Menschen

Gottlob

Herr Professor Ferdinand Giebeldinger und seine Frau Guthrunde Giebeldinger-Schwerdtfeger (Achtung: Seitenhieb gegen Doppelnamenträgerinnen!) leben in einer Villa im südlichen Teil der Stadt direkt am See (Sozialneid pur!). Großer Garten mit Skulpturen von einem nicaraguanischen Bildhauer namens Pablo Guataranzamos, von dem ich noch nie etwas gehört habe, von dem aber Frau Giebeldinger-Schwerdtfeger so tut, als müsse ihn alle Welt kennen, weshalb sie von ihm nur als ‚der Pablo‘ spricht. (Zur Schau getragenes Nichtwissen des Autors!)

Ich bin bei den Giebeldinger-Schwerdtfegers weil die Mutter des Herrn Professor im Lutherhaus, einem vornehmen Seniorenstift, gestern Nacht verstorben ist. Die Einladung in unser Büro hatte Professor Giebeldinger mit den Worten abgelehnt: „Ja glauben Sie, ich habe nichts Besseres zu tun, als durch die halbe Stadt zu fahren?“
Was glaubt der? Daß ich meine Zeit gestohlen habe? Aber selbstverständlich fahre ich da hin, der Kunde ist König. (Wer stundenlang Weblogs schreibt, kann ja wohl auch die Zeit übrig haben, um sinnlos durch die Stadt zu fahren.)

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An der Haustür empfängt mich ein Hausmädchen im schwarzen Kleid und mit weißem Schürzchen, bittet mich in der Eingangshalle kurz zu warten und verschwindet durch eine der hinteren Türen. (Ha! Alles erfunden! Daran sieht man, daß das alles erfunden ist. Hausmädchen gibt es nur im Fernsehen und wenn überhaupt tragen die Kittelschürze und Kopftuch und können kein Deutsch.)

„Der Herr Professor ist noch am Telefon, er wird sich gleich um Sie kümmern, darf ich Ihnen unterdessen eine Tasse Kaffee oder etwas anderes anbieten?“ (Das ist der Beweis: die kann Deutsch, also ist sie erfunden!)

Ich lehne dankend ab, zwar hätte ich gerne einen Kaffee, aber ich habe meine Aktentasche dabei und werde den Kaffee dann möglicherweise mitnehmen müssen; und ehrlich gesagt stelle ich mich beim Balancieren jedweder Getränkebehälter, die man nicht zuschrauben kann, sehr ungeschickt an. (Ach, was er sich wieder gespreizt ausdrückt, das macht der nur, um seine Leser unrechtmäßig ans Blog zu fesseln.)

Nur wenige Minuten später kommt Frau Guthrunde Giebeldinger-Schwerdtfeger, begrüßt mich -ohne mir die Hand zu geben- mit den Worten: „Sie sind also der Mann vom Institut, aha“, zeigt ein aufgesetztes Lächeln, das sofort wieder erstirbt, tritt etwas an die Seite und weist mit der Hand auf eine Tür halbrechts, geht dann doch vor, öffnet die Tür und bleibt -die Hände vor dem Bauch ineinandergelegt- stehen, um mich eintreten zu lassen.
(Klasse abgeschrieben, für sowas ist ein Bestatter viel zu doof, ganz sicher bei Beethoven abgeschrieben.)

Ich gelange in ein großes Zimmer mit hellem Marmorboden und einer Panoramaverglasung, die einen Blick durch den Skulpturengarten auf den See ermöglicht. In einer Ecke des Raumes eine lederne Sitzecke mit Couchtisch, in der anderen Ecke ein Flügel. Insgesamt ist der Raum wohl so groß wie meine ganze Wohnung und die ist schon nicht gerade klein. Es ist sehr ruhig in dem Haus, ganz anders als bei mir daheim, meine Schritte zum angebotenen Sessel werden von dicken Teppichen gedämpft. (Erwischt, Undertaker! Eben noch ein Marmorboden, jetzt Teppiche. So ein Widerspruch!)

„Mein Mann wird gleich dazustoßen, aber wir können schon einmal mit den grundlegenden Dingen beginnen. Sie müssen wissen, mein Mann ist Professor und als solcher vielbeschäftigt.“

Ich nicke nur, klicke meine Tasche auf und entnehme ihr eine Beratungsmappe. Zuerst möchte ich wissen, wer verstorben ist und die persönlichen Daten aufschreiben. Das quittiert Frau Giebeldinger-Schwerdtfeger mit den Worten: „Das ist jetzt aber noch nicht verbindlich, nicht wahr? Wir möchten zunächst einmal alles besprechen und dann erst entscheiden.“
(Brutal übertrieben, schlimmer als die BILD-Zeitung!)

Kein Problem, das habe ich häufiger. Ich notiere alles und stelle dann die Frage: „Soll es denn eine Erd- oder eine Feuerbestattung werden?“
(Geklaut in dem Spielfilm! Ich kenn‘ zwar den Namen vom Film nicht, hab‘ den auch noch nicht gesehen, aber der Dialog ist aussem Film geklaut.)

„Diese Entscheidung müssen wir meinem Mann überlassen, der wird gleich kommen. Können wir inzwischen den Blumenschmuck besprechen?“

Auch gut, ich hole den Katalog mit der Trauerfloristik aus dem Koffer und lege ihn der Professorengattin hin. Sie blättert die Plastikseiten mit spitzen Fingern durch, so als ob sie schmutzig oder klebrig wären. Nach jeden Umblättern reibt sie Daumen und Zeigefinger aufeinander, als ob sie den Schmutz entfernen müsste.
Dennoch entscheidet sie sich überraschend schnell für die Farbe Blau und will wissen: „Wieviel gibt man denn so für gewöhnlich für den Blumenschmuck aus?“

Ich nenne einen Durchschnittsbetrag, sie verlangt: „Dann schreiben Sie mal schön das Doppelte auf, es soll ja auch wirken“, klappt den Katalog zu und schiebt ihn mir rüber.
(Boah, da greift der Undertaker aber wieder mal ganz tief in die Klischeekiste. Klar, die Bildungsschicht muß immer verunglimpft werden.)

Als Nächstes wäre die Ausgestaltung der Trauerfeier an der Reihe, doch in diesem Moment betritt Professor Giebeldinger mit den Worten:“Bitte, behalten Sie Platz!“ den Raum, setzt sich mir gegenüber auf den anderen Sessel, die Ellenbogen auf den Sessellehnen und die Fingerspitzen beider Hände aufeinandergelegt.
(Meinste nicht, du bist ein bißchen viel off-topic? Wen interessieren die Hände von dem Typ?)

„Was wurde inzwischen besprochen? Setz‘ mich mal kurz in Kenntnis, Guthrunde“, bittet er und sie erstattet kurz Bericht: „Der Mann vom Institut hat schon die Daten von Mutter aufgenommen und wir haben schon über die Blumen gesprochen, Alles in Blau.“

Er nickt und bittet mich, ihm die Blumen im Katalog zu zeigen. Das tue ich und dann will er wissen: „Und was soll der Spaß kosten?“ Ich nenne den Betrag und er zieht die Augenbrauen hoch, grübelt kurz und sagt: „Na, das scheint mir dann aber doch ziemlich überteuert. Nehmen Sie mal genau die Hälfte, dann passt das schon.“
Frau Giebeldinger-Schwerdtfeger nickt heftig und signalisiert Zustimmung.

Das Hausmädchen kommt herein, hat ein schnurloses Telefon in der Hand und sagt: „Herr Professor, ein Gespräch aus dem Institut für Sie.“

„Sie entschuldigen mich“, sagt er zu mir und an seine Frau gewandt: „Du kannst mit ihm ja schon mal den Sarg raussuchen.“
Er nimmt das Telefon und verlässt den Raum.
(Jaja, schnurlose Telefone gab es damals noch gar nicht. Die Geschichte ist ja bestimmt 50 Jahre her, aber wir wissen ja, daß Tom alles verändert.)

Guthrunde schaut mich erwartungsvoll an, ich schaue sie fragend an, dann sagt sie mit einem gleichermaßen auffordernden wie fragenden Unterton: „Die Särge?“

Den Katalog auf den Knien sucht sich Frau Giebeldinger-Schwerdtfeger die Särge allein anhand des Preises aus. Keine Frage nach der Holzart oder wie man die Farbe nennt, nichts. Alles was unter 2.000 liegt, findet keine Berücksichtigung und wird gleich -wieder mit spitzen angeekelten Fingern- überblättert.
(Übertrieben, ausgeschmückt, alles nur mit dem Ziel die Leser zu manipulieren!)

„Na, der hier, der wär‘ doch was“, sagt sie, tippt auf die polnische Abendmahltruhe und klappt den Katalog zu. Die Abendmahltruhe habe ich gar nicht haben wollen. Das ist ein sehr hoher Sarg aus Eiche, saumäßig schwer und riesengroß. An den beiden Seiten ist die Szene „Das letzte Abendmahl“ eingeschnitzt, sehr aufwendig aber auch sehr kitschig, wie ich finde.
(Ein gemeiner und hinterhältiger Angriff auf die christlichen Kirchen, so wie man es vom Undertaker gewohnt ist, alter verkappter Sozi!)

„Die kostet aber 2.990 Euro“, weise ich die Professorengattin auf den doch recht hohen Preis hin. „Das macht nichts, wir haben es nicht nötig zu sparen, es soll ja auch nach was aussehen.“

Also notiere ich die Abendmahltruhe und bin gerade damit fertig, als der Herr des Hauses wieder dazukommt. „Was habt Ihr entschieden?“ will er wissen und seine Frau zeigt ihm den Sarg im Katalog. „Sehr hübsch“, sagt er, blättert den Katalog aber doch ganz durch. Beim Modell „Bern“ stockt er, tippt kurz darauf und sagt: „Der hier ist doch auch recht ordentlich und der kostet ja nur 990 Euro, das dürfte ja wohl reichen, denn seinen Zweck erfüllt der ja genauso.“

Ich streiche die Abendmahltruhe und notiere „Bern“, mir ist es egal.
„Wir erwarten eine Abordnung von der Arbeiterwohlfahrt, meine Mutter war dort Jahrzehnte lang Vorsitzende. Wieviele Leute haben in der Trauerhalle Platz?“ will der Professor wissen.
(Ein gemeiner und hinterhältiger Angriff auf die Sozialdemokraten, so wie man es vom Undertaker gewohnt ist, alter verkappter Erzkatholik!)

In die Trauerhalle passen rund 200 Menschen, das reicht dem Herrn Professor. Zügig können wir weitere wichtige Dinge besprechen und endlich auch die Frage klären, ob es eine Erd- oder Feuerbestattung gibt, die Mutter wird erdbestattet.

Draußen im Skulpturengarten tut sich was, ein junges Mädchen von etwa 19 oder 20 Jahren mit zwei Dalmatinern an der Leine taucht auf, klopft an eine der Glastüren und Professoer Giebeldinger springt auf: „Nathalie!“
Er öffnet die Tür, das Mädchen läßt die Hunde los und kommt herein. Sie würdigt mich keines Blickes, die Hunde aber umso mehr. Einer reibt seine versabberte Schnauze an meinem Hosenbein, der andere steckt seine Schnauze in meinen Schritt, was mir sehr unangenehm ist. Ich bin frisch geduscht, trage saubere Unterwäsche und habe nicht meine Tage.
(Daß Du kein Tierliebhaber bist, werter Undertaker, haben wir schon oft lesen müssen. Etwas mehr Toleranz bitte! Außerdem ist das absolut unglaubwürdig, Dalmatiner machen sowas nicht.)
„Die sind lieb, die machen nichts“, sagt Frau Giebeldinger-Schwerdtfeger und kümmert sich nicht weiter um die Hunde.

Der Hund der seinen Kopf zwischen meinen Beinen hatte, rennt auf einmal weg, der andere hat meine Schuhe abgeschleckt, vermutlich riecht er meine Hunde, dann reitet er an meinem Knie auf und macht rhythmische Bewegungen mit dem Hinterteil, offenbar will er mich begatten, das will ich aber nicht und schubse ihn vorsichtig weg.

(Eindeutig bei Loriot geklaut, da kam sogar ein sprechender Hund vor!)

„Mögen Sie keine Hunde?“ will Frau Professor wissen. „Doch, doch“, sage ich: „aber nicht wenn sie das da machen.“ Ich deute auf den lustgeplagten Rüden, der schon wieder mein Bein rammeln will.
Nathalie pfeift kurz, der Hund läßt von mir ab. Herr Professor, Tochter Nathalie und die Rammelhunde verlassen das Zimmer.

Guthrunde will die Zeitungsanzeige besprechen. Nachdem ihr Gatte sich nun schon zweimal für eine günstigere Variante entschieden hat, sucht sie sich eine kleine Anzeige aus. Da die Mutter aber Gottholde Marianne mit Vornamen heißt und unbedingt alle Namen in die Anzeige sollen, rate ich zu einer geringfügig anderen Anzeige, nicht größer, aber breiter.
Ich zeichne den Rahmen auf, male die Buchstaben beispielhaft ein, sie ist zufrieden.

Abermals stößt der Professor hinzu, wirft einen Blick über meine Schulter und sagt: „Das geht ja gar nicht!“
Seine Frau wehrt sofort ab: „Der Mann hat mich überredet die größere Anzeige zu nehmen, ich wollte eine schmalere.“

Gerade will ich tief Luft holen, um den beiden mal zu sagen, wie doof ich sie finde, da sagt er: „Papperlapap! Größer muß sie sein, viel größer!“

„Genau das habe ich dem Mann ja auch gesagt!“ befleißigt sich Guthrunde schnell zu sagen und ich fange mir von beiden einen strafenden Blick ein.

Herr Professor Giebeldinger bestellt eine Viertelseite, es muß Platz für seine ganzen Titel sein.
(Ach komm, gib doch zu, daß Du denen ’ne große Anzeige aufgeschwatzt hast. Du wolltest nur deren Geld.)

Auch das ist mir egal, ich ändere es und wir wenden uns der Trauerfeier zu. Glücklicherweise kommen wir nun sehr rasch voran, es gibt auch keine weiteren Komplikationen, auch wenn das Gespräch dadurch etwas erschwert wird, daß Nathalie mit einer Miniflasche Mineralwasser in der Hand hereinkommt und sich, immer noch ohne von mir überhaupt Notiz zu nehmen, bei ihrem Vater auf die Sessellehne setzt und mit ihm unbedingt über die bevorstehende Winterreise nach Davos sprechen muß.
Beide Elternteile gehen auch sofort auf das ‚Kind‘ ein und ich bin abgemeldet.
(Tiefer kann man kaum in die Dreckskiste der Klischees greifen. Alles erlogen und erstunken, wahrscheinlich nichtmal wahr!)

Gottlob sind wir durch, ich rechne alles zusammen, mache letzte Notizen und noch gottlober bekommt das Kind auf einmal Lust auf dem Flügel zu spielen. Das stört zwar ungemein, aber wenigstens kann man gegen das Geklimper anbrüllen und ich bekomme recht schnell meine Unterschrift.
(Ziehen wir mal die Übertreibungen und Ausschmückungen ab, dann wird es vielleicht ein Klavier gewesen sein, vielleicht sogar nur eine Flöte!)

Ich habe schon fast alles wieder eingepackt, da kommt mir der Gedanke, daß es eventuell nicht verkehrt sein könnte, einen Vorschuß zu verlangen. Die sind so überheblich, da gibt es bestimmt noch Schwierigkeiten. Ich brauche das Thema erstaunlicherweise nur kurz anzureißen und schon schreibt mit der Professor einen Scheck aus. Über die komplette Summe, na prima!
(Alles erfunden! Der Beweis: Es gibt doch gar keine Schecks mehr!)

Ich bin ja mal gespannt, ob da alles glatt geht.
Irgendwie bin ich froh, als ich wieder in meinem Auto sitze und in meine ganz normale Wirklichkeit zurückfahren darf.

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(©si)