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Im Fernsehen

Es war erst kurz nach Sechs, da ging das Telefon das erste Mal. Frau Kunzinger war am Apparat und hyperventilierte in den Hörer: „So geht das nicht, so geht das wirklich nicht!“

Ich versuche aufgeregte Kunden immer erst mal zu beruhigen, doch gelang mir das dieses Mal nur sehr unvollkommen. Sie hechelte weiter: „Wir sind hier in hellster Aufregung wegen der Anzeige.“

Kunden sind immer in „hellster Aufregung“, diese Formulierung höre ich immer wieder, das scheint ein ganz beliebter Ausdruck zu sein, nur noch zu übertreffen durch „super aufgeregt“.

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Daß Kunden wegen Zeitungsanzeigen in hellster Aufregung sind, ist auch nichts Neues, das kommt immer wieder mal vor. Das liegt daran, daß die teuren Familienanzeigen mit der gleichen Sorgfalt und Liebe behandelt werden wie die kostenlosen Tauschanzeigen der „Krempelbörse“ und weil vermutlich die Hälfte der mit osteuropäischem Akzent sprechenden Damen in der Anzeigenabteilung des Deutschen nur in waldorfigen Grundzügen mächtig sind.

So kommt es immer wieder zu den abenteuerlichsten Verschreibern, die man bei der Zeitung eher entspannt und mit einem Achselzucken zur Kenntnis nimmt. Im Zweifelsfall bietet man Preisnachlässe von bis zu 50% an und wenn sich die Angehörigen gar nicht beruhigen lassen, erscheint die Anzeige am nächsten Tag eben nochmal.

Wir können machen was wir wollen, es hilft nichts wirklich. Wir lesen die Texte x-mal gegen, prüfen jedes Fax das raus geht doppelt, lassen uns Korrekturabzüge schicken und trotzdem schleichen sich auf dem Weg von A nach B die blödesten Fehler ein.

Ich wandere mit dem Schnurlosen am Ohr zur Eingangstür und hole die betreffende Zeitung herein. Bei Herrn Kunzinger ist es gar nicht so schlimm, da wurden das Geburts- und das Sterbedatum vertauscht.
Ein Fehler, der wie ich finde, nicht den Weltuntergang bedeutet. Ärgerlich für die Familie und für diese auch sicherlich von gewisser Bedeutung, aber doch nicht so tragisch, daß mit größeren nachteiligen Folgen zu rechnen wäre. Jeder, der den Kunzinger kannte und der überdies logisch denken kann, wird wissen, daß der Mann unmöglich 2008 geboren wurde und 1934 verstorben ist. Viel schlimmer wäre es, wenn das Datum der Beerdigung falsch wäre oder der Name lächerlich entstellt worden wäre.

Ich persönlich würde ja einen größeren Preisnachlass aushandeln, was in Anbetracht der hohen Preise für Sterbeanzeigen sicherlich eine geeignete Wiedergutmachung wäre. Im allerschlimmsten Fall würde ich eine berichtigte Anzeige verlangen. Aber Frau Kunzinger fordert: „Das muß jetzt aber ins Fernsehen!“

„Wie bitte?“

„Ja, meine Tochter sagt, das müsse man im Fernsehen richtigstellen.“

„Wieso sollte das im Fernsehen richtiggestellt werden?“

„Na hören Sie mal, das ist ja wohl die Höhe, mein Mann war schließlich wer.“

Ich beteuere, wie wichtig und bedeutsam ausgerechnet ihr Mann war und daß wir uns auch weiterhin viel Mühe mit ihm geben werden, entschuldige mich nochmal stellvertretend für die Zeitung, weise aber darauf hin, daß wir natürlich für den Fehler nichts können. Daß aber eine Berichtigung ausgerechnet im Fernsehen ausgestrahlt werden soll, ist selbst mir als Forderung noch nicht untergekommen.

„Das muß aber ins Fernsehen. Meine Tochter hat gesagt, daß man immer Anspruch darauf hat, daß die nächsthöhere Instanz das bringt.“

„Der Vorfall ist natürlich sehr bedauerlich und wir können gerne veranlassen, daß morgen eine berichtigte Anzeige erscheint. Die Beerdigung ist ja auch erst übermorgen und im Grunde sind ja die wichtigsten Daten, wie Ort, Datum und Uhrzeit der Bestattung richtig abgedruckt.“

„Also ins Fernsehen muß das schon.“

„Das geht nicht. Sie können einen Preisnachlass bekommen, eine neue Anzeige, aber mehr geht wirklich nicht.“

„Meine Tochter sagt das aber.“

„Mehr können wir nicht tun.“

„Ich schicke Ihnen meine Tochter mal vorbei.“

Na, da bin ich aber mal gepannt.

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#fernsehen

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