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Die Kanne

Frau Nadolny ist die Cousine der verstorbenen Frau Krampf. Nachdem ihr Bruder die gesamte Beerdigung bei uns organisiert hatte, ist es ihr anheim gefallen, sich nun um den Grabstein und die Grabpflege zu kümmern. Sie will das alles über uns in Auftrag geben, das spart ihr Wege. „Aber ich hoffe, daß das nicht lange dauern wird“, sagte sie schon vorher am Telefon. Ich versicherte ihr, daß wir uns die größtmögliche Mühe geben würden, es so reibungslos wie möglich zu gestalten.

Etwa eine Stunde später kam Frau Nadolny dann und brachte einen Korb mit, der mit einem geblümten Stoff im zeitlosen Design der 50er Jahre ausgeschlagen war. In dem Korb befand sich eine rote Thermoskanne, ein Geschirrtuch und noch etwas Kleinkram.

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„Wo werden wir denn sitzen?“ lautete ihre erste Frage und ich wies auf die Tür eines Besprechungszimmers, woraufhin sie die Tür öffnete und einen Blick hineinwarf: „Das geht ja gar nicht!“

Ich schaute sie verwundert an, hatte ich doch das gemütliche Zimmer mit den gepolsterten Sesseln ausgesucht. Aber Frau Nadolny erklärte: „Da sind mir die Sitzmöbel viel zu weich, ich hab Rücken und darf nicht weich sitzen. Haben sie nicht irgendwas mit hohen Lehnen?“

„Doch, doch, kommen Sie, gleich hier nebenan.“

„Schon besser. Seit ich Rücken hab‘, kann ich nur noch mit gestreckter Wirbelsäule sitzen. Das ist besser so, hat der Doktor gesagt.“

Sie nahm Platz, ich holte derweil die Unterlagen und als ich zurückkam, hatte Frau Nadolny ihre Thermoskanne, das zusammengelegte Geschirrtuch und einen Salzstreuer ausgepackt. Sie sah meinen verwunderten Blick und erläuterte: „Ich hab‘ auch Magen, genauergesagt hab ich Magenschleimhaut, deshalb muß ich ständig lauwarmes Wasser in kleinen Schlucken trinken. Die Schleimhaut darf nie austrocknen.“

„Aha“, sagte ich, wunderte mich aber schon ein bißchen, denn mir war bis dahin nicht bekannt gewesen, daß eine Magenschleimhaut austrocknen kann. Während ich mich setzte, begann Frau Nadolny das Geschirrtuch auseinanderzufalten und zum Vorschein kamen zwei Eier. Ohne mich weiter wahrzunehmen begann sie, die Eier zu pellen, ich schaute ihr zu. Auf einmal wurde ihr die Stille im Raum bewußt, sie blickte hoch und sagte: „Lassen Sie sich nicht aufhalten, ich kann auch zuhören, während ich Eier pelle. Die muß ich regelmäßig essen, ich hab nämlich Dickdarm, da helfen nur hartgekochte Eier.“

Bin ich froh, daß ich weder Rücken, noch Magenschleimhaut, geschweige denn Dickdarm habe…
…obwohl, so ein bißchen Rücken habe ich auch, ich hatte sogar schonmal Hals!

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#kanne

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