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Hilfe, der Bestatter will meine Oma nicht beerdigen, dringend!

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Auf meiner Telefonhotline meldete sich gestern Abend aufgeregt eine Frau aus Niedersachsen, die unter Tränen ihr Leid klagte.
Folgendes hat sich zugetragen:

Am 27.09.2013 ist die Oma der Anruferin in einem Krankenhaus verstorben und man hat telefonisch das Bestattungshaus N. kontaktiert.
Daraufhin ist die Familie zum Bestattungshaus N. gefahren, um die weiteren Schritte zu besprechen. Überraschenderweise bekam man dort die Auskunft, man habe die Oma schon im Krankenhaus abgeholt, schließlich sei es ja Freitag und am Wochenende ginge da seitens des Krankenhauses gar nichts mit der Abholung von Verstorbenen.
Die Familie wandte ein, man habe ja noch gar keinen festen Auftrag erteilt. Vor allem wolle man, daß die Oma eigentlich direkt vom Krankenhaus ins Krematorium gebracht und eingeäschert wird. Ganz ohne großes Brimborium und vor allem mit dem günstigsten Sarg.
Eine Trauerfeier wollte man später nur mit der Urne machen, so wie ich es hier im Bestatterweblog schon oft beschrieben habe.

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Durch die voreilige Überführung durch das Bestattungsunternehmen sind Kosten für diese Überführung und Kühlkosten für mehrere Tage in Höhe von insgesamt 700 Euro angefallen.
Trotz aller Kritik am Bestattungshaus einigte sich die Familie dann darauf, trotzdem bei diesem Bestatter zu bleiben, denn ein Wechsel des Bestatters zu diesem Zeitpunkt hätte Ärger, Streit und vor allem weitere Kosten verursacht.

Der Bestatter N. ließ die Angehörigen nun Sarg, Totenkleidung und Urne aussuchen und legte ihnen dann eine Reihe von Formularen zur Unterschrift vor.
Darunter Formulare für das Friedhofsamt, für die Kirche, die eigene Beauftragung und noch ein Formular, dessen Sinn die Angehörigen nicht auf Anhieb verstanden.
Das sei wegen der Steuer, habe der Bestatter gesagt, das sei jetzt „Europa-Pflicht“.

Erst daheim hat die Familie nach mehreren Stunden die Kopien der Papiere genauer durchgeschaut und entdeckt, daß sie mit dem letzten Formular eine Abtretungs- und Finanzierungserklärung für eine Factoring-Bank unterschrieben hatten.

Factoring-Unternehmen machen kurz gesagt Folgendes: Unternehmer „verkaufen“ quasi ihre Rechnungen an diese Unternehmen, die für einen bestimmten Prozentbetrag der Rechnungssumme die komplette Abwicklung des Zahlungseinzugs übernehmen.
Das heißt, man bekommt Mahnungen, Zahlungsaufforderungen usw. von diesem Factoring-Betrieb.
Der Vorteil für den Bestatter liegt klar auf der Hand: Er bekommt sein Geld sicher und zügig. Oftmals hat das auch für die Kunden gewisse Vorteile, etwas weil die Partnerunternehmen des Bestatters Ratenzahlungen etc. anbieten.

Im Grunde genommen könnte es dem Kunden gleich sein, ob der Bestatter selbst den Zahlungseinzug überwacht oder ob er das in fremde Hände gibt.
Ein Nachteil für die Kunden könnte darin liegen, daß Bestatter nichts zu verschenken haben und natürlich u.U. die Kosten für das Factoring in die Kalkulation einfließen lassen.

In diesem konkreten Fall lag das Problem aber anders. Derjenige, der den Bestattungsauftrag unterzeichnet hat, steht gerade mit Banken wegen einer Hypothek in Verhandlungen und ihm stößt sauer auf, daß die Einschaltung des Factoring-Unternehmens quasi wie eine Kreditaufnahme behandelt und laut Aufdruck auf den Papieren mit einer Bonitätsüberprüfung und Schufa-Meldung verbunden ist.
Er befürchtet, daß das auf die ohnehin wackelige Entscheidung der Banken einen negativen Einfluß haben könnte.

Daraufhin hat er von einem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht und die Vereinbarung mit dem Factoring-Unternehmen widerrufen und das auch dem Bestatter am 1.10.2013 mitgeteilt.

Nun hat der Bestatter gestern Nachmittag bei meiner Anruferin, die Wortführerin der Familie, aber nicht die Auftraggeberin ist, angerufen und ihr mitgeteilt: „Bringen Sie den gesamten Rechnungsbetrag heute noch vorbei, sonst bleibt die Oma so lange bei mir in der Kühlung, bis das Geld da ist. Vorher machen wir keinen Handschlag mehr. Jeder Tag Kühlung kostet 85 Euro.“

Die Familie, die in normalen, finanziell nicht angespannten Verhältnissen lebt, verfügt aber so kurzfristig nicht über die erforderlichen Mittel. Die einen haben eben erst geheiratet und jeden Menge für Hochzeit und Hochzeitsreise ausgegeben, die anderen bauen gerade um und warten auf die Zusage für eine Hypothek und das dritte beteiligte Ehepaar hatte erst vor einigen Wochen in einem anderen Sterbefall eine hohe Bestatterrechnung zu bezahlen.
So wollte man die Bestatterrechnung aus der Hinterlassenschaft der verstorbenen Oma begleichen. „Da müssen wenigstens 12.000 Euro auf dem Konto sein, das hat die Oma noch selbst gesagt. ‚Kinder, macht euch darum keine Sorgen, ich habe genug für meine Beerdigung gespart‘.“

Darauf will der Bestatter sich aber nun nicht einlassen.
Er beharrt aufgrund vieler Zahlungsausfälle in den letzten Jahren auf Barzahlung oder Abtretung der Forderung an die Factoring-Bank.

Der Bestatter mag hier, so wie ich es schildere, zunächst schlecht aussehen.
Ich habe aber gestern Abend noch mit ihm telefoniert und traf am Telefon einen sehr höflichen, aber auch sehr bestimmten und sachlichen Mann an. Herr N. beklagt, wie viele Bestatter, eine enorme Zunahme von nicht bezahlten Bestattungsaufträgen. Die Familien kämen, bestellten recht aufwendige Beerdigungen und drückten sich dann vor der Bezahlung. Außerdem käme noch hinzu, daß die Zahl der Sozialbestattungen stark angestiegen sei, das liege mittlerweile bei ihm bei einem Drittel, und daß die Behörden oftmals erst nach 6-9 Monaten die Rechnungen, und dann auch oft nur zum Teil, begleichen.

Den Grund für die enorm gestiegene Zahl der Sozialbestattungen sieht Bestatter N. in unserem Pflegesystem. „Viel zu teuer! Da ist das schönste Vermögen in Windeseile aufgebraucht und wer erst mal in die Mühlen der Pflegekonzerne geraten ist, wird automatisch zum Sozialfall.“
Er könne sich das nicht mehr erlauben, Bestattungsaufträge auf Treu und Glauben abzuschließen. Entweder die Angehörigen können Lebensversicherungspolicen vorlegen, bezahlen die Bestattung im Voraus oder stimmen der Abwicklung durch das Factoring-Unternehmen zu.
Ausnahmen könne er nur in ganz wenigen Fällen machen, etwa wenn ihm die finanziellen Verhältnisse der Kunden ziemlich bekannt sind oder es sich um angesehene Prominenz oder Geschäftsleute handele.
Aber Laufkundschaft, die er nicht kenne, könne er nicht mit einer Vorfinanzierung aus eigener Tasche versorgen.

Ich habe dann einen Kompromiß aushandeln können. Der Bestatter verzichtet in diesem Fall auf die Einschaltung der Factoring-Bank, wenn alle drei Familien den Bestattungsauftrag unterschreiben. „Im Zweifelsfall wird ja bei einem was zu holen sein.“

Als ich dann die Familie angerufen habe, wurde dieses Angebot mit Erleichterung angenommen und heute schon wird die Oma, wie vorgesehen, zum Krematorium gebracht.

Was die vermeintlich voreilige Überführung anbetrifft, führte der Bestatter übrigens aus, das sei so die günstigste Lösung. Das Krankenhaus, das zu einem Konzern gehöre, berechne stolze 130 Euro ab dem zweiten Tag für die Aufbewahrung von Verstorbenen.
Da wären alleine für Samstag, Sonntag und den angebrochenen Montag schon 390 Euro angefallen. „Da holen wir die Leute lieber noch schnell am Sterbetag ab, dann kostet es nämlich dort nichts. Die Überführung müssen die Leute doch sowieso bezahlen, ob wir nun freitags oder montags fahren. Für die erneute Überführung zum Krematorium berechnen wir nur eine geringe Pauschale. Direkt vom Krankenhaus, wo wir nicht richtig einbetten können und dürfen, in Krema, nein, das machen wir grundsätzlich nicht. Jeder Tote hat es verdient, daß wir ihn in unserem Haus ordentlich einsargen. Hauruck und ab in die Kiste, mit Schläuchen und Verbänden, so etwas gibt es bei uns nicht.“

Weiterführende Links:
-persönliche Expertenberatung
-Pressebericht über Bestatter und Factoring-Unternehmen
-Sterbegeldversicherung zu Absicherung der Bestattungskosten
-Bild: © Rainer Sturm / Pixe lio.de

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