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Ereminus Lohdenhos

Frau Lohdenhos sitzt in unserer Halle auf dem bequemen Sofa und nestelt die ganze Zeit nervös mit ihrem kleinen weißen Spitzentaschentuch herum. Ihr Kopf geht in kurzen, ruckartigen Bewegungen hin und her und man sieht ihr an, daß sie sehr angespannt ist.

Ich erlöse sie und gehe zu ihr, begrüße sie und führe sie in eines unserer Beratungszimmer. Ich kenne das Ehepaar Lohdenhos vom Sehen, es gehört zum Ortsbild und es gibt wohl kaum eine Veranstaltung, auf der die beiden nicht zu sehen waren. Frau Lohdenhos ist vielleicht Mitte Siebzig, klein und vermutlich schlank. So genau sieht man das nicht, sie trägt einen etwas zu weiten Persianermantel. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal einen Persianermantel gesehen habe und vermutlich weiß dieser Persianermantel auch nicht mehr, wann er zuletzt das Sonnenlicht gesehen hat. Darüber freut er sich und verströmt fröhlich den Geruch von Mottenkugeln, Tosca und Schrankmief.

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Aber Frau Lohdenhos mag den Mantel nicht abgegeben und will ihn anbehalten. Da sie lauter rote Flecken im Gesicht hat und ich ein leichtes Zittern sehe, biete ich ihr mal keinen Kaffee, sondern Wasser und Saft an, aber sie mag nichts.
Normalerweise fangen die Leute von alleine an zu erzählen weshalb sie zu uns gekommen sind, aber Frau Lohdenhos wartet auf mein Startzeichen.
Ich frage sie, was sie zu mir führt und sie sagt nur: „Der Ereminus ist tot.“
Wer oder was, um Himmels Willen, ist ein Ereminus? Noch während ich so tue, als wäre damit alles klar und ihr zunicke, sagt sie aber: „Eigentlich heißt er ja Herrmann, aber er ist ja Opernsänger und nannte sich Ereminus. Das kam besonders gut an.“

Daß ihr Mann Opernsänger war, habe ich gewußt. Ein großer ganz schlanker Mann mit einem kleinen, etwas zusammengedrängtem Gesicht und einer langen weißen Mähne, was ihm -man entschuldige- ein wenig das Aussehen eines Rhesusaffen gab.
Vom bohemienen Leben seiner künstlerischen Zeit war nur ein langer weißer Seidenschal übrig geblieben, den er immer trug. Man kannte ihn gar nicht ohne diesen weißen Schal.
Lohdenhos, den Namen hatte ich ja schon gehört, aber daß er Ereminus hieß bzw. Herrmann, das wußte ich nicht.

Ich bereite die notwendigen Unterlagen vor, stecke sie in unsere Laufmappe und gehe anhand von unserem Laufblatt alles der Reihe nach durch. Sie heißt Franziska Lohdenhos, wurde 1924 geboren, ist also älter als ich ursprünglich dachte und ihr Mann Ermeninus war von 1921.

„Der hat Herz gehabt“, unterbricht sie meine Schreibarbeiten und fährt fort: „Zuerst dachten wir, der hat Rücken, aber dann ist das weiter nach hinten gezogen und er ist zum Arzt. Der hat dann gesagt ‚Herr Lohdenhos, Sie haben Bandscheibe‘. Da hat er dann Tabletten bekommen und sollte nächste Woche in die Röhre. Könnte ja auch Bandscheibenvorfall sein. Ja und jetzt hat er Herz gehabt, Infarkt, hinten. Ging ganz schnell. Er ist ja noch ins Annastift gekommen, aber Sie kennen das ja, die machen ein Riesentheater und dann sterben sie doch.“

Ein Stammbuch hat sie nicht dabei, das brauchen wir aber um Sterbeurkunden beantragen zu können. Eine Heiratsurkunde würde es auch tun, aber so alte Leute haben meistens Stammbücher und da das Paar 1943 geheiratet hat, dürfte da auch noch das Hakenkreuz drauf oder zumindest auf den Stempeln sein.

Sie will es mir bringen, geht nach Hause und wir fahren, um den verstorbenen Ermeninus abzuholen. Den Sarg will sich Frau Lohdenhos später aussuchen.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#ereminus #lohdenhos

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