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Genealogen und der Geheimdienst der Post

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Es ist schon einige Jahre her und in dieser Zeit gab es noch eine richtige Post. Man brachte seine Post auf ein Postamt und nicht an einen Beistelltisch im Hinterzimmer einer chemischen Reinigung, die auch Fahrscheine verkauft und Lottozettel annimmt.
In jener Zeit hatten wir sehr viel mit einer genealogischen Gesellschaft zu tun.
Genealogen, nein, das sind keine Leute, die medizinische Untersuchungen an Frauen vornehmen, sondern das sind Ahnenforscher.
Die Leute erforschen ihren Stammbaum, um diesen dann möglichst lückenlos aufzeichnen zu können.
Das kann ein sehr schönes Hobby sein, wenngleich sich meist die Erforschung der ersten zurückliegenden Generationen als recht leicht erweisen kann und man dann sehr schnell an den gefürchteten toten Punkt kommt. Das ist die Stelle im 19. Jahrhundert, ab der es keine leicht auffindbaren zurückliegenden Aufzeichnungen mehr gibt.

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Das umfangreichste genealogische Archiv betreiben die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, von vielen auch Mormonen genannt. Wichtiger Bestandteil ihrer Religion ist es, auch denjenigen Menschen, die vor der Religionsstiftung durch Joseph Smith und vor den von ihm empfangenen Offenbarungen verstorben sind, nachträglich die Segnungen dieser Kirche angedeihen zu lassen. Das schadet niemandem und wenn die Mormonen Recht haben, kann es nur nützen.
Auf jeden Fall profitieren auch alle nichtmormonischen Ahnenforscher von den umfangreichen Aufzeichnungen dieser Kirche, die quasi jedermann zur Verfügung stehen.

Eine genealogische Gesellschaft schickte uns immer wieder Anfragen ins Bestattungshaus, verbunden mit der Bitte, bestimmte Namen auf bestimmten Friedhöfen zu suchen.
Immer wenn wir auf einem dieser Friedhöfe waren, haben wir das gerne erledigt und wurden einmal im Jahr mit einem netten Buchgeschenk bedacht.
Damit uns aber, über den kurzen Zeitaufwand hinaus, keine Kosten entstehen, sandte uns diese Gesellschaft immer Freiumschläge mit.

Große A-4 Umschläge mit einem freigestempelten Portoaufdruck. Man hatte also keine Marken aufgeklebt, sondern das Porto mittels einer Frankiermaschine aufgedruckt.
Jahrelang funktionierte das alles auch wunderbar.

Was ich nicht wußte: Frau Büser sammelte immer einen Stapel der erledigten Anfragen und schickte den Rückumschlag immer erst dann ab, wenn er aufs Gramm genau für das entsprechende Porto gefüllt war. Bloß nix verschenken!
Dadurch kam es dazu, daß wir immer A4-Umschläge mit Sichtfenster und Portoaufdruck übrig hatten, denn die Genealogen schickten immer üppig Freiumschläge mit.

Zu dieser Zeit hatte ich mich noch nicht näher mit der Thematik beschäftigt und auch Frau Büser kannte sich da nicht aus. Wir verwendeten als Bestattungshaus immer hübsche Sondermarken, das wirkte individueller als so ein Stempelabdruck, wie er auch viel auf unangenehmer Behördenpost zu finden ist.

Nun haben diese Stempelabdrucke der Frankiermaschinen eine Besonderheit. Sie werden nämlich nicht von der Post noch einmal extra abgestempelt. Somit werden sie auch nicht entwertet. Ja und damit nun kein Mißbrauch entstehen kann, indem man die Umschläge mehrfach verwendet, wirft man freigestempelte Sendungen als Absender nicht einfach in einen gelben Briefkasten, sondern gibt sie auf dem Postamt am Schalter ab oder steckt sie in besondere rote Umschläge und kann sie in einen ganz bestimmten Briefkasten einwerfen. So war das damals wenigstens.

Durch Frau Büsers Sparsamkeit, weil sie eben mehrere Sendungen zusammenfasste und in einem Umschlag versandte, hatten wir also neutrale A4-Umschläge mit aufgedrucktem Porto übrig und ohne sich etwas Böses dabei zu denken, hat Frau Büser diese für Briefsendungen an andere Firmen und an Standesämter in der ganzen Republik benutzt. Wie lange? Wahrscheinlich so zwei, drei Jahre.

Eines Tages stehen zwei Windjacken in unserem Büro. An den mausgrauen Hosen und den beigefarbenen Windjacken waren die Männer ohne Zweifel sofort als Männer vom Amt erkennbar, was noch durch ihre schweinsledernen Aktentaschen unterstrichen wurde.
Einer hielt mir einen Ausweis unter die Nase. Sie waren vom Postfahndungsdienst (wobei ich mich für den genauen Namen der Abteilung nicht verbürge, es kann auch Postermittlung o.ä. gewesen sein).
In der einen Aktentasche führten sie Fotokopien der von Frau Büser verwendeten Rückumschläge mit sich und behaupteten, wir hätten Porto erschlichen.
Und zwar warf man uns vor, wir hätten freigestempelte Umschläge, die schon einmal „gelaufen“ seien und für die die Post die Transportleistung bereits erbracht hatte, nochmals verwendet.

Gut, wir konnten dann leicht anhand der Korrespondenz mit den Genealogen nachweisen, daß es sich tatsächlich um unbenutzte, freigemachte Umschläge handelte und daß man uns auch ausdrücklich gestattet hatte, überzählige Umschläge für andere Zwecke zu benutzen.

Folgen hatte das für uns keine, wir bekamen ein Merkblatt ausgehändigt und wurden tüchtig ermahnt, so etwas in Zukunft ja nicht mehr zu machen.

Haben wir auch nicht mehr und das war auch nicht mehr nötig, denn die Ahnenforscher haben, nachdem sie davon erfahren hatten, immer normale Briefmarken auf die Rückumschläge geklebt.

Seitdem aber, vor allen Dingen wenn Frau Büser später, als dann Antonia, Sandy und die anderen bei uns angefangen hatten, die Angestellten zu dringend ermahnte, brauchte ich bloß das Insiderwort „Postfahndungsdienst“ fallen zu lassen und Frau Büser war schlagartig ruhig.
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