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Leiche im Pool -II-

Spekulatius ist was Feines und eigentlich ist es schade, daß man dieses würzige Karamellgebäck immer nur zu Weihnachten ißt, muß mal sehen, ob ich irgendwo eine Packung bekomme.
Spekulationen hingegen können auch was Feines sein, zumindest können sie unterhaltsam sein.

Die Leiche im Pool hat wenig Spektakuläres zu bieten. Kein Mord, kein Suizid, nichts Aufregendes. So wie es aussieht, hatte der erst vor einigen Wochen zugezogene Mann des Nachts eine Abkürzung genommen, als er von einem nicht besonders ausgedehnten Wirtshausbesuch nach Hause wollte. Ihm sei es in der Gaststätte schon nicht besonders gut gegangen und im Garten mit dem Pool muß er einer schweren Herzattacke erlegen sein.

Natürlich ist das kein ganz gewöhnlicher Tod, aber wir haben auch schon Leute bestattet, die in einer Güllegrube umgekommen sind und einer war kopfüber in einen Brunnen gefallen. Solange es die Kombination Mensch – Loch – Wasser gibt, werden Menschen auch in wassergefüllte Löcher fallen und da sterben. Sowas kommt eben vor.

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Interessant ist aber, und damit kommen wir zu den Spekulationen zurück, was die Leute hier im Stadtteil daraus gemacht haben.

Der Sakristan wußte schon kurz nach dem nicht zu übersehenden Polizeieinsatz, daß da ein Fallschirmspringer vom Himmel gefallen sei, doch die Gemüsefrau klatschte sich mit der flachen Hand hörbar vor die Stirn: „Der hat doch keine Ahnung, der Weihrauchschwinger, der hat bestimmt wieder zuviel vom Messwein gehabt. Fallschirm! Wenn ich so einen Blödsinn höre, da habe ich aber von der Frau Krotzolewski was anderes gehört, die hat nämlich von Frau Surenkamp gehrt, wie es wirklich war und Frau Surenkamp muß es ja wissen.“

Klar, Frau Surenkamp soll nämlich die Schwester eines Malermeisters sein, der letztes Jahr das Polizeirevier gestrichen hat und da ist es ja natürlich sonnenklar, daß so ein Polizeirevieranstreicher forthin lückenlos und unverzüglich über alle Einsätze und Ermittlungsergebnisse informiert wird.

„Der ist natürlich vom Himmel gefallen, aber doch nicht mit einem Fallschirm, das war doch ein Drachenflieger!“ erklärt die Gemüsefrau im Brustton der Überzeugung und der klingt bei ihr, angesichts der schon einmal beschriebenen Oberweite, doch recht imposant.

„Ich habe aber weit und breit keinen Drachen gesehen“, erkläre ich der Gemüsefrau und sie reißt die Augen auf, klatscht sich wieder mit der flachen Hand vor die Stirn, daß es ein klatschendes Geräusch gibt und ruft: „Sehen Sie, sehen Sie, da ha’m wir es doch! Das ist doch der Beweis! Der hat seinen Drachen da oben verloren und ist abgestürzt!“

Die Geschichte ist schon beim Bäcker angekommen, noch bevor ich es tue, jedenfalls wissen die Frauen, die dort vor der Theke stehen und mir die Aussicht auf die Waren verstellen, daß ein Blitz in den Drachen eingeschlagen sei und der Mann ihn daraufhin losgelassen habe.
Eine Frau im Persianermantel (daß es sowas noch gibt, habe ich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen und der hier riecht auch so…) weiß es besser: „Blitz! Das stimmt doch gar nicht! Der ist bei Oberklammlingen in die Hochspannungsleitung geraten, war sofort tot und der Drachen hat ihn noch bis hierhin getragen, wo er dann in den Brunnen gefallen ist.“

„Das war kein Brunnen, das war ein Regenfass!“ ruft eine große Dünne die ihr morgendlich ungeordnetes Haar nur notdürftig mit einem Kopftuch gebändigt hat und weiß noch: „Da sollen ja sämtliche Knochen gebrochen gewesen sein.“

„Wie schrecklich!“
„Fürchterlich!“
„Man mag es sich ja gar nicht vorstellen!“
„Grausam!“
„Was alles passieren kann!“

Willi vom Zeitungskiosk winkt nur müde ab, schaut sich nach links und rechts um, beugt sich über einen Stapel BILD ganz nah zu mir herüber und sagt mit gesenkter Stimme: „Der Mann soll ja Italiener sein.“ Dann richtet er sich auf, reißt die Augen auf, läßt seinen Mund etwas offenstehen und macht so eine Handbewegung, die unterstreichen soll, daß damit alles gesagt ist.

„Aha“, sage ich und kann nichts weiter dazu sagen, denn ich weiß nicht, was für ein Landsmann der Mann im Planschbecken war. Er war nicht sehr gesprächig und wir haben ihn nur in eine Transportwanne aus glasfaserverstärktem Kunststoff gelegt und ins rechtsmedizinische Institut gefahren.

„Ist doch klar: Italiener! Da weiß man doch alles. Der ist da ersäuft worden. Der soll ja vorher noch im ‚Grünen Krug‘ gewesen sein.“

Ich verstehe den Zusammenhang immer noch nicht ganz, ich hatte erst zwei Tassen Kaffee und das reicht nicht, um mich auf Betriebstemperatur zu bringen, deshalb schaue ich Willi in seinem Kiosk verständnislos an und wieder beugt er sich so vor und sagt leise: „Schmutzgeld!“

Ach ja, das berühmte Schmutzgeld, daran hatte ich gar nicht gedacht und frage Willi: „Und Du meinst, der wollte das Geld da im Planschbecken waschen?“

Statt diesen Witz lachend hinzunehmen bohrt er mit dem Finger an der Schläfe herum, so als wolle er die so eben empfangene Botschaft in sein Hirn schrauben und man kann zusehen, wie aus Staunen Überzeugung wird und er nickt heftig: „Mann, da sagst Du was. So muß es gewesen sein!“


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Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 23. Juni 2009 | Revision: 28. Mai 2012

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Lily
15 Jahre zuvor

Schlagzeile im Ortsblatt: Bevölkerung von Inspirationspartikeln getroffen- Wilde Fantasien marodieren auf der Hauptstraße!
Mir ist ja klar, dass das vermutlich „eingedampfte“ Stories sind, konzentriert und so, aber du hast das einfach grandios beschrieben. Gratulation.
Und Neid. Aber nur ein bisschen 🙂

Lily

eisi
15 Jahre zuvor

danke für den guten start in den tag…
ich muss mir auch mal den 2ten kaffee holen…
und natürlich einen ITALIENISCHEN kaffee 😉
so ist das nämlich…

Nihilistin
15 Jahre zuvor

Falls diese Story zu Zeiten der SpaceShuttle-Abstürze spielte, war der Mann selbstverständlich Amerikaner und (in diesem Fall ehemaliges) Mitglied der Shuttle-Besatzung.

15 Jahre zuvor

Erinnert irgendwie an den toten Taucher im Baum … wobei man denkt, dass ein toter Mann im Planschbecken einfacher zu erklären sein sollte.
Offenbar nicht 🙂

15 Jahre zuvor

Nachdem ich bei Oberklammlingen zweimal Oberarmklingen gelesen habe, hol ich mir jetzt lieber auch nen Kaffee.

minibar
15 Jahre zuvor

Dnake für die Lachtränen, von wegen Schmutzgeld.

minibar
15 Jahre zuvor

Danke für die Lachtränen. – Spekulationen sind schon was tolles.

sabs
15 Jahre zuvor

Tom, ich weiß gar nicht was du hast. Nur noch 6 Wochen, dann gibts doch wieder Spekulatius 😀
Im August gehts doch wieder los 😀 Da könne wir wieder mitten im Sommer schon Weihnachtsmänner am STiel schlecken 😀

Bianca
15 Jahre zuvor

Und Spekulatiusse von Weihnachten aufheben bringt übrigens auch nix. Die letzten bekommt man schon nur noch zwei Wochen vor dem Fest, weil dann schon Ostern nachgeschoben wird. Und dann halten die Dinger nur bis April, wo die dann aber auch schon mehr nach Wasser schmecken als nach Keks.

*schwer enttäuscht*

Katrin
15 Jahre zuvor

@9: stimmt nicht! Ich habe noch drei Packungen hier. Die sind wunderbar in Cellophan eingeschweißt und noch schön knusprig. Sie haben ein MHD von September. Und ab dann gibt’s neue zu kaufen 😉

eulchen
15 Jahre zuvor

1. habe ich jetzt einen grauenhaften Speichelreflex wegen dem Spekulatius

2. ich grinse wie ein Breitmaulfrosch, wegen der köstlichen Story und den schönen Kommentaren und hoffe das mein Chef erst später zur Besprechung kommt

habe zur kurzen Entspanung nur mal schnell hier reingeäugt um dann weiterzuarbeiten. Das ist schon sehr erstaunlich das man gern „ins Blog kommt“ und Bestatterthemen liest, um sich daran zu erheitern…ich grinse weiter

ch-student
15 Jahre zuvor

Ich kenn Spekulatius nicht unter dem Namen, aber bei uns gibts die das ganze Jahr über… Nennt sich „Butterfly“ und mag ich zum sterben gerne!

Wer allerdings wem SchMutzgeld bezahlt hat für den ersoffnen Italiener, das mußt (richtig? oder musst? wo kann man nachlesen welche Vokale lang sind und welche nicht? ich hab das nicht im Gefühl…) du mir nochmal erklären. Aber ist ja eigentlich klar – Italiener KÖNNEN ja gar nicht einfach ertrinken weil sie zu besoffen durch fremde Gärten torkeln, die werden ja weltweit von der Mafia… Gibs zu, Tom, du verschweigst uns den Betonklotz an seinen Füssen!!!

Anonym
15 Jahre zuvor

Ach Tom, die überhäufen dich doch nur so mit wilden Theorien damit du mit der Wahrheit rausrückst, denn DU musst es ja schließlich wissen. Ist nicht inzwischen das ganze Dorf sauer auf dich weil du dichthältst?

Emz
15 Jahre zuvor

Bin ich froh, dass die Grenze zu den Niederlanden nur ein paar Kilometer von uns entfernt verläuft. Dahinter gibt’s nämlich das ganze Jahr Spekulatius zu kaufen…

fuzzy
15 Jahre zuvor

Tom mal wieder in Hochform. Ich (und meine Frau) haben Tränen gelacht!

MacKaber
15 Jahre zuvor

Genaueres war beim Metzger zu erfahren. Nämlich, dass zwei Sanitäter hier waren, die sich dort im Einsatz befunden hatten. Noch ganz betroffen von dem Ereignis brauchten sie erstmal eine Pause, weshalb er jedem der Beiden zwei Hackfleischbrötchen spendiert habe. Während er gerade zwei Kotletts mit mit dem Beil abhackte berichtete er, dass sie auf die Frage was da passiert sei,
eine unendliche Geschichte erzählten: Von einem Drachen mit weißem Fell, von dem der Mann gefallen sei. Der Drache habe noch versucht, ihn mit einem Sturzflug zu fangen, während der Arme unter lauten: „Fuchur!“ rufen zu Boden stürzte. Na, und die müssen es ja schliesslich wissen.

Bill Tür
15 Jahre zuvor

Sorry, ein Enter zu viel ;o)

@12 / ch-student:
Der Betonklotz an seinen Füssen, die das einzige waren was noch aus dem Pool rausragte!

Muss ein interessantes Bild sein. ;o)

Torsten
15 Jahre zuvor

Spekulatius gibt es ganzjährig z. B. in Aachen bei den lokalen Printenbäckern und im Werksverkauf von Lambertz sowie zumindest in der Saison auch in deren Online-Shop http://www.lambertz-shop.de/ (da auch weitere ganzjährig geöffnete Läden von denen). In den Läden von Lebkuchen Schmidt in Nürnberg hab ich im letzten Sommer auch welchen gesehen, dafür scheint es den unter lebkuchen-schmidt.com derzeit auch noch nicht zu geben.
Hoffe nun für Tom, einer der Orte oder ne funktionsfähige Maus und entsprechend williger Online-Shop zum ordern ist in der Nähe…




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