Geschichten

Der Fleck an der Deck -VI-

Ja, mit dem Krause da habe er jetzt nichts mehr zu tun, hatte der Betreuer gesagt, die Betreuung ende immer mit dem Tod, er gebe das jetzt wieder alles an das Gericht und damit sei seine Arbeit beendet. „Traurig, traurig, traurig.“

Nein, auch das Sozialamt habe mit der ganzen Sache nichts zu tun. Der Mensch stehe im Mittelpunkt und dieser Mensch sei ja nun verstorben. Jetzt noch irgendetwas zu bezahlen, das käme sowieso nicht in Frage.

Doch, doch, doch, sie solle sich mal keine Sorgen machen, die Entrümpelung finde wie vorgesehen statt, das habe nichts mit dem Sozialamt zu tun, sondern mit dem Gesundheitsamt, sagte zumindest mal der Haushaltsentrümpler.

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Klar, daß Frau Zimmermann völlig mit den Nerven fertig war, sie wußte nicht mehr wo ihr der Kopf stand.

„Was mach‘ ich denn jetzt bloß. Können Sie mir nicht was sagen?“

Ich sage es ja immer wieder, ein lieber dicker Onkel zu sein, das kann ein Segen sein, aber auch manchmal ein Fluch.
Ich kann auch nicht Nein sagen, konnte ich noch nie. Ich strebe nicht nach solchen Fällen, ich suche sie nicht, aber ich fliehe sie auch nicht. Das ist wie beim Streiten, ich suche niemals Streit, aber wenn sich einer streiten will, dann kann er das auch kriegen.

Mann, Mann, was sollte ich bloß mit Frau Zimmermann machen?

Also rief ich nochmals bei Gutfleisch & Sohn an, dem Entrümpler. Der beteuerte, er habe den gelben Zettel vom Amt und mit dem in der Hand könne er am nächsten Morgen wie geplant loslegen. „Wir müssen ranklotzen, morgen und übermorgen soll es trocken sein, ideales Wetter für den Container. Wenn’s da anfängt zu schiffen, saugt mir der ganze Lumpenrotz noch eine Tonne Wasser auf und die muss ich dann an der Deponie mitbezahlen. Ich zahl‘ doch keine 800 Ocken für das Gewicht vom Wasser.“

Doch am nächsten Morgen kam keiner, zumindest keiner von Gutfleisch & Sohn, nur ein LKW von Container-Emmermann und der holte den Container wieder ab.

Ich kürze das hier ab.
Es lief dann darauf hinaus, daß der Haushaltsauflöser, mit dem wir sonst immer zusammenarbeiten, bei Frau Zimmermann die Messiewohnung ausgeräumt hat. Wie die Ermittler einer Sondereinheit sahen die Männer aus in ihren weißen Schutzanzügen und den Atemmasken.
Je mehr sie von dem Dreck und Unrat bargen, umso mehr fing es an zu riechen. Der ganze Teppichboden in der Wohnung bekam nun Luft und begann sich in Verwesung aufzulösen. Über zwanzig Meter Gehweg brauchten die Männer, um das zerschlagene Mobiliar und das was für die städtische Sperrmüllabfuhr übrig blieb, aufzureihen.
Und dennoch wurde der große Lastwagen, den sie mitgebracht hatten, zweimal ganz voll.

Dafür waren sie dann nach einem Tag aber auch schon fertig. „Morgen komm ich nochmal mit einem Mann und dann reißen wir die Teppichböden und das PVC raus“, sagte Jürgen, der Haushaltsauflöser zum Abschied und dann konnten Frau Zimmermann und ich in die Wohnung hoch.

Jetzt sah es schon ganz anders aus. Zwar wehten halbverweste Gardinenfetzen an den Fenstern, aber wenigstens konnte seit Jahren das erste Mal richtig Luft durch die Räume wehen. Dennoch: der Gestank war immer noch kaum auszuhalten, aber ein bißchen half der frische Luftzug schon.

Schimmel, Feuchtigkeit und Moder in jedem Zimmer. Wenn man etwas von dem bißchen verbliebenen Zeug hochhob, es lagen da noch ein paar Zeitschriften, ein Fußhocker und ein Spiegelschränkchen, dann huschten messingschillernde Käfer in dunklere Ecken.

Wie groß die Wohnung da auf einmal wirkte…

Ganz wie er es versprochen hatte, war Jürgen am nächsten Tag da gewesen und hatte die Böden rausgerissen. Auch die Gardinen und die letzten Reste hatte er beseitigt. „Ich komme nächste Woche nochmal und hau Euch die Badewanne raus, die kann nicht bleiben, die hat#s hinter sich“, sagte er, dann schaute er sich noch einmal um, gab Frau Zimmermann die Hand und meinte mit einem mitleidigen Unterton in der Stimme: „Dann noch viel Spaß!“

Malermeister Bracovick, der bitte schön ganz genau so ausgesprochen wird: Brahzowitsch, kratzte mit seinem Zollstock an den Tapeten rum, riß mit einem Zimmermannshammer eine Bodendiele hoch und klopfte ein paar der Kacheln kaputt.
Dann wiegte er den Kopf und sagte: „In Bad und Küche müssen die Böden raus, dadrunter alles sanieren, dann einen neuen Holzboden drauf. In den anderen Zimmern reicht abschleifen und versiegeln. Da war PVC drüber, da is‘ nix durchgegangen. Tapeten müssen ja sowieso runter und der Putz bis aufs Mauerwerk, da ist alles in den Putz gezogen, der muß ja lange Zeit erst immer nur an die Wände gepinkelt haben, so wie’s aussieht.“

„Und was würde das kosten? Nur so in etwa, so ungefähr?“ wollte Frau Zimmermann wissen, doch der Maler schüttelte nur den Kopf: „Gute Frau, das kann ich Ihnen jetzt beim besten Willen noch nicht sagen. Vorne müssen auch die Fenster raus, hinten sieht es aus, als wenn die Heizkörper erneuert werden müssten, dann im Bad und der Küche alle Kacheln abschlagen… Ich muß da erst noch mit meinem Maurer und dem Schreiner sprechen und einen Fliesenleger brauchen wir ja auch. Aber rechnen sie mal grob, nur so ganz grob mit mindestens 20.000 Euro, eher mehr.“

„Och, das geht ja“, sagte Frau Zimmermann und fügte dann noch hinzu: „Ich mein‘, das ist natürlich furchtbar viel Geld, aber ich hatte mit mehr gerechnet.“

„Na gut, was das am Ende dann kostet, das hängt ja auch davon ab, was alles wieder rein kommen soll. Sie können sich den Quadratmeter Fliesen für 19 Euro kaufen oder auch 200 ausgeben, is‘ ja klar.“

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(©si)