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Herr Nussbaumer und der Nachlass

Natürlich ist Herr Nussbaumer direkt anschließend bei uns aufgetaucht. Er hatte ja angerufen und sich wegen des Nachlasses erkundigt und ich hatte ihn an die für Erbangelegenheiten zuständigen Stellen verwiesen.
Die erste Nachlasserhebung macht das Standesamt. Dort gibt ein Hinterbliebener Auskunft über das vermutete Erbe und die möglichen erben. Manchmal sind die Verhältnisse so klar, daß damit für den Hinterbliebenen und Erben auch schon fast alles erledigt ist.
In anderen Fällen, etwa wenn die vermeintlichen Erben sich um das Hab und Gut des Verblichenen streiten wie die besenbindenden Kesselflicker, kann es sogar soweit kommen, daß der Standesbeamte das Erbe beschlagnahmt und die Wohnung des Verstorbenen bis zur Klärung versiegelt. Fragt mich nicht nach dem Warum und Wie und nach den Rechtsgrundlagen, ich bin kein ErbrechtsExperte. Um ehrlich zu sein, wollte ich mich da schon seit mindestens 15 Jahren mal genauer erkundigen, habe es aber bislang versäumt.
Ich hole das mal nach.

Jedenfalls war es so daß Herr Nussbaumer gar nicht von dieser Art Nachlass gesprochen hatte und deshalb im Rathaus beinahe völlig fehl am Platze gewesen ist. Er meinte einen Preisnachlass bei uns.

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„Was eine praktische Sache!“ freute er sich, als er dann doch endlich bei uns war und holte, noch während er in der Tür stand, ein dickes Bündel Banknoten aus der Manteltasche und wedelte damit. „Ich habe bei der Frau im Rathaus den Nachlass angemeldet, jetzt können Sie mir den abziehen.“

84 ist Herr Nussbaumer schon, in dem Alter haben andere schon gar kein Gehirn mehr, also was soll’s?

„Sie sollten nicht soviel Geld mit sich herumtragen“, tadele ich ihn und weise darauf hin, daß er das auch ohne weiteres hätte überweisen können. Ich führe ihn in mein Büro, wir nehmen Platz und er erklärt:

„Überweisen? Ganz bestimmt nicht! Meine Frau hat sich vor Jahren mal breitschlagen lassen, ein Konto einzurichten, für’s Telefon und für die Gasrechnung. Aber ich setze keinen Fuß in keine Bank. Ich sag‘ Ihnen, Banken wollen alle nur unser Bestes, nämlich unser Geld.“

Mit dieser Einschätzung steht Herr Nussbaumer nicht alleine das, viele ältere Menschen haben kein Vertrauen zu den Banken und fühlen sich durch die voranschreitende Modernisierung, PIN- und TAN-Nummern, Automatenbanking und Kontoauszugdrucker einfach überfordert.

„Ich hab‘ mein ganzes Geld zu Hause, gut versteckt, da kommt keiner dran, im Wohnzimmer haben wir rechts im Schrank nämlich ein Fach für Getränke und da kann man die Einsätze für die Flaschen rausnehmen und dahinter wunderbar sein Geld verstecken. Da habe ich auch mein Testament.“

„Wenn Sie ihr Testament aber so gut verstecken, dann findet das doch keiner.“

„Ach wissen Sie, wenn die nach den 200.000 Euro suchen, werden die schon gründlich suchen und auch das Testament finden.“

„Das ist eine Menge Geld, soviel sollten Sie auf gar keinen Fall zu Haus aufbewahren. Stellen Sie sich vor, da würde eingebrochen und jemand findet trotzdem das Versteck.“

„Ich sag’s doch keinem!“

„Doch, mir!“

„Wieso? Das ist doch geheim.“

„Sie haben es mir aber gerade eben erzählt.“

Herr Nussbaumer stutzt, schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch: „Zapperlot! Verdammichaucheins! Ist das wirklich wahr?“

Ich nicke und sage: „Wenn Sie doch ein Konto haben, dann sollten Sie alles Geld da einzahlen. Sie können ja einen gewissen Betrag als Sicherheit immer noch im Barfach verstecken.“

Er grübelt und schüttelt den Kopf, zuerst glaube ich, er tut das, weil er meine mahnenden Worte nicht annehmen will, dann merke ich aber, daß er sich über sich selbst ärgert, weil er so geschwätzig war.

Nochmals dringe ich in ihn: „Wirklich, sie sollten keine 200.000 Euro zu Hause behalten. Überlegen Sie mal in Ruhe, das ist doch bestimmt ihr gesamtes Erspartes und wie schnell ist das weg.“

„Das ist ja gar nicht alles. Ich habe noch viel mehr.“

„Herr Nussbaumer!“ sage ich tadelnd.

„Und wenn die Banken wieder kaputtgehen? Was mache ich dann? Was ich in Händen halte ist meins, wenn’s erstmal bei der Bank liegt, geht’s kaputt.“

Mir gehen die Ausführungen meines damaligen Professors über das wunderbare Zusammenspiel der drei ‚Z‘ durch den Kopf: Zeit, Zins und Zinseszins. Wer weiß, wie viel Geld Herr Nussbaumer schon wie lange bunkert und wie viel das hätte inzwischen sein können, wenn das 10, 20 oder gar 50 Jahre verzinst worden wäre.

„Also, wir machen das jetzt mal mit ihrer Rechnung und ganz klar: Sie waren ja schon auf dem Rathaus, also bekommen Sie auch Ihren Nachlass.“

„Das ist ja prima, der Nachlass ist mir nämlich wichtig. Auf der Rechnung steht ja, daß ich 3% bei Zahlung innerhalb von 7 Tagen bekomme. Das lasse ich mir nicht entgehen.“

„Aber Sie lassen sich eine Menge Nachlass bei Ihrem Geld entgehen.“

„Wieso?“

„Na, Sie bekommen doch von der Bank Zins und Zinseszins. Sie hätten Ihr Geld schon vor Jahren dort anlegen sollen.“

„Das wollen die auch immer und ich bin froh, daß ich das nicht gemacht habe. Der Wagners Franz hat viel Geld im Osten verloren, weil ihn der Mann auf der Bank falsch beraten hat.“

„Wenn Sie Ihr Geld auf ein Sparbuch legen oder risikofrei festlegen, dann geht da nichts verloren.“

„Das ist mir alles zu kompliziert.“

„Ihre Tochter, kann Ihre Tochter Ihnen denn da nicht helfen?“

„Nein, die soll das gar nicht wissen! Die Jutta war immer stinkfaul und ich bin froh, daß die in den letzten Jahren den Hintern hochgekriegt hat. Die kriegt das Geld noch früh genug, aber wenn die jetzt wüßte, wie viel ich habe, dann würde die das Geld schon ausgeben, noch bevor ich tot bin.“

„Und was, wenn unsere Frau Büser mit Ihnen geht?“

„Geht diese Frau Busen dann auch mit, wenn ich mal Geld brauche?“

„Büser! Die Dame heißt Büser! Sie können das mal mit Frau Büser besprechen, sie geht sowieso jeden Tag zur Bank, da wird sich ein Weg finden lassen.“

„Na, ich weiß ja nicht, nachher ist alles wieder kaputt!“

Ich gehe jetzt mal auf seine Einwände gar nicht ein, wende mich seiner Rechnung zu und errechne seinen heißersehnten Nachlass. Herr Nussbaumer bezahlt und ich rufe Frau Büser herein. Wenige Worte genügen, um sie ins Bild zu setzen und sie nimmt Herrn Nussbaumer mit in ihr Büro.

Später erzählt sie mir, daß sie vermutet, der Mann habe mindestens das Doppelte, wenn nicht gar das Dreifache an verschiedenen Stellen seiner Wohnung gebunkert. Neben einer Putzfrau käme noch regelmäßig ein Hausmeisterdienst und diverse andere Helfer. Man will ja niemandem etwas unterstellen, aber wie sagt das Sprichwort so schön: Gelegenheit macht Diebe.

Ich hoffe mal, daß der Alte einsichtig ist und seinen Sparstrumpf tatsächlich der Bank anvertraut.
Jedenfalls will Frau Büser mit Manni, dem Fahrer, gegen Abend mal zu Herrn Nussbaumer. Sie wollen zu zweit gehen, damit da hinterher kein Gerede aufkommt, falls der alte Mann doch noch den Überblick verliert.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#herr #Lektorin A #nachlass #nussbaumer

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