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Die Amtmännin

Ist ja eigentlich schon albern, daß eine weibliche Beamtin irgendwann mal Amtmännin wird. Nicht Amtfrau, sondern Amtmännin. Analog dazu hätten wir dann eigentlich ja auch Schutzmänninnen, Müllmänninnen und vielleicht sogar hat der eine oder andere sogar eine Traummännin.

Die Amtmännin, von der ich heute berichte, heißt Frau Schieferdecker und war Ewigkeiten bei einer Behörde. Auch ihr Mann war hoher Landesbeamter, beide bekamen eine ordentliche Pension. Schon vor Jahren hatte das Ehepaar Schieferdecker bei mir Bestattungsvorsorgen und eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen. Es muß so vor fünf Jahren gewesen sein, als Herr Schieferdecker verstarb. Seine rüstige und sehr resolute Frau regelte damals alles mit uns und wir haben eine schöne Trauerfeier und Beerdigung ausgerichtet. Der alte Schieferdecker muß schon eine Weile „schwer gelegen“ haben und deshalb nahm seine Witwe sein Dahinscheiden eher gefasst auf. „Der war mir beim Staubwischen viel im Weg“, hatte sie gesagt und damit einen auf Jahre Heiterkeit garantierenden Lacher gesorgt.

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Was sie damit meinte, verstand ich erst, als ich nach der Abwicklung des Sterbefalles mit den letzten Unterlagen zu ihr fuhr und das Haus der Schieferdeckers von innen sah. Die alte Vorstadtvilla hatte der Verstorbene einst von seinem Vater, einem Professor für Kinderkrankheiten geerbt. So würdevoll sah das Gemäuer auch aus. 12 Zimmer, riesengroß, ein Garten von parkähnliches Ausmaßen und alles atmete Geld, Kohle, Zaster, Penunse, Flöhe, Flocken, Eier, Mäuse.

Sobald man aber die große Halle mit der großen geschwungenen Holztreppe und der mannshohen Standuhr hinter sich gelassen hatte, kam man sich vor wie in einem Eisenbahnmuseum. Der alte Schieferdecker hatte seit 1948 alles an Modelleisenbahnen gesammelt, was es zu sammeln gab. Neben Dutzenden von Vitrinen mit Loks und Waggons waren alle Räume mit den üblichen Devotionalien eines Nietenzählers und Pufferküssers verziert. Alte Schilder von der Reichsbahn, eine Bahnhofsuhr und wenigstens acht lebensgroße Schaufensterpuppen in den Bahnuniformen diverser Epochen. Und dieses Bild fand sich in allen Räumen des Hauses wieder, die ich gesehen habe. Da hätte ich auch nicht staubwischen wollen…

„Ahja, ist doch wahr“, sagte Frau Schieferdecker, „der hat doch am Ende nur noch angeschleppt. Sie glauben gar nicht, was da noch an Kisten und Kästen im Keller steht und was der hier noch alles aufbauen wollte. Manchmal habe ich gedacht, ich muss den wegbringen. Aber der konnte ja so g’scheit schwätze‘, den hätten die ja nirgendwo genommen. Der konnte alle Fahrpläne auswendig. Aber mal ehrlich, wen interessiert denn, wann die chinesische Staatseisenbahn nach Tibet fährt? Dafür hat er oft nicht mehr gewusst, was er vor fünf Minuten im gegessen hat.“

Jetzt sind also wenigstens fünf Jahre vergangen und wir erhalten einen Anruf von einem Altenheim, Frau Schieferdecker sei dort letzte Nacht verstorben. Die Angelegenheiten der Frau regele eine gewisse Frau Wittelmann, die Betreuerin der alten Dame.

Wir holen die Verstorbene ab und wenig später meldet sich eben diese Frau Wittelmann bei uns, sie würde dann gerne vorbeikommen und alles wegen der Beerdigung besprechen. Ich weise darauf hin, daß in diesem Fall alles bereits besprochen und auch bezahlt sei, aber selbstverständlich könne sie kommen und alles durchsprechen.

Das tut Frau Wittelmann dann auch und ich bin ein wenig erschrocken, als sie mir gegenüber steht. Da kommt keine smarte Rechtsanwältin, sondern eine kleine, doch recht ungepflegte Frau mit fettigen Haaren, die unablässig die Nase hochzieht und an den Fingernägeln kaut.

Nee, es gehe darum, daß man jetzt noch gucken müsse, wo man da sparen kann. Keinesfalls ginge es, daß Frau Schieferdecker so teuer unter die Erde komme, wie die sich das vorgestellt habe. Am Ende sei ja von der ganzen Pracht nichts mehr übrig gewesen und so eine Betreuung koste ja wahnsinnig Geld und es könne ja nicht sein, daß sie als Betreuerin von ihrem privaten Geld noch was drauflege und deshalb müsse das jetzt alles ganz billig sein, damit wir die Sterbeversicherung in möglichst großer Höhe an sie überweisen können.
Diesen Wunsch untermauert sie auch mit einer entsprechenden Vollmacht.

Tja, da hat sie Pech, die Frau Wittelmann. Wir sehen uns an die letztwillige Verfügung in Form der Bestattungsvorsorge gebunden und da die Wittelmann keine anderslautende Verfügung vorweisen kann, kommt die gute Frau Schieferdecker genau so unter die Erde, wie sie sich das gewünscht hat. Aber dennoch bleiben einige hundert Euro übrig, die wir der Wittelmann dann anweisen.

Es sind ungefähr acht Wochen vergangen, es können auch zwei Monate gewesen sein, da bekomme ich eine „Einladung“ von der Polizei. Es werde ganz heftig gegen die Wittelmann ermittelt. Die habe nämlich nicht nur das ganze Vermögen der Frau Schieferdecker innerhalb weniger Jahre verflüssigt und verdampft, sondern das gleiche Spiel auch noch mit etlichen weiteren zu betreuenden Alten getrieben.

Nein, in Untersuchungshaft sitze die aber nicht, man könne die alten Leute, die sie derzeit noch betreut, ja nicht gänzlich ohne Betreuung lassen.

Ja nee, is klar.

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#amtmännin

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