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Gut sieht sie aus!

Frau Pöppenrieder ist weit über 80 Jahre alt geworden. Ob sie mal schön war, kann ich nicht sagen, jetzt jedenfalls ist sie es nicht mehr. In erster Linie liegt das daran, daß sie tot ist, hat aber auch etwas damit zu tun, daß sie sowieso nicht besonders schön aussah.
Da kann dann auch der beste Bestatter nicht viel machen. Man kann so eine alte Frau natürlich herrichten, etwas pudern und ihr ein etwas weniger totes Aussehen verleihen.
Ich fand, daß wir Frau Pöppenrieder ganz gut hinbekommen haben. Friedlich liegt sie in ihrem Sarg, sieht ordentlich aus und so brachten wir sie auf den Friedhof in eine der Aufbahrungszellen dort.

Wir machen dann immer ein amtlich vorgeschriebenes Namenskärtchen an die Tür der jeweiligen Zelle.

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Am nächsten Tag geht die gesamte Familie Pöppenrieder auf den Friedhof, um Abschied von der Oma zu nehmen und ihr ein paar Blümchen in den Sarg zu legen.

Es vergeht noch ein Tag und drei Abgesandte der Familie kommen zu uns, um noch einmal wegen der Beerdigung am nächsten Tag alles zu besprechen. „Also, wie Sie unsere Oma hinbekommen haben, das ist ja unglaublich, die sieht ja aus wie das blühende Leben. So gut hat die schon lange nicht mehr ausgesehen“, sagt die eine Tochter und die andere Tochter sagt: „Warum aber haben Sie der Oma ein Totenhemd angezogen, wir hatten doch das Schwarzgeblümte vorbeigebracht.“

Sie lassen es aber bei der Bemerkung bewenden und sind schnell wieder verschwunden, sie wollen noch zum Gärtner.

So rufe ich unseren Manni und lasse mir die Akte bringen. Da steht tatsächlich „Eigene Kleidung“. Warum die Frau einen Talar anhabe, will ich von Manni wissen und der weiß gar nicht was ich von ihm will. Er muß im Kopf erst die Sterbefälle der letzten Tage sortieren und dann sagt er: „Nee, wenn das diese ganz alte Frau ist, die hat ihr eigenes Kleid an. Das weiß ich ganz genau.“

„Die Angehörigen sagen aber, die hätte einen Talar an.“

„Keine Ahnung, ich nehme aber nicht an, daß die alte Frau Pöppenrieder sich noch umgezogen hat.“

Nachmittags muß Manni nochmal auf den Friedhof und kommt eine halbe Stunde später wieder zurück. Er trommelt die gesamte Belegschaft inklusive Chef zusammen. Dann sitzt er vorne im Büro auf einem Drehstuhl, genießt ganz augenscheinlich die erwartungsvolle Aufmerksamkeit und dann -nach einer kleinen Kunstpause- erzählt er: „Also, die Pöppenrieders sind auf den Friedhof, dann links in das Gebäude mit den Aufbahrungszellen und gleich in die erste Kammer mit einem Sarg. Da haben sie eine Viertelstunde geweint und ihre Blümchen in den Sarg gelegt. Bloß war das die Aufbahrungszelle von Frau Michelstatter vom Beerdigungsinstitut Kunz und Blömer.“

„Nein!“ staunt Frau Büser und Manni erklärt: „Die beiden alten Frauen sehen sich schon irgendwie ein bißchen ähnlich, andererseits aber auch wieder nicht, keine Ahnung. Jedenfalls haben die Pöppenrieders vor einer völlig falschen Leiche gestanden.“

Wir schmunzeln alle und Frau Büser schaut in die Akte, dort ist vermerkt, daß der Sarg nach dieser Abschiednahme verschlossen werden soll.
Wir beschließen, der Familie die kleine Blamage zu ersparen und nichts zu sagen.

Gibt’s später auch als Podcast (Nr. 22)

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#aus! #sieht

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