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Fanmeile auf dem Friedhof, bald auch mit Narhalla-Marsch?

dackelgrabSportfans können ja zu einer ganz besonderen Art von Fanatismus neigen, etwas davon ist ja schon im Begriff Fan enthalten.
Trauernde sind ebenfalls eine besondere Sorte Menschen, sie sind durch den Verlust eines Angehörigen in einer extremen Ausnahmesituation und sehr empfindlich für alles, was ihre Trauer stört.
Friedhöfe sind kommunale oder kirchliche Einrichtungen, die Ruheplätze für unsere Verstorbenen sind, den Angehörigen Raum für ihre Trauer geben sollen und eine wichtige Bedeutung als Grünanlagen in unseren Städten haben.
Friedhofsordnungen sind Regelwerke, die nicht von oben herab am Schreibtisch eines Beamten geboren wurden, sondern sie basieren auf jahrzehntelangen Erfahrungen und spiegeln in der Regel die Wünsche und Bedürfnisse der Friedhofsbesucher ebenso wider, wie sie für die Umsetzung der entsprechenden Gesetze (Totenruhe etc.) sorgen.

Nun gibt es aber offensichtlich zunehmend Menschen, die sich innerhalb des durch die Friedhofsordnungen gegebenen Rahmens nicht wohl fühlen. Ihnen ist das eben oft auch seit Jahrzehnten nicht mehr überarbeitete Regelwerk zu starr und sie meinen, auf den herkömmlichen Friedhöfen keine geeignete Bestattungsmöglichkeit zu finden. Anders ist der Drang in die Bestattungswälder und zu Seebestattungen nicht zu erklären. Auch der Wunsch, die Totenasche an irgendeinem nahezu beliebigen Ort ausstreuen oder aufbewahren zu wollen, findet hier seine Wurzeln.

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Die Folge ist, daß die Bestattungszahlen auf vielen Friedhöfen rückläufig sind. Das wiederum hat zur Folge, daß die kostendeckend rechnenden Friedhöfe ihre Preise für Bestattungen und Gräber weiter erhöhen müssen, um bei gleichbleibender Pflege und Bereithaltung der Friedhofslogistik noch auf ihre Kosten zu kommen.

Ganze Gräberfelder verschwinden, hohe Hecken verdecken (z.B. in Berlin) die Felder, auf denen bis vor einigen Jahren noch bestattet wurde und die heute dem Wildwuchs anheim gefallen sind.
Mancherorts sind auch schon ganze Friedhöfe aufgegeben worden.
Das ist aber in jedem Fall der allerletzte Ausweg, denn man weiß nur zu gut, daß die Sterbezahlen etwa ab dem kommenden Jahr wieder steigen werden, wenn der Knick in der Kurve der Sterbezahlen, verursacht durch die Weltkriegstoten, durch die dann bald sterbenden geburtenstarken Jahrgänge wieder ausgeglichen wird. De facto krankt das System auch an der immer höheren Lebenserwartung, die jedoch immer nur einen Aufschub bedeutet, denn irgendwann sind sie alle fällig …

Die Friedhöfe werden also in Zukunft noch gebraucht.

Da liegt es auf der Hand, daß Friedhofsverwaltungen händeringend nach Möglichkeiten suchen, ihr Angebot zu erweitern und attraktiver zu gestalten, um doch noch mehr Leute anzulocken und zu einer Bestattung auf dem Friedhof zu bewegen.

Viele Kommunen setzen den Waldbestattungen Bestattungshaine, Baumbestattungen auf dem Friedhof, Wiesenbestattungen, Bestattungen am (künstlichen) Bachlauf und ähnliches entgegen. Die Message soll sein: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.
Oder weniger prosaisch ausgedrückt: Laßt die Finger von den alternativen (und oft teuren) Alternativen, ihr bekommt das alles in ähnlicher Form auch da, wo es hingehört, auf dem Friedhof.

Aus diesen Beweggründen heraus öffnet man sich neuen Ideen.
So soll jetzt in Frankfurt eventuell eine Fanmeile für Fans des Fußballvereins Eintracht Frankfurt geschaffen werden.

Die Verantwortlichen ziehen in Betracht, ein Verein könne eine Abteilung auf dem Friedhof für ihre Fans entsprechend anbieten und gestalten, sodaß die verstorbenen Vereinsanhänger auch nach ihrem Tod noch deutlich zur Schau stellen können, für welchen Club ihr Herz zu Lebzeiten geschlagen hat.

Klingt ja erst mal gut. Warum denn auch nicht? Oder?
Während man in Frankfurt, vielleicht nicht ganz ernst gemeint diskutiert:

„Denkbar wäre, dass bereits vor Ablauf der üblichen Liegezeit von 20 Jahren der betreffende Fußballverein in die dritte Liga absteigt oder sogar komplett aufgelöst wird.“ Und dann? „Müsste testamentarisch vom Verstorbenen ein Plan B für eine Umbettung in das Gräberfeld eines alternativen Vereins oder das der zu Lebzeiten bevorzugten Biersorte verfügt werden.“

Sieht man auch schon Tür und Tor geöffnet für:

„Gräberfelder nach Parteizugehörigkeit („für Piraten wäre ggf. ein Teich für die Seebestattung anzulegen“), für Nichtraucher, Nichtschwimmer, Alkoholiker, Veganer oder Studienabbrecher. Sie fragen sich außerdem, wie der Nachweis erbracht werden kann, dass der Verstorbene tatsächlich Eintracht-Fan war: etwa durch Vorlage von Stadion-Eintrittskarten? Quittungen des Fanshops?

Und dann kommen die World-of-Schwerkraft-Spieler, die Star-Trek-Fans und die Anhänger vom letzten Einjahresfliegen-DSDS-Superstar und wollen auch ihre eigenen Fangräber. Alexander-Klaws-for-ever-Graves. Who the fuck ist Alexander Klaws?

Und wo bleiben die Stones und die Beatles? Und war letztes Jahr nicht mehr Lametta?

Brauchen wir wirklich Daniel-Küblböck-Abteilungen? Bekommen wir dann auch Grabfelder für Karnevalisten auf denen aus einer schmucken Granitsäule das ganze Jahr der Narhallamarsch scheppert?

Das Ganze klingt überspitzt, ist es aber in Wirklichkeit gar nicht. Bedenkt man, wie rasch die hiesigen Eingeborenen ein ungeahntes Sparpotential beim Sargkauf auch für sich reklamierten, als für muslimische Verstorbene die sarglose Bestattung im Leintuch erlaubt wurde, erkennt man, wie schnell bestimmte vermeintliche „Vorzüge“ auch von denen adaptiert werden, die mit der eigentlichen Sache um die es geht, gar nichts am Hut haben, die aber meinen: Wenn die das dürfen, dann will ich das auch!

Wie macht man das eigentlich bei Muslimen? Müssen die einen Muslimen-Nachweis erbringen, daß sie in soundsovielter Generation zurück bis Ali dem Soundsovielten muslimisch waren? Und, hatten wir solche Nachweise in anderer Form nicht schon?

Das Problem ist, daß man es den Friedhöfen zugestehen muß, durch attraktive Angebote, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt davon sprechen kann, um Kunden zu werben.
Auf der anderen Seite ist die Bestattungskultur, ich sagte es oben schon bei den Friedhofsordnungen, nicht etwas, was uns übergestülpt wird, sondern sie ist aus den Wünschen und Bedürfnissen der Trauernden erwachsen.
Genau so, wie unsere Friedhöfe heute sind, so haben wir sie haben wollen.
Und immer schon hat sich der Zeitgeschmack gewandelt und in leichter Form haben sich die Friedhöfe angepasst.

Aber ob man nun jeder Strömung kundenheischend hinterher laufen muß?

Es ist das wesentliche Merkmal eines Friedhofes, daß er vor allem zeigt, daß am Ende alle gleich sind. Mal abgesehen von der Unterscheidung durch große und teure Gräber und einfachere Grabstätten, liegen dort Menschen aller Art nebeneinander. Da liegt der Sozi neben dem Liberalen, der Bauarbeiter neben dem Studienrat, der Dicke neben dem Dünnen und alle vergehen in der gleichen Erde.
„Arm oder reich, der Tod macht alles gleich“, sagt man.

Meiner Meinung nach gibt es genügend Spielraum, jedes Grab so zu gestalten, daß auch ohne großes Brimborium und ohne separate Felder für Anhänger von irgendwas, deutlich gemacht werden kann, was dem Toten wichtig und lieb war. Ein Notenschlüssel, eingraviert auf den Stein, zeigt, daß dort ein Musiker liegt, Hammer und Schlägel zeigen das Grab eines Bergmanns und ein Anker deutet auf eine Verbundenheit mit der Seefahrt hin.
Alles in allem braucht es keine speziellen Stellen auf dem Friedhof für spezielle Leute.

Es wird doch die Integration, die Überwindung aller Hürden und das bitteschön in allen Bereichen wirkende Gleichmachen immer so groß geschrieben.
Warum dann Fußballfans eine Extrawurst braten?

Ich will ne Wurlitzer auf dem Grab!

Bild: Gilzum, This file is made available under the Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication. (bearbeitet)

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