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Irgendwann ist jetzt!

Irgendwann muß jeder sterben.

Das klingt nach einer Binsenwahrheit, doch ist in diesem Satz viel mehr enthalten, als man auf den ersten Blick vermuten möchte.

Irgendwann…

Keiner kennt die Stunde, noch den Tag an dem er sterben wird. Es sind vorwiegend ältere Menschen, die ich bestatte. Ab einem bestimmten Alter sind die Erneuerungsprozesse in unserem Körper eben nicht mehr in der Lage, die notwendigen Regenierungsvorgänge in ausreichendem Maße aufrecht zu erhalten, der Mensch stirbt. Je höher das Alter ist, das er erreicht hat, umso weniger wundern wir uns über seinen Tod und umso selbstverständlicher erscheint es uns, daß dieser Mensch sterben mußte.

Wir vergessen dabei oft, daß es aber nicht heißt: „am Ende eines langen Lebens“, sondern „irgendwann“. Das kann junge wie alte Menschen treffen, Kinder und Greise, Gesunde und Kranke, es kann heute noch passieren, vielleicht erst morgen, möglicherweise erst in 60 Jahren. Irgendwann eben.

muß

Der Tod ist unausweichlich. Zwar macht die Medizin enorme Fortschritte und wer heute als junger Mensch lebt, darf -statistisch gesehen- hoffen sehr alt zu werden, vermutlich weit über 80, vielleicht sogar 90 Jahre. Aber trotz aller Fortschritte in der Medizin ist nichts in Sicht, was uns ein ewiges Leben bescheren könnte. Somit bleibt es dabei, jeder MUSS sterben, ohne Wenn und Aber.
Man sagt, der Mensch sei das einzige Wesen, das um seine Vergänglichkeit weiß. Tiere spüren allenfalls den nahenden Tod, beschäftigen sich aber, so heißt es, nie zuvor mit diesem Thema, weil sie um ihre Vergänglichkeit nichts wissen. Der Mensch hingegen weiß, daß er eines Tages sterben muß.

jeder

Jeder muß sterben, egal ob reich oder arm, gesund oder krank, Sportler oder Couch-Potatoe, Rocker oder Punker, Papst oder König. Nichts auf der Welt bewahrt einen davor, sterben zu müssen. Kein Geld dieser Welt, keine noch so gute ärztliche Behandlung, nichts kann einen davor bewahren, daß man sterben muß. Jeder wird eines Tages davon betroffen sein.

sterben…

Sterben bedeutet zunächst einmal nichts anderes als daß die Körperorgane ihre Funktion einstellen. Sei es krankheitsbedingt, durch Altersschwäche oder einen tragischen Unfall. Das Leben in der Form wie wir es kennen, ist damit zu Ende. Es existiert nur noch eine leblose Hülle, der Leichnam. Ob es ein Weiterleben der Seele, eine Reinkarnation oder einen Übergang in ein jenseitiges Reich gibt, wissen wir nicht, können nur daran glauben. Was wir aber wissen: Wir müssen alle einmal sterben.

Diese Gedanken sind mir heute in Sekundenbruchteilen durch den Kopf geschossen, als ich heute Morgen einen Sterbefall aufgenommen habe und der sehr junge Mann in die Todesanzeige für seine erst 23jährige Frau schreiben ließ:

„Ich hätte Dir noch soviel zu sagen gehabt.“

Das junge Paar war vor einigen Wochen im Streit auseinandergegangen, hatte -wie die Frau das genannt haben soll- sich eine „Auszeit“ genommen und kein Wort mehr miteinander gesprochen. Jetzt ist es zu spät, noch irgendetwas zu sagen.

Ähnlich war das mit Monika. Sie hatte mit 18 das Elternhaus verlassen, im Streit mit ihrem herrischen Vater. 30 Jahre später hegte sie immer noch einen tiefen Groll gegen den vermeintlichen Tyrannen. In Wirklichkeit hatte der Vater sein Verhalten längst bereut, sich verändert und unzählige Male versucht, Kontakt zu Monika und seinen inzwischen geborenen 3 Enkeln aufzunehmen. Voller Groll und Stolz hatte Monika das stets halsstarrig abgeblockt.
Nun war der alte Mann einsam in seinem Reihenhaus verstorben und Monika mußte sich zwangsläufig um die Bestattung kümmern. Dabei war ihr das Tagebuch ihres Vaters in die Hände gefallen. Ein Buch voller tragischer Aufzeichnungen, voll mit langen Briefen an seine Tochter, in denen er ihr seine tiefe Liebe und die große Trauer über das Verhältnis zu ihr zum Ausdruck brachte. Der Mann muß viele Tage lang, sein ganzes Leben lang, um seine Tochter geweint haben.

„Es tut mir leid, Papa“,

das waren die Worte, die Monika auf den Grabstein meißeln ließ, mehr konnte sie nicht tun. Die Chance, irgendetwas ins Reine zu bringen, bleibt ihr für immer verwehrt.

Gleich in der nächsten Minute kann der Mensch, der Dir am allerliebsten ist, nicht mehr leben. Vergiß das nicht! Ich weiß, wovon ich rede.

Nehmt die ruhige Zeit zwischen den Jahren und schaut in Eure Adressbücher. Ruft die Leute mal an, die ihr schon lange nicht mehr angerufen habt oder nicht anrufen wolltet. Irgendwann könnte es zu spät sein und dieses Irgendwann kann schon in zehn Minuten sein.


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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16 Jahre zuvor

Wie recht du doch hast 🙂
Danke!

16 Jahre zuvor

*schwelg*
Tja, die Pflege von Freundschaften ist nicht immer leicht, doch es lohn sich wirklich. Das, was Freunde einem geben können, kann man sich nirgendwo kaufen, Streitigkeiten – und seien es auch noch so kleine und wegen eigentlich belangloser Dinge – enden viel zu oft im Aus der Freundschaft und in Vergessenheit. Bei Toten kann man sich nicht entschuldigen, ich nehme mir mein Adressbuch gleich mal in die Hand …

Frohe Weihnachten allen Lesern!

16 Jahre zuvor

Wie wahr das doch ist. Meine Oma ist am 09.12 diesen Jahres verstorben. Schon vorher ging es ihr schlecht, doch als dann der Aufschwung kam und sie aus dem Krankenhaus wieder nach Hause durfte, hat niemand mehr mit damit gerechnet. Kein Weihnachten mit der Oma, nie wieder.

Anke
16 Jahre zuvor

Erst dachte ich nur an meine „Lieben“, also die Familie etc und bin froh, dass ich da mit niemandem im Streit bin.
Dann fiel mir ein, dass ein guter Freund (19) von mir seit 2 Jahren tot ist. Wir hätten uns auch noch viel zu sagen gehabt…

Danke Tom

Ben
16 Jahre zuvor

Eine Ansicht. Sehr aufgeklärt und westlich. Und mir persönlich zu pessimistisch.

Du reißt es an, aber verdrängst es schnell wieder: Seele (Liebe) ist unsterblich!
Daher gibt es gar kein „irgendwann“. Und da es nie passiert, gibt es auch kein „muss“ oder „jeder“. Sterben gibt es, aber es ist – wie du selbst sagst – bloß eine leblose Hülle.

Ok, klingt vielleicht crazy. Aber ich habe meine Wahrheit selbst noch nicht vollständig gefunden. Wollte nur eine Gegenstimme hier einbringen, nicht dass jeder glaubt hier stünde die unumstößliche Wahrheit 😉

16 Jahre zuvor

ein sehr guter rat

danke!

Berthold
16 Jahre zuvor

@Ben:Unumstößliche Wahrheit? Ich glaube kaum dass der Undertaker diesen Anspruch erhebt. Er schildert eine Sicht, mehr nicht.

Aber das tut er, wie gewohnt, mit sehr viel Tiefgang und nimmt dabei einen neutralen Standpunkt ein. Er geht auf das ein, was wahrnehmbar und unsere erlebte Realität ist. Ob es da noch andere mystische oder religiöse Einstellungen gibt, erwähnt er nur am Rande, geht aber ganz offensichtlich bewusst nicht darauf ein. Denn diese weitere Sicht der Dinge bewegt sich im Bereich des persönlichen Glaubens eines jeden Einzelnen.

Anubis
16 Jahre zuvor

Schön geschrieben Tom. Ich denke da oft darüber nach. Besonders dann, wenn man immer wieder mitbekommt wie schnell es gehn kann und wie fassettenreich der Tod ist.

In diesem Sinne: Ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest

Helga
16 Jahre zuvor

Wie wahr! Ich habe tatsächlich gerade mal mein Gedächtnis durchforstet und gleich drei Leute sind mir eingefallen, die ich heute noch anrufen werde.

Was ist es oft doch für ein kleinkarierter Schwachsinn, der uns davon abhält…

Danke, Undertaker!

Stefan
16 Jahre zuvor

Als Pfarrer einer grossen Gemeinde war ich eben nur kurz im Internet um eine bestimmte Zittstelle zu suchen und bin auf diese Seite gestossen. Was ich in der Kürze der Zeit zu lesen bekam, war mehr als beeindruckend.

Das ist nicht nur gekonnte Information und Unterhaltung sondern auch Sterbebegleitung und Seelsorge in bester Form.

Kompliment!

16 Jahre zuvor

Danke Tom! Deine Gedanken haben mich zu Tränen gerührt. Ich hatte das Glück, dass ich vor dem Tod meines Vaters vor einem Jahr ihm noch einmal gesagt habe, dass er ein guter Vater ist und wie sehr ich ihn liebe. Ich denke, dass ich das einzige seiner Kinder war, das so mit ihm gesprochen hat.

16 Jahre zuvor

[…] “Ich hätte dir noch soviel zu sagen gehabt” in ihre Todesanzeige drucken zu lassen, lest selber. Wenn es zu diesem zum Konsum-Marathon verkommenen Fest eine Botschaft gibt die ich teile, dann ist […]

Pat
16 Jahre zuvor

Je mehr ich hier gerade lese, desto mehr bin ich kurz vor dem weinen!

Diese Geschichte passt so gut zu mir und meiner Famillie…

Mel
16 Jahre zuvor

*snief*

Ich hatte ein glückliches Weihnachtsfest und gerade war noch mein Dad zum frühstücken hier… ich bin mit meinen Lieben im Reinen und hoffe, dass das so bleibt! Nicht auszudenken, dass jemand in völligem Streit stirbt!

Viel Gesundheit und Glück in den nächsten Jahren für uns ALLE!

Pat
16 Jahre zuvor

P.S.: Und Wenn man dann noch von Elvis Presley -„Blue Moon“ dazu hört…

http://youtube.com/watch?v=4NkLUh_zMP8

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Es ist schon so, wie Du schreibst. Dein heutiger Eintrag regt zum Nachdenken an. Mancher wird heute oder in den nächsten Tagen versuchen Kontakte aufleben zu lassen.Doch sind leider viele Menschen nicht empfänglich für dieses Thema und drücken sich davor. „Darüber redet man nicht.“ „Ach der will sich bloß wieder einschmeicheln“. Nein, ich habe meine Meinung und die will ich nicht mehr ändern. Egal was der sagt“.
„Schon wieder der, der nervt“. „Ist das schon stalking? Kann man da dagegen was unternehmen?“
Der Anfang ist gemacht, der Rest ist ein langer Prozeß der viel Geduld erfordert. Besonders wenn der/die Andere eine sehr festzementierte Meinung beibehalten will. Komme was da wolle.

Benni
16 Jahre zuvor

Guter Appell!

Matze
16 Jahre zuvor

Ein sehr tiefsinniger Eintrag, gerade in diesen Tagen.

Eigentlich wäre es schön, ihn so oder anders ins Buch zu übernehmen, als Vorwort oder Nachwort…

16 Jahre zuvor

[…] möchte ich euch allen den Text “Irgendwann ist jetzt!” ans Herz […]

Glammy
16 Jahre zuvor

Daß der Text ins Buch sollte, egal ob als Vor- oder Nachwort (wobei er als Nachwort sicher eindrücklicher ist), dem schließe ich mich an!!!

Leroy
16 Jahre zuvor

Danke!

16 Jahre zuvor

Danke!
Schließe mich an, dieser Text ist DAS Nachwort.

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Erstens mal: vielleicht ist das schon im Buch.
Zweitens: wenn nicht, ist es jetzt eh zu spät.
Drittens: wenn nicht, dann markieren, rechte Maustaste, kopieren in Word-Datei, ausdrucken, hinten in Bucheinband einkleben.
Hoffentlich hat es auch einen guten Einband und nicht wie ein Taschenbuch blos so einen dünnen Einband.

gruftigirl
16 Jahre zuvor

Sehr schön geschrieben, und ein sehr gutgemeinter Rat, den man sich zu Herzen nehmen sollte.
Ich spreche da leider aus Erfahrung.
Und was das Buch betrifft, da bin ich schon sehr gespannt!

Sepp
16 Jahre zuvor

Da fällt mir das schöne Lied von Knorkator ein „Wir werden alle sterben“

http://www.youtube.com/watch?v=U7-60tyLQhA

16 Jahre zuvor

Ich brauch mir das noch nicht mal zu kopieren, das hat sich mir ganz tief eingegraben; ich habs selber auch schon immer gedacht. Aber gut, das hier noch mal eindringlich zu lesen, mit sehr guten Beispielen, die eine Gänsehaut machen. – Und ansonsten kommt das eben in Band II ;-))

Asz
16 Jahre zuvor

Und doch tun die meisten so, als gäbe es das Leben zum Großhandelspreis im Hunderterpack an der nächsten Ecke… Ich habe dieses Jahr mächtig zu kämpfen mit Vergänglichkeit, Sterben, Tod (ich glaube nicht an ein Leben danach)und der Unendlichkeit des Nichtseins. Zwei Todesfälle im engsten Familienkreis (bei einem war ich beim Sterben dabei) führen einen da schon seltsame Wege. Trotzdem gebe ich ehrlich zu, daß ich bewußt manchen Freunden, die mir etwas abhanden gekommen sind, nicht nachforsche. Ich beruhige mich mit den Gedanken: „Keine Nachrichten sind gute Nachrichten, schlechte Nachrichten haben schnelle Beine“ Sonst würde ich nur noch am Telefon hängen und völlig durchknallen. Und ich kann auch die Unversöhnlichen verstehen. Manchmal bereuen sie, manchmal finden sie keinen Grund dazu. Das ist eben menschlich. So isses nu mal… Und ich werde mich hüten, anderen zu raten oder zu urteilen. Mir ist nämlich auch klar geworden, daß ich, so alt wie ich bin und soviel wie ich weiß, von nix eine Ahnung habe. Jetzt versteh ich den Sokrates: „Ich weiß, daß ich nichts weiß“ Bloß, ob… Weiterlesen »

Chrissi
16 Jahre zuvor

Es ist erstaunlich, wie schnell sowas gehen kann…jemand stirbt. Ja, man rechnet damit, aber das wann ist immer die große Frage… Ich habe gerade am 18.12. meinen geliebten Vater nach langer Krankheit verloren. Es tut sehr weh und doch hoffe ich, es geht ihm besser, wo auch immer er jetzt ist. Nachdem er letztes Jahr ein neues Herz bekommen hat, krebste er mehr rum, als das er sich erholt und auf das Leben gestürzt hat. Trotzdem wäre mir letzteres lieber gewesen. Glücklicherweise blieben ihm und uns die Tatsache, nicht im Krankenhaus zu sterben, was seine größte Angst war. Und wir haben in den letzten zwei Monaten mit seinem Ableben gerechnet. Und trotzdem kam es so plötzlich und ich hätte dem Mann so viel zu sagen: was für ein toller Vater er war, dass ich immer stolz und glücklich war und vor allem, wie sehr ich ihn lieb(t)e. Das alles bleibt mir verwehrt, leider. Deshalb sagt euren Lieben, was euch gerade freut und was ihr empfindet, sagt ihnen, das ihr sie liebt, ich hatte dazu keine… Weiterlesen »

DieLisa
16 Jahre zuvor

Das wäre eine sehr schöne Einleitung für Dein Buch.
Gruß, eine Lektorin.

Hamburgerin
16 Jahre zuvor

Toller Beitrag.

Spricht mich sehr an.

Kann der Lektorin nur beipflichten: Das wäre eine sehr schöne Einleitung für Dein Buch!




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