Frag doch den Undertaker

Frau möchte ihren toten Freund heiraten

Es ist halb fünf morgens. Mein Telefon klingelt, es ist die Beratungshotline. Ich bin aber zu verschlafen, um rechtzeitig den Hörer zu nehmen. Bis der Sandmann meine Gedanken freigibt, ist schon der Anrufbeantworter dran gegangen.
So etwas kommt selten vor, vielleicht nur zehn bis zwölf mal im Jahr. Tagsüber melden sich aber sehr viel mehr Menschen bei mir, die ein Anliegen rund um das Thema Tod, Trauer oder Bestattung haben.
Meistens sind es Fragen zu den üblichen Abläufen, die ich rasch beantworten kann. Doch hin und wieder merke ich schnell, daß dieser Mensch, der jetzt am anderen Ende der Leitung ist, mehr benötigt. Hier ist dann der Seelsorger gefragt.

Mit einem jungen Mann habe ich von abends 21 Uhr bis zum anderen Morgen um 7 Uhr gesprochen. Er hatte sich auf ein Leben mit seiner Nadine vorbereitet. Der Umzug nach Berlin war erfolgt, die neue Wohnung hatten die beiden gemeinsam eingerichtet. Einen Job hatte er auch gefunden.
Doch dann hatte Bruder Hein zugeschlagen. Nadine wurde bei einem Autounfall getötet. Ein 87-jähriger hatte vor einem Supermarkt Gas und Bremse verwechselt und war mit hoher Geschwindigkeit quer auf die Umgehungsstraße gerast, direkt in Nadines Auto.
Die Frage, die mir der junge Mann stellen wollte, war an Banalität kaum zu übertreffen. Er hatte sie sich im Grunde schon selbst beantwortet. Aber jetzt am Abend, wenn die Sorgen, Ängste und Nöte einen umschleichen wie dunkle Schatten, jemanden anrufen zu können, das war ihm eine große Hilfe.

Die Frau, die gestern Nacht angerufen hat, hatte kein Glück, sie mußte mit dem Anrufbeantworter vorlieb nehmen.
Etwas später hat sie dann auch noch eine Mail geschrieben:

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Mein Verlobter und ich waren über 30 Jahre zusammen.
Erst vor drei Wochen haben wir übers Heiraten gesprochen. Unsere Beziehung war sehr innig. Wir hatten nur uns, nie war sonst jemand für uns da.
Jetzt ist er gestorben.
Aus unseren Hochzeitsplänen wird jetzt nichts mehr. Mit ihm sind auch diese Pläne gestorben.
Aber nun habe ich in einem Artikel bei Ihnen im Bestatterweblog gelesen, daß Frauen in Frankreich ihre verstorbenen Verlobten heiraten können.
Das erscheint mir DIE Lösung zu sein. Ich bin mit den Nerven am Ende. Ich möchte unbedingt diesen Weg gehen. Welche Papiere benötige ich?
Mein Freund war zwar Deutscher, aber sein Name hat französische Wurzeln. Könnte das den schritt erleichtern?

Es ist bitter, wenn gemeinsame Pläne durch den Tod vereitelt werden. Ich verstehe Ihren Schmerz und auch den inneren Zorn, daß der Tod jetzt die geplante Heirat unmöglich gemacht hat.
Die im Bestatterweblog an dieser Stelle beschriebene Ausnahmeregelung in Frankreich wurde geschaffen, um den Frauen der Arbeiter, die bei einem Dammbruchunglück ums Leben gekommen sind, die Heirat post mortem zu ermöglichen.
Im Vordergrund der Überlegungen stand für die französische Regierung auch, daß die Frauen dadurch versorgt waren, weil sie nun Ansprüche herleiten konnten.

Für mediales Interesse sorgte diese Ausnahmeregelung 2014, als sich eine Frau auf diese Regelung berief und ihren toten Freund heiratete.

http://bestatterweblog.de/frau-heiratet-ihren-toten-freund/

Diese Regelung besteht allerdings nur in Frankreich und nur für Franzosen. Sie kann auch nicht regelmäßig angewendet werden. Die Behörden werden ein Heiratsansinnen in dieser Form immer ablehnen. Es müßte also immer eine gerichtliche Entscheidung im Einzelfall herbeigeführt werden, so wie ich das sehe.

Als Deutsche werden Sie keine Möglichkeiten haben, von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen.

Auch der französische Name Ihres Verlobten hilft da nicht weiter. Französische Wurzeln können alles Mögliche sein.
Eventuell war einer der Vorfahren Ihres Mannes Abkömmling eine napoleonischen Soldaten oder die Familie kam im Zuge der Hugenottensiedelung vor Generationen nach Deutschland.
De facto sind aber die Nachkommen dieser Menschen Deutsche und keine Franzosen.

Ich glaube, Sie werden mit Ihrem Ansinnen leider keinen Erfolg haben.

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    Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 29. März 2017

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    3 Kommentare
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    7 Jahre zuvor

    Konnte mir auch nicht vorstellen, wie das gehen soll. Interessant zu lesen, dass es das echt gab (humane Sache,finde ich!). Bewundernswert, wie gefühlvoll und taktvoll auch dieser Beitrag geschrieben ist.

    turtle of doom
    7 Jahre zuvor

    Schade – aber so funktioniert es eben. Wer zu spät heiratet, den bestraft der Tod. Ausserdem hiesse das, dass man jemanden heiraten kann, der der Ehe nicht explizit zugestimmt hat. Aus dem Verlöbnis ergibt sich letztlich auch kein Recht, den anderen zu heiraten. Wenn es ein solches gäbe, müsste man zuerst gegenüber lebenden Partnern vollstrecken können – die könnten sich wenigstens mit einem Anwalt wehren. 😀

    Vielleicht funktioniert es in einem Land, welches keine Zivilehe kennt – Israel, Mauretanien, viele arabische Länder, Iran und Indonesien sind Beispiele dafür.

    Dort legt die jeweilige Glaubensgruppe fest, wer heiraten darf. Bonuspunkte gibts, wenn diese Glaubensgruppe nicht vom Staat anerkannt sein muss. Eine ad-hoc-Kirche, die einen gestandenen Mann mit seiner Ziege verheiratet oder die mehrfache Kinderehe erlaubt, wäre die Krönung der Religionsfreiheit.

    Dies führt zu einigen Vorteilen (für die religiös gesinnten Menschen), aber natürlich auch zu sehr vielen Nachteilen (z.B. keine Ehe für Atheisten, Partner aus verschiedenen Glaubensgruppen, homosexuelle Partner…), weil sie oft keine gleichgesinnte bzw. anerkannte Kirche finden.

    hajo
    Reply to  turtle of doom
    7 Jahre zuvor

    @turtle of doom: Grundsätzlich stimme ich Dir ja zu, aber musste der zweite Satz wirklich sein?




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