Mitarbeiter/Firma

Leckerchen

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Der Brötchenmann liefert am Samstag nicht. Der will nach der Silvesternacht auch mal ausschlafen. Deshalb hatte er uns ein Kärtchen mit in die Montagstüte gelegt, ob wir evtl. die private Brötchenlieferung für Samstag schon am Freitag haben wollen, die bleiben ja durchaus frisch und sind lecker, wenn man sie ein bißchen aufbackt.
Warum nicht? Ich habe Ja angekreuzt und mir nichts weiter dabei gedacht.

Heute Morgen gehe ich runter, um die Brötchen hochzuholen und finde keine.

Werbung

Aus dem Bürofenster dringt Licht auf die Straße und ich gehe nachschauen, wer da sein Unwesen treibt, vielleicht hat auch nur jemand vergessen, das Licht auszumachen.
Nein, es ist Antonia. Sie hat über Silvester und Neujahr Telefondienst und ist am Freitagmorgen ins Büro gekommen, um die Papiere eines Sterbefalls fertigzumachen, der in der Nacht zum Freitag hereingekommen ist.

Antonia freut sich, mich zu sehen, winkt, grinst und kaut: „Morgääään, Chef!“
In ein paar Sätzen erklärt sie mir, wer da in der Nacht ‚eingeliefert‘ worden ist und daß die Angehörigen am frühen Nachmittag, so gegen 14 Uhr, vorbeikommen wollen.
Ich brumme so irgendwie vor mich hin und frage dann: „Sag mal, wo sind eigentlich meine Brötchen?“

„Wieso Ihre Brötchen? Das sind doch die von der Firma.“

„Nö, die habe ich bis nach Heilige Drei Könige abbestellt, wenn ihr nur stundenweise hier seid, brauchen wir doch keine Brötchen.“

„Das hat mir keiner gesagt, das hat mir ehrlich keiner gesagt“, jammert Antonia los und guckt verlegen nach rechts.

Da liegt sie, die extragroße Brötchentüte für zwei Tage und sie sieht ziemlich gerupft aus.

„Sag bloß, Du hast die alle gegessen? Das kann doch kein Mensch!“

„Nein, aber ich hab…“. Antonia stockt ganz verlegen.

„Was hast Du?“

„Na ja, ich hab‘ gedacht, wenn außer mir sowieso keiner da ist…“

„Dann könntest Du die alle essen, ja ja.“

„Nee, ich hab‘ die nicht alle gegessen.“

„Sondern?“

„Also gut, ich gebe es zu, so einen Teil habe ich gegessen, vor allem die Rosinenbrötchen und die Krossants, die gehen ja runter wie nix.“

„Aha.“

„Und die anderen, na ja, da hab ich gedacht, bevor die vertrocknen, kann ich die nachher den Schwänen bringen.“

„Die sind also noch da?“

„Ja klar, ein paar sind schon noch da.“

„Ja gut, dann ist ja alles in Ordnung, dann kann ich die ja mit hoch nehmen.“

„Hmmm…“

„Was, hmmm?“

„Ich hab…“

„Was?“

„Na ja, weil doch Schwäne kein Salz essen sollen, hab ich das Salz von den Laugenbrötchen abgeleckt.“

„Dann tu die Laugenbrötchen weg.“

„Und von den Mohnbrötchen hab ich den Mohn abgeknabbert und von den Körnerbrötchen die Körner und von den Kürbiskernbrötchen die Kürbiskerne.“

„Sind denn noch irgendwelche Brötchen da, an denen Du nicht herumgeleckt hast?“

Antonia wirft einen Blick in die Tüte und zieht ein Milchhörnchen heraus, dem die beiden knusprigen Enden fehlen: „Das hier, da hab ich nicht dran geleckt, dem hab ich nur die Zipfel abgekaut.“

Ich gucke meinem Dickerchen in die Augen, sehe große Trübsal aufsteigen und beruhige sie: „Mach Dir keine Gedanken, iss den Rest auch noch auf, meinen Segen hast Du. Ich fahr eben zum Bäcker Weckbeiß.“

Gerade will ich gehen, da kommt mir noch eine Idee und ich drehe mich um und frage Antonia: „Sag mal, soll ich Dir vielleicht noch was zum Essen vom Bäcker mitbringen?“

Antonia guckt ganz erstaunt und sagt: „Nee jetzt, oder? Sie glauben wohl ich bin ein Vielfraß, was?“

„Nö, ich glaube das nicht, ich weiß das.“

„Dann bin ich ja beruhigt.“ Sie strahlt.
Ist es nicht schön, wenn man zufriedene Mitarbeiter hat?

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Revision:


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)