Geschichten

Die Fee der Nacht -32-

Petermann und Joswig kamen erst spät am Nachmittag in Höchenschwand an. Die Ortschaft war größer als sie gedacht hatten und etwas abseits an einem LKW-Parkplatz fand Petermann was er suchte, einen Imbisswagen.
Natürlich war dem redseligen Würstchenbrater das Haus der Brockhagens bekannt und nachdem er zwei Riesenbratwürste mit Pommes verkauft hatte, rückte er auch bereitwillig mit der Adresse heraus.
Das Haus der Brockhagens läge ganz oben am Berg und sei so ein ganz modernes Ding aus Beton, so als ob ein UFO dort am Hang gelandet sei, alles nur Beton und Glas. Der Weg dorthin sei schwer zu finden und man müsse auf dem Waldweg höllisch aufpassen, vor allem mit so einem Schlitten, sagte der Imbissmann und malte mit einem Bleistift eine grobe Wegskizze auf die wohl schlechteste Unterlage die man sich denken kann, eine Papierserviette.

„Wirst Du aus dem Gekritzel schlau?“ fragte der Kommissar seinen Freund Jojo und der schob die Unterlippe vor. „Hm, wird schon klappen, das meiste habe ich mir auch so gemerkt. Also, da drüben raus aus dem Ort und dann einen Kilometer nach Süden.“

Als Petermann seinen breiten und schweren Wagen über die gut ausgebaute, aber sehr schmale Straße durch den Wald steuerte, hatte er alle Hände voll zu tun, mit dem Wagen nicht die Begrenzungssteine aus Granit zu berühren, die in etwa acht Meter Abstand den Weg auf beiden Seiten säumten. Die Straße wand sich in endlosen Serpentinenschleifen durch den Wald und zweimal mußte Petermann sogar zurücksetzen, um den 59er Chevy um die Kurven steuern zu können.
Schon seit sie in den Wald eingefahren waren, wurden sie, sobald ihr Wagen durch die Baumkronen zu sehen war, durch ein Fernglas beobachtet.
Etwa auf halber Strecke zwischen dem Punkt, an dem sich gerade der Wagen befand, und dem Haus der Brockhagens stand ein Hochsitz und dort saß Ignaz, der den Chevrolet nicht aus den Augen ließ.
Über seinem Schoß lag ein Jagdgewehr.

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Ignaz wußte genau, welche Fahrzeuge zum Anwesen seines Chefs hoch fahren durften und er hatte die Anweisung, es unter allen Umständen zu verhindern, daß außer diesen Fahrzeugen irgend jemand sonst nach oben gelangte. Der Herr Minister, wie ihn fast jeder nannte, würde noch in dieser Nacht Höchenschwand wieder verlassen und dann wäre auch seine Arbeit auf dem Aussichtsposten beendet. Daß ausgerechnet jetzt noch ein Wagen kommen mußte, ärgerte den Hünen.
Als der Chevrolet die nächste Kurve schwankend nahm, ergriff Ignaz das Gewehr und legte auf den Wagen an. Sorgfältig justierte er das große Zielfernrohr, legte den Lauf auf einen kleinen Sandsack, der auf der Brüstung des hölzernen Hochstandes lag, und war damit vorbereitet. Wenn der Wagen die nächste Kurve genommen hatte und auf dem geraden Stück war, würde er in nur 50 Metern Entfernung direkt in Ignaz Schußlinie sein.

Petermann und Joswig unterhielten sich angeregt über den Fall Brockhagen. Immer wieder gingen sie die Fakten durch und Petermann ärgerte sich nach wie vor, daß ihm zu Beginn seiner Ermittlungen so viele Steine in den Weg gelegt worden waren. Jojo hingegen formulierte schon Schlagzeilen und Überschriften. Sein Abkommen mit dem Kriminalhauptkommissar besagte, daß er so weit es eben ging, an den Ermittlungen mitwirken durfte, dafür aber hoch und heilig versprechen mußte, während der laufenden Ermittlungen kein Wort darüber zu schreiben und im Gegenzug hatte er dann hinterher Fakten, die so hautnahe Reportagen ermöglichten, daß andere Journalisten sich oft neidisch wunderten, wie Joswig wohl an diese Informationen gekommen sein mochte.

„Meine Fresse, wie weit ist das denn noch? Hier sind ja Fuchs und Ente begraben!“ schimpfte Petermann und griff zum Lichtschalter des Wagens. „Jetzt wird’s auch noch allmählich dunkel.“

„Fuchs und Ente“, grinste Jojo: „Du hast ein wunderbares Talent alle Sprichwörter kaputt zu machen.“

„Das ist Absicht“, sagte Petermann und in diesem Moment klatschte und knallte es.
Ein Schuß hatte die Motorhaube des Chevrolet getroffen.

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