Allgemein

Lange & Söhne

Rechtschreibung geprüft

Die Frau oder besser Witwe des Verstorbenen sitzt mir gegenüber, sie hat gerade ihren Mann in der Aufbahrungskammer besucht und sie bedankt sich dafür, daß wir alles ordentlich gemacht haben. Ich schaue noch einmal über unser Formular und sehe, daß Huber mit rotem Filzstift UHR!!! an den Rand geschrieben hat.

Wir haben dort ein Kästchen, in dem ein Kreuz gemacht wird, wenn der Verstorbene Schmuck trägt. Die einzelnen Schmuckstücke, die ein Toter bei der Überführung in unser Haus trägt, werden Stück für Stück genauestens in ein so genanntes Schmuckbuch eingetragen und daneben wird dann notiert, was mit den Sachen geschehen ist. „Ausgehändigt an die Angehörigen“ oder „Am Verstorbenen belassen“ könnte da zum Beispiel stehen. Wir raten ja immer, die Schmuckstücke mitzunehmen, aber speziell bei Eheringen besteht oft der Wunsch, sie am Toten zu belassen.
Manchmal soll er auch irgendein anderes Stück, an dem er besonders gehangen hat, behalten. Uns soll’s Recht sein, mich reut es nur, wenn die Sachen dann ins Krematorium wandern. Schade drum.

Werbung

Daß Huber aber extra auf ein Schmuckstück, und dann auch noch mit rotem Filzstift, hinweist, ist etwas Besonderes.
Als alter Holzwerker hat Huber immer einen Bleistift einstecken und man kennt kaum eine Zeile von ihm, die er nicht mit diesem Blei geschrieben hat. Aus uralter Gewohnheit, als man noch Blaustifte verwendete, leckt Huber immer vor dem Schreiben an der Spitze und nachdem ihm das auch bei Filzstiften schon ein paar Mal passiert ist und er offenbar mit der Geschmacksrichtung der Faserschreiber nichts anfangen kann, verflucht er alles, was kein Bleistift ist.

Was ist das also mit dieser Uhr?
Ich spreche die Kundin auf die Uhr an und sie schaut mich verständnislos an, dann geht ein Leuchten über ihr Gesicht: „Ach, die Uhr meines Mannes. Nein, die kann anbleiben, die hat er so geliebt.“

Vorsichtshalber bitte ich sie, kurz zu warten und gehe eben nachschauen. Der Verstorbene trägt ein Uhr aus Glashütte, eine Lange & Söhne. Meine Güte, das ist ein Prachtstück! Ich kenne diese Uhren nur zu genau und weiß, was die so kosten.
Deshalb spreche ich nochmals mit der Frau und weise sie darauf hin, daß da gut und gerne knapp 20.000 Euro am Handgelenk ihres Mannes angeschnallt sind.

„Niemals! Mein Mann hat sie nie etwas gegönnt. Das muß ein Irrtum sein, ich dachte immer, die hat er aus dem Kaufhaus.“

Also eines ist sicher, diese Uhr hat der Mann ganz sicher nicht aus dem Kaufhaus.

Nach kurzer Zeit sagt sie: „Wenn Sie meinen, dann nehmen Sie ihm doch bitte die Uhr ab und geben Sie sie mir. Aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, woher mein Mann soviel Geld für eine Uhr gehabt haben soll. Wir sind doch einfache Leute.“

Ich kann es ihr auch nicht sagen. Da wird es sicherlich familienintern noch Klärungsbedarf geben. Ob der befriedigt wird?
Jedenfalls weiß ich genau, daß das eine echte Lange & Söhne ist und nichts aus dem Kaufhaus, keine nachgemachte Uhr, nichts Billiges. Der Mann hatte offenbar ein kleines Geheimnis.

Manchmal ist es schon spannend, was da nach dem Tod eines Menschen so alles herauskommt.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#lange #Lange & Söhne #Lektorin A #söhne

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)