Mitarbeiter/Firma

Herr Horb -3-

Mir ist das unangenehm, einen Mitarbeiter auf so ein Problem anzusprechen. Es gibt ja Chefs und vor allem Personalchefs, und das weiß ich aus ganz eigener Anschauung, denen erigiert sich das Pürzelchen, wenn sie einen mal so richtig zusammenfalten dürfen.
Das muß man natürlich auch können, ist ja klar, es kommt immer mal was vor, bei dem man mit Verständnis und Milde nicht weiter kommt; und es ist ebenfalls klar, daß größere Unternehmen durchaus Leute fürs Grobe beschäftigen müssen.
Aber in so einem kleinen, fast in familiärer Atmosphäre geführten Betrieb hat man eben keinen für die Drecksarbeit, da muß man das als Chef schon selbst machen.
Jetzt ging es im Falle des Herrn Horb aber nicht um „Zusammenfalten“ und „Drecksarbeit“, sondern darum, dem Mann zu nahe zu treten, ihn auf etwas für ihn vermutlich Unangenehmes anzusprechen, eben diesen von mir jedermann gewährten Sicherheitsabstand des Persönlichen zu durchbrechen oder zu unterschreiten. Das habe ich noch nie gerne gemacht.

Aber am nächsten Tag bin ich kurz nach Arbeitsbeginn runter in den Keller gegangen, habe die übrigen Männer zu irgendwelchen Arbeiten geschickt und mich zu dort verbliebenen Herrn Horb an den langen Biertisch gesetzt.
Diesen Biertisch hat vor vielen Jahren mal jemand auf einem ganz bekannten Volksfest geklaut und es ist eine seinerzeit oft erzählte und mit vielen Ausschmückungen versehene Geschichte, wie vier Männer einen fünften, der sturzbesoffen war, in Manier von Rettungskräften auf diesem Biertisch im Rahmen gespielter Erster Hilfe und unter den Augen des maßkrugbewachenden, urbajuwarischen Festzeltwirtes hinausgetragen und so den Tisch mit dem eingebrannten Zeichen einer weltbekannten Klosterbrauerei quasi entführt haben und als Trophäe auf dem Dach ihres Autos am nächsten Tag mitgenommen haben.
Klassischer Diebstahl, längst verjährt, aber so kam der Tisch erst in den Besitz eines unserer Fahrer, war ihm dann im Weg und wurde kurzerhand, weil die Männer das so wollten, unten im Sozialraum unserer Firma als Brotzeittisch aufgestellt; und dort stand er dann für viele Jahre.

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Abgegriffen, abgescheuert, von vielen Ellenbogen geblankt, strahlt der Tisch als Zentrum der kellerigen Gemütlichkeit für alle meine Männer so etwas wie Ruhe und Gemeinsamkeit aus und an diesem Tisch ist man unter sich und alles was dort geschwätzt wird, bleibt auch dort, so ist die eherne Regel, und wird nicht nach oben getragen, wo wir Büromenschen sitzen, die sowieso nur den Sessel vollpupsen, während die holzverarbeitenden und -transportierenden Mannen da unten, über die BILD gebeugt und Karten klopfend, jeden Tag aufs Neue die Firma, die Nation und die Welt vor dem Untergang retten.

Welch besseren Ort könnte es geben um mit Herrn Horb zu sprechen.
Es stand für mich außer Frage, daß der Mann ein Alkoholproblem hatte und darauf mußte ich ihn ansprechen, aus Menschlichkeit, um ihm zu helfen und um mir und meinen teuren Fahrzeugen den Arsch, bzw. das Heck zu retten.
Man darf ja nicht vergessen, daß unabdingbare Voraussetzungen für den Beruf des Bestatter oder Bestattungshelfers der Besitz der Fahrerlaubnis und die stete Fahrtüchtigkeit sind.
In einer Dienstvereinbarung haben sich alle Herren da unten (wie auch die Damen da oben) dazu verpflichtet, ein Dienstfahrzeug nur dann zu steuern, wenn sie absolut nichts getrunken haben und natürlich auch noch im Besitz eines Führerscheins sind.

Ich kann erzählen, wie das, seit unseren Erfahrungen mit Herrn Sommerfeld, unter Mannis Ägide gehandhabt wurde.
Manni hat ein Formular entworfen, das er den Fahrbefehl nennt. Darauf wird das Fahrzeug, die zu fahrende Tour usw. eingetragen und mit diesem Blatt wird zum und um das Fahrzeug gegangen, alle vorhandenen Beschädigungen eingetragen und dann kommt das Blatt, mit dem Kürzel des Fahrers unterzeichnet in die Fahrzeugmappe und es ist dann eine automatische Handbewegung, zum Portemonnaie oder zur Brieftasche zugreifen und Manni den Führerschein zu zeigen.
Mit anderen Worten: Ohne Lappen fährt hier keiner raus.

Und mit dem Alkohol?
Tja, wer in Verdacht steht, der muß blasen. Dafür hat Manni so einen Apparat, den er aber, außer zum Spaß, wenn im Keller mal nach Feierabend etwas gefeiert worden ist und wenn alle mal gucken wollen, wie so’n Ding funktioniert, noch nie anwenden mußte.
Es ist bei uns so viel einfacher, zu Manni oder zum Chef zu gehen und zu sagen: „Ich hatte gestern einen zu viel, laßt mich heute irgendwas hier in der Firma arbeiten, bloß nicht fahren…“
Das geht, das führt zu Störungen im Arbeitsablauf, schließlich hat man die Männer ja verplant, aber es geht, es muß gehen und es bleibt ohne Folgen.

So und nun sitze ich also mit Herrn Horb an diesem blankgescheuerten Tisch und spreche ihn direkt auf die Geschichte mit dem Schnaps, dem Kiosk und dem Verwalter vom Südfriedhof an.

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