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Die Wasserkreuzung

Fehler durch Lektorin Alexandra bereinigt.

Da schrieb mir neulich eine liebe Leserin hier aus dem Weblog eine Mail, in der sie mir erzählte, daß sie im heilenden Bereich tätig sei und sehr viele Kunden habe, die dem Esoterischen besonders verhaftet seien. Keiner von denen sei so „überkandidelt“ wie die Leute, von denen ich bisweilen erzähle.

Das glaube ich gerne und bin auch davon überzeugt, daß die allermeisten Menschen, die sich mit den Dingen „zwischen Himmel und Erde“ beschäftigen, ganz vernünftige Leute sind. Meinetwegen kann ja sowieso jeder glauben und verehren was er will, solange ich nicht dafür bezahlen soll und für gesundheitliche Spätfolgen geradestehen muß. Wenn er mich dann auch nicht stört mit dem was er tut und glaubt, dann ist das bestens.

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Aber sind wir doch mal ehrlich: Bei Leuten, die ganz im Stillen irgendeiner Glaubensrichtung oder Weltanschauung angehören, ja sogar ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet haben, aber das Ganze nicht wie ein buntes Plakat vor sich hertragen, da weiß man doch gar nicht, was die für eine Anschauung haben. Sie nerven einen einfach nicht damit und das ist gut so.

Es gibt aber in allen weltanschaulichen Orientierungen immer wieder Menschen, die von einem gewissen missionarischen Eifer getrieben sind und meinen, sie alleine hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen und müßten nun der ganzen uninformierten Menschheit um sie herum, eben diese Weisheit predigen.

Ich gehe doch auch nicht in eine Moschee oder eine Synagoge, laufe durch die Räumlichkeiten und bleibe überall kopfschüttelnd stehen, um den Leuten, die da irgendwelche rituellen Handlungen vornehmen, bei jeder Gelegenheit zu erklären, wie dumm sie sind und daß ich eine viel bessere Religion oder Anschauung habe.

Aber genau von diesem missionarischen Eifer scheinen manche Menschen getrieben zu sein. Und das hat manchmal sogar gar nichts mit Religion zu tun, sondern kann sich z. B. auch leicht auf den ökologisch-grünen Bereich oder im schlimmsten Fall auf Fußball und Skat beziehen.

„Wie, Du weißt nicht wie Schalke gespielt hat?“

„Nö, ich gucke kein Fußball.“

„ja hör mal, was ist das denn, Du bist doch ein Mann.“

„Unzweifelhaft.“

„Hä, was? Ja, aber, Männer gucken doch Fußball! Ich meine, was machst Du denn samstags?“

„Da gehe ich mit den Kindern Kanu fahren, zum Beispiel.“

„Ja, aber doch nur bis zur Sportschau, oder?“

„Nee, bis die hungrig sind oder bis es dunkel wird oder wir keine Lust mehr haben.“

„Das gibt’s doch gar nicht. Samstags gehört ein Mann mit einem Kasten Bier vor den Fernseher.“

„Tut mir leid. Ich gucke immer alle Spiele der Deutschen, wenn Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft ist. Aber doch nicht das ganze Jahr, nee, ich interessiere mich nicht so für Fußball.“

„Kann ich gar nicht verstehen. Du mußt unbedingt mal kommen, manchmal gucken meine Kumpels und ich zusammen, das ist immer voll lustig.“

„Meinetwegen, irgendwann komme ich bestimmt mal, irgendwann…“

Es geht darum, daß die Sichtweise einfach sehr beschränkt ist. Das was einem selbst Spaß macht und was im eigenen Umfeld als angemessenes Verhalten akzeptiert und zelebriert wird, das würde man am Liebsten auf alle Angehörige einer Gruppe übertragen, weil es dann einfacher ist, die Welt zu verstehen.

Schlimmer wird das Ganze aber, wenn es einen weltanschaulichen Überbau hat. Dann kommt noch ein Heilsversprechen oder eine besondere Jenseitserwartung hinzu und man möchte dann die Anderen davon überzeugen, daß ihnen möglicherweise was ganz Tolles entgeht, wenn sie nicht auch an den grünen Käsegott glauben.

Um sich und seine Überzeugung ins Gespräch zu bringen reichen oft ganz alltägliche Dinge aus: „Wie, sie essen noch Käse?“
Die Antwort auf diese Frage spielt keine Rolle, denn der Gegenüber, der zumeist weiblich ist, will gar nicht wissen, was man selbst dazu zu sagen hat, sondern einfach nur absondern: „Käse enthält doch linksdrehende Moleküle und die sollte man meiden.“

Ich schaue Frau Kronrader-Burgstetter bewußt desinteressiert an, denn sie kam mir schon etwas merkwürdig vor, weil sie den Stuhl, den ich ihr angeboten hatte, ganz an die Wand geschoben hatte und sagte: „Hier läuft bestimmt eine Wasserader quer unter ihrem Büro hindurch, das spüre ich ganz genau. Hatten sie mal einen erfahrenen Rutengänger hier?“

Hallo! Die Frau ist gekommen, um eine Grabpflege in Auftrag zu geben. Da wird sie sich vielleicht zwanzig Minuten aufhalten und wohl kaum durch irgendwelche Wasseradern umgebracht werden. Aber ihr geht es auch gar nicht um ihre eigene Gesundheit oder gar um mein Wohlbefinden, ihr geht es darum, das Thema anzuschneiden und am Köcheln zu halten, damit sie möglichst viel von ihrer Weltanschauung erzählen kann.

„Da kommen nämlich Erdstrahlen aus dem Boden und die können uns krank machen. Eine Nachbarin hat zwanzig Jahre auf einer Verwerfung geschlafen und was hat sie bekommen? Krebs! Eine andere Frau hatte sich sehr lange von Essen ernährt, daß tierischen Ursprungs war. Na, was meinen Sie? Klar! Krebs!“

Ich sage: „Es macht mit nichts aus, wenn sie da drüben an der Wand sitzen wollen. Ich gebe ihnen so eine Schreibunterlage, dann können sie da genauso gut schreiben, als würden sie am Tisch sitzen.“

„Sie sagen das so, als würden sie nicht an Erdstrahlen glauben.“

„Tu ich auch nicht.“

„Die gibt es aber!“

„Glaub‘ ich nicht.“

„Und warum nicht?“

„Weil hier tatsächlich schon mal jemand mit einer Wünschelrute durchgelaufen ist. Der Mann hatte mir das angeboten und hat das ganze Haus ausgependelt. Es war alles in Ordnung.“

„Ha! Das war bei mir auch so! Zwei Rutengänger haben nichts gefunden, dann habe ich Herrn Schrader kennengelernt, der bietet doch diese Erdstrahlen-Eliminatoren an, und der hat meine Wohnung ausgependelt und stellen Sie sich vor: Genau unter meinem Bett kreuzten sich zwei Wasseradern.“

„So was gibt’s doch gar nicht. Wenn zwei Wasserläufe sich irgendwo treffen, dann vereinigen sie sich und laufen dann zusammen weiter. Ich habe noch nie irgendwo gesehen, daß sich zwei Flüsse kreuzen. Wasser geht immer den Weg des geringsten Widerstands.“

„Da sehen wir es mal wieder! Sie gehen die Sache mit dem Verstand an, mit der Ratio, das ist natürlich vollkommen falsch! Solange Sie zulassen, daß Ihr Verstand die Herrschaft behält, werden Ihre Augen für die wahren Dinge des feinstofflichen Bereiches verschlossen bleiben.“

„Des feinstofflichen Bereiches?“

„Ja, alles das was man nicht sieht, hört, fühlt und schmeckt.“

„Aber riechen kann man es?“

„…und was man nicht riecht. Also alles was man mit herkömmlichen wissenschaftlichen Methoden nicht messen kann.“

„Aber Sie können es messen?“

„Ich nicht, aber der Herr Schrader zum Beispiel. Der hat mit Strahl-Ex 2000 verkauft, das ist ein ganz famoses Gerät, das man an den Strom anschließt und unters Bett stellt. Damit werden die ganzen schädlichen Strahlen der sich kreuzenden Wasseradern eliminiert.“

„Wasser kann sich nicht kreuzen. Und Wasser strahlt auch nicht.“

„Doch, natürlich. Wasser hat eine ganz unerhörte Energie. Gehen Sie doch mal in die Natur und schauen sie, was das Wasser alles geformt und geprägt hat.“

„Ich war schon mal an den Niagara-Fällen, da gibt es so ungeheure Mengen Wasser, die da kraftvoll in die Tiefe stürzen, ich bin aber keineswegs verstrahlt.“

„Ja, wenn das Wasser sich dort aber kreuzen würde, dann wären sie quasi schon tot.“

„In vielen Wänden kreuzen sich Wasserleitungen und kein Mensch wird krank davon.“

„Sehen sie, da ist er wieder, der Verstand.“

„Das ist doch aber auch so. Ich habe zum Beispiel ein Wasserbett und liege sehr gut darauf.“

„Da ist das Wasser ja auch eine Barriere gegen die Strahlen.“

„Also damit ich mich gegen die Strahlen, die vom Wasser kommen schützen kann, muß ich mich nur auf Wasser legen?“

„Ja, sicher.“

„Aha.“

„Ich habe noch vier Wasseradern unter meiner Wohnung und alle Stühle umgestellt. Die Kommode und der Eßtisch stehen jetzt quer und seitdem ich das gemacht habe, fühlen sich alle meine Besucher viel wohler. Gut, ich habe die Stühle dann noch mal umgestellt, weil ein Feng-Shui-Meister da war, der die von mir gewählte Anordnung schlecht fand.“

„Hat der die Wasseradern nicht berücksichtigt?“

„Nein, ihm geht es um den Blick, den Wind usw.“

„Nicht um die Wasseradern?“

„Nein, das ist eine ganz alte fernöstliche Lehre. In China werden ganze Straßenzüge nach Feng-Shui gebaut.“

„Aber über Wasseradern?“

„Da ist schon wieder ihr Verstand! Sie müssen sich mal freimachen vom schulischen Wissen, dann öffnet sich Ihr Auge auch für den Blick auf die wesentlichen Zusammenhänge.“

„Ihr Herr Schrader wünschelt mit seiner Rute und findet lauter strahlende Wasserkreuzungen. Sie räumen die Wohnung entsprechend um und dann kommt ein chinesischer Chop-Sui-Mann und räumt alles wieder ganz anders auf, weil er nichts von Wasseradern weiß. Wer hat denn nun Recht?“

„Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen.“

„Nichts, ich sitze ja immer noch am Tisch. Sie haben ihren Stuhl sechs Meter weit weggeschoben und sitzen an der Wand, wegen der Wasserstrahlen in meinem Büro.“

„Sie sollten mal ihr Büro auspendeln lassen.“

„Och nö.“

„Doch wirklich, Sie wohnen doch da oben drüber. Was meinen Sie, wie gut Sie dann schlafen!“

„Ich schlafe immer wie ein Murmeltier.“

„Das hat gar nichts zu sagen, das könnte auch sein, daß die Wasseradern Ihnen die ganze Energie entziehen.“

„Ich bin voller Tatendrang und habe Energie im Überfluss.“

„Sehen Sie, da haben wir’s ja!“

„Das energetische Verhältnis bei Ihnen muß ausgeglichen werden.“

„Das möchte ich aber gar nicht, mir gefällt es sehr gut, so wie es ist.“

„Sie werden noch sehen, was sie davon haben.“

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Lektorin A #wasserkreuzung

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