Geschichten

Der Montags-Shitstorm

Da ruft mich jemand auf der Hotline-Nummer an.
Das darf jemand ja auch. Ich kann es niemandem verwehren, meine Nummer zu wählen und mich anzurufen.
Ein Telefon zu haben, beinhaltet ja auf gewisse Weise das Angebot an jedermann, mich auf diesem Telefon auch anzurufen.

Da ich das weiß, habe ich mehrere Nummern. Die eine Nummer, die kennen nur die besten Freunde und Verwandten. Eine der anderen Nummern ist mehr für das Geschäftliche und die nächste Nummer, die steht hier im Blog und sonstwo als Hotline-Nummer.
Dort kann jedermann anrufen, und sich Rat holen oder Fragen stellen – kostenlos.

Damit das aber nicht überhand nimmt, steht bei der Nummer deutlich dabei, dass man bitte während der Sprechstunde anrufen soll. Und die ist montags von 10-13 Uhr und 15-21 Uhr. Ruft man außerhalb dieser Zeiten an, läuft man deutlich Gefahr, dass ich nicht an den Apparat gehe(n kann).

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Am Freitag, also außerhalb der von mir gewünschten Kontaktzeit, ruft mittags -was noch viel außerhalber ist- jemand an.
Dieser Mensch hinterläßt auf meinem Anrufbeantworter Spuren. Es ist eine Frau mit deutlichem schwäbischem Akzent. Die Frau sagt: „Rufen Sie mich zurück, meine Nummer ist blafasel.“

Ich denke mir: ‚Wenn die Dame nicht in der Lage ist, mir wenigstens einen kurzen Hinweis auf den Anlaß ihres Anrufes zu hinterlassen, kann es nicht so wichtig sein.‘

Im Verlaufe des Freitagnachmittags1, ruft diese Dame noch 5 oder 6 mal an. „Rufen Sie mich dringend zurück!“, „Ich habe schon angerufen, Sie sind immer noch nicht bereit, mich zurückzurufen.“, „Wann darf ich denn mit Ihrem Rückruf rechnen?“

Die Frau hat es eilig, ohne Frage. Doch ich bin noch auf der Autobahn unterwegs, habe zwei dicht gepackte Termine, den einen in Bonn, den anderen in München.
Will ich beide wahrnehmen, muß ich etwas auf die Tube drücken. Die Autobahnen sind voll, es ist eben Freitag. Ja, ich habe eine tolle Freisprecheinrichtung im Auto. Aber da kämpfen die Sprachassistentin, die der Hersteller hinter irgendwelche Lenkradknöpfe eingebaut hat und der Apple-Sprachassistent Siri erfolglos gegeneinander. Um zu telefonieren, muß ich auf dem Display des Multi-Touch-Dings zweimal tippen, und das mache ich bei viel Verkehr und hohen Geschwindigkeiten nicht.
Außerdem höre ich immer laut Rammstein und dann versteht mein Siri mich sowieso nicht.

Am Samstagmorgen gegen 6.30 Uhr ruft die Dame wieder auf der Hotline-Nummer an. Ich liege noch faul und absolut sozialunverträglich im Bett.
Das wiederholt sich am Sonntag gegen 7 Uhr.
Fast schon habe ich ein schlechtes Gewissen. Vielleicht geht es um was Wichtiges. Ich rufe dennoch nicht zurück. Vor allem deshalb nicht, weil die Frau es bis jetzt jedes Mal unterlassen hat, ihren Namen und den Grund ihres Anrufs zu nennen.

Endlich ist es Montag. Ich sitze am Schreibtisch und meine Hotline-Nummer klingelt. Ich sehe schon an der Nummer im Display, dass es wieder diese Frau ist.
Ich melde mich.

Die Frau: „Na endlich, was soll das denn? Da schreiben Sie Ihre Nummer ins Netz und dann gehen Sie nie dran? Was bitte soll denn das sein?“

Ich gehe nicht auf diesen Quark ein und frage nach ihrem Begehr.

Die Frau: „So geht das nicht! Ich habe schon einige Mails losgejagt und im Forum ist die Aufregung groß.“

Ich: „Was ist denn passiert?“ In diesem Moment denke ich, die Dame könne eine Problem mit einer Bestatterrechnung haben oder etwas wegen abgelaufender Urnengräber wissen wollen.

„Sie machen sich das sehr einfach. Stellen Sie sich doch nicht dumm, Sie wissen genau, um was es geht!“, kräht sie mir schnippisch ins Ohr.

Und jetzt mal bitte, liebe Freunde: Mir schnippisch ins Ohr zu krähen, das ist mal das Eine. Ich bin seit 34 Jahren verheiratet und habe 3-6 Kinder2 großgezogen, da ist man schnippisches Ins-Ohr-Kreischen gewohnt. Aber es gibt noch eine Steigerung von schnippisch ins Ohr kreischen, nämlich: Mit hartem Schwäbischen Akzent jemandem schnippisch ins Ohr kreischen.

Wie dem auch sei, ich weiß immer noch nicht, was die Schwabentante von mir will.

Ich: „Um was dreht es sich denn?“

Die Tante: „Wegen dem Montag!“

Ich (spontan sprachgeschreckt): „Wegen des Montags?“

„Ja genau. Sie schreiben auf Ihrer Webseite Montags groß.“

„Tue ich das?“

„Ja, und das stört uns alle.“

„Ah, wie viele sind Sie denn?“

„Was?“

„Sie sagten ‚uns alle‘, wer sind Sie denn alle?“

„Ja also ich und die anderen.“

„Aha.“

„So geht das nicht.“

„Nein, da haben Sie Recht.“

„Warum stimmen Sie mir zu?“

„Na ja, ich bin Psychologe, und wenn mir jemand sagt, er sei ich und die anderen, dann bin ich vorsichtig und bestätige ihn erst mal positiv.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Haben Sie das Gefühl, dass alle Leute Sie nicht verstehen?“

„Jetzt hören Sie mal mit dem Psychoquatsch auf. Es geht um den Montag.“

„Ja?“

„Sie schreiben den Montag groß.“

„Ist ja auch den Name eines Wochentags und wird wie ein Substantiv benutzt, deshalb schreibt man Montag groß.“

„Adjektiv!“, kräht mir das Schwäbische in Ohr.

„Adjektiv?“

„Ja, Sie schreiben montags, mit einem S am Ende, und dann ist das ein Adjektiv.“

„Kein Adverb?3

„Ist ja auch egal, jedenfalls tut uns das in den Augen weh, wenn Sie auf Ihrer Webseite montags groß schreiben. Ändern Sie das!“

„Und deshalb rufen Sie etliche Male hier an?“

„Das kann ja so nicht bleiben.“

Ich rufe meine Webseite auf, gucke mir das an und meine Annahme bestätigt sich. Montags steht am Zeilenanfang und deshalb habe ich es groß geschrieben.

„Das bleibt so.“

„Was?“

„Ja, das bleibt so. Das Adverb montags steht am Zeilenanfang, und deshalb schreibe ich es groß.“

„Wenn ich das den anderen sage, wird das einen Shitstorm geben.“

„Ui, da hab ich jetzt aber Angst.“

„Sie wollen das wirklich nicht ändern?“

„Nein.“

„Dann müssen Sie mit den Konsequenzen leben.“

„Jau, mach ich.“

„Hat man dafür Töne? Ist dann denn zu fassen? Ich krieg‘ mich ja nicht mehr ein!“

„Nun schreien Sie doch nicht so.“

„Ja, aber da rufe ich Sie extra an und mache Sie auf einen groben Fehler aufmerksam, und Sie ignorieren mich?“

„Tue ich doch gar nicht, ich unterhalte mich doch mit Ihnen allen.“

„Mit mir, mit mir alleine!“

„Ach, sind Sie jetzt nicht mehr mehrere?“

„Was? Was reden Sie da?“

„Deutsch.“

„Was?“

„Haben Sie sonst noch irgendein Problem?“

„Ich habe keine Probleme. Sie haben ein Problem mit der deutschen Sprache.“

„Ständig, das gebe ich zu.“

„Wie jetzt?“

„So, wie ich’s sage.“

„Wissen Sie was? Sie werden im Netz darüber lesen. Mit den Folgen müssen Sie leben.“ Legt auf.

Wenn ihr also im Netz irgendwo was über einen Montags-Shitstorm lest, laßt es mich wissen.

Fehler vom Sprachwahrer beseitigt

1 In diesem Falle groß geschrieben, weil es sich nicht um das Adverb freitagnachmittags, sondern um den Genitiv von Freitagnachmittag handelt.
2 2 eigene und diverse Pflegekinder.
3 Montags ist meiner Meinung nach nämlich ein Adverb und bedeutet soviel wie „jeden Montag“ oder „generell an Montagen“. Es ist also mitnichten ein Substantiv (Dingwort) und auch kein Name und eben auch kein Adjektiv. Deshalb wird montags auch stets klein geschrieben, es sei denn, es steht am Satzanfang.

Bild: Niki.L – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62369593

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    #Montags #nummer #Shitstorm

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