Mitarbeiter/Firma

Herr Horb -7-

Ich ließ mir Herrn Horb direkt hochbringen und dann saß er da, ein wenig wie ein Häufchen Elend, weil er ahnte, daß ihm nichts Gutes widerfahren würde und ein wenig trotzig.
Anders kann ich es nicht bezeichnen, daß er schon nach wenigen, schweigend verbrachten Minuten, in denen ich ihn nur von meinem Schreibtisch aus prüfend anschaute, die Beine übereinanderschlug, vor dem Knie die Hände verschränkte und störrisch die Unterlippe vorwölbte.

Also ließ ich das geplante Donnerwetter mit einem leisen Donnergrollen beginnen und konfrontierte ihn mit seiner Tat. Er hatte wiederholt gegen den Arbeitsvertrag und die Dienstvereinbarungen verstoßen, Alkohol während der Arbeitszeit konsumiert, war wahrscheinlich oft schon im angetrunkenen Zustand zur Arbeit erschienen und hatte zu guter oder besser schlechter Letzt in volltrunkenem Zustand unseren Bestattungswagen trocken vor die Wand geklatscht.
Zum Abschluß dieser Einführungsansprache nahm ich den Kostenvoranschlag von Karosseriebau Tafelmeier & Co. aus meinem Ablagekorb und hielt ihm den hin: „Da sehen Sie, 2.100 Euro! Wer soll denn das, Ihrer Meinung nach, bezahlen?“

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Ja, da könne er ja gar nichts dafür, das sei ja alles nichts weiter als ein großes Mißverständnis, er habe ja diesen Toten ganz alleine abholen müssen und das auch noch im Luisenspital, wo man sowieso besser zu zweit hingefahren wäre, und somit sei ja Manni Schuld, daß er ihn da ganz alleine hin geschickt habe und außerdem habe er sich dann da einen Pfleger suchen müssen, der ihm hilft und dabei sei er in eine Geburtstagsfeier der Pfleger und Schwestern geraten, die ihn quasi genötigt hätten, ein, zwei wönzöge Schlöckchen zu trinken und das sei ihm, der ja sonst so gut wie nie trinke und den Alkohol nicht gewöhnt sei, zu Kopfe gestiegen: „Ich schwör! Ehrlich, so war das!“
Und weil er eben im Trinken so unerfahren sei, habe er auch die Konsequenzen von nur einer halben Flasche Wodka gar nicht abschätzen können: „Das Zeug lief runter wie Wasser, das hat gar nicht gebrannt und ich hab gar nichts gespürt, erst als ich hier auf den Hof gefahren bin.“
Eigentlich schon vorne an der Ecke, aber da habe ihn sozusagen allein das immense Pflichtbewußtsein angetrieben, doch noch die abgeholte Leiche bis in die Firma zu fahren. Ursprünglich habe er ja, als er merkte, daß Wodka doch anders wirkt als Mineralwasser, sofort anhalten wollen, doch nur aus Treue zur Firma und weil er mir „den Arsch retten“ wollte, habe er trotz der widrigen Umstände darauf verzichtet, die Straßenverkehrsordnung einzuhalten und die Fahrt trotz seiner leichten Fahruntüchtigkeit noch bis an die Wand auf dem Firmenhof fortgesetzt.

Nach diesen Ausführungen, wiegesagt etwas trotzig vorgetragen, blieb mir kurz der Mund vor Staunen offen stehen…
So viel Chuzpe hätte ich dem Mann gar nicht zugetraut.

Wo nimmt so einer die Frechheit her, mir in einer so klaren Situation so frech die Stirn zu bieten?

Es kann jedem passieren, auch mir ist das schon mal passiert, daß man irgendwo in ein Trinkgelage gerät, zu dem man herzlich und keinen Widerspruch duldend, eingeladen und zum Trinken quasi genötigt wurde.
Ich lehne immer, immer ab, aber manchmal ist eben nicht immer oder so. Meine Güte, wenn die Situation sich so ergibt, die Menschen nett und einem verbunden sind, dann will man manchmal ja auch gerne bleiben.
Aber dann nimmt man das verdammte Handy in die Hand, ruft jemanden an und läßt sich da abholen. Und das gilt erst recht, wenn einem so etwas blöderweise während der Arbeitszeit passiert und man wichtige Fracht und ein doch recht wertvolles Fahrzeug zu bewegen hat.

Also, abgesehen von der Momentsituation, in der Horb anders hätte reagieren müssen, also gar nicht erst Alkohol zu sich nehmen dürfen, hat er bei der Lösung des Problems auch noch versagt und sich nicht abholen lassen.
Ja und noch schlimmer: Ich glaubte ihm wieder mal kein einziges Wort.

Daß da gefeiert worden ist, das mochte ja noch stimmen, aber dieses händeringende Gelaber von „ich bin den Alkohol ja nicht gewöhnt“, da hatte im Faß die Morgenstund das Öl im Feuer zum Überlaufen gebracht…
Nee, so was!

Frechheit!

Ich mein‘, ich bin doch nicht doof! Wie kann der Mann glauben, daß er mir so eine Räuberpistole auftischen kann? Für wen oder was hält der mich?

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