor
15 Jahre zuvor

ARGH!
Sieht nach Vollautomaten aus, deine Kaffeemaschinen… dafür gibt’s doch spezielle Reinigungstabletten in der Regel -.-
Das dauert ne Weile, bis die Maschinen wieder sauber sind.

Da hilft nur ne Schulung der Mitarbeiter für die Zukunft ^^

Eike
15 Jahre zuvor

Besser so ein Tagesbeginn, als an jedem Feier- und Brückentag arbeiten zu müssen.

zahnbein
15 Jahre zuvor

Es gibt genau zwei Marken, welche fast jeder kennt. Eine davon funktioniert perfekt, auch für Blumenvasen über Nacht. Welche es ist, müsst ihr selbst herausfinden.

15 Jahre zuvor

*mirvorlachendenBauchhaltendunterdemTischwiedervorkrabbel*

Klasse, wenn einem der nicht arbeitsfreie Brückentag so versüßt wird.

GunWoman
15 Jahre zuvor

Hihi ;)..na denn Prost Mahlzeit. Selbst ich als Kaffeeverächterin wünsche keinem Kaffeeliebhaber SO einen Start in den Morgen. Hoffentlich sind Eure Kaffeemaschinen bald wieder geschmacksneutral und sauber. *g*

ingo
15 Jahre zuvor

die allzweckwaffe gebissreiniger 🙂

wir hatten früher an unseren (film-)entwicklungautomaten auch immer probleme mit algen in den wasserbädern, und all die vielen tollen spezialprodukte aus dem fachhandel mit windschnittigen namen und ausgeklügelten befestigungskörbchen und dosierdüsen hatten nur mässigen erfolg im kampf gegen die braun-grüne plage.
bis wir dann irgenwann mal einen gebissreiniger-tab einfach so in das bad gelegt haben, dann war ruhe, herrlich saubere bäder zum bruchteil des preises der ach so tollen profi-spezial-lösungen.

im kaffee möchte ich sowas allerdings auch nicht schwimmen haben :/

Sensenmann
15 Jahre zuvor

Vielleicht kriegt man es hin, dass die Maschine wenigstens noch Pfefferminztee produziert. Dann ist der Gebissreiniger nicht ganz umsonst drin gewesen.

Bekommt Antonia die Kaffeemaschinenreinigungszeit eigentlich bezahlt?

MacKaber
15 Jahre zuvor

Urlaub für den Brückentag hergeben? Dann lieber Überstunden abbauen.
Ich stelle mir grad vor, wie Tom in Schlafanzug, Bademantel und Pantoffeln vor der Kaffeemaschine und Antonia steht, und etwas gegen beginnende Arterienverkalkung unternimmt.

Lena
15 Jahre zuvor

Sie hats nur gut gemeint 🙂 Ich find die Idee süß!

Wuff
15 Jahre zuvor

Mir kam eine ganz andere Frage: Wie ist Antonia reingekommen, wenn ihr zu hattet? Hat bei Euch jeder Mitarbeiter einen eingenen Schlüssel?




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