Geschichten

Lodernde Flammen -2-

Ich versuchte ihm klar zu machen, daß ’sofort tot‘ meist auch ganz genau das bedeutet. Was anders kann auch passieren, wenn sich 30 Tonnen mit 100 km/h auf einen italienischen Kleinwagen und eine Mercedes B-Klasse schieben und diese beiden Autos am Heck eines anderen LKW zusammenstauchen?
Es war, so glaube ich, eine gute Dreiviertelstunde, die ich benötigte, um dem Mann klar zu machen, daß man den Rettern keinen Vorwurf machen kann.

„Ein einfacher Holzsarg soll es sein, also so ganz einfach, ohne Lack und ohne Zinnober. Den will ich dann selbst anmalen. Ist das erlaubt?“

Ich nickte und wir besprachen die weiteren Einzelheiten. Gott sei Dank, der Mann wollte keine offene Aufbahrung, er wollte seine Frau nicht noch einmal sehen.
Das ist ja immer so eine Sache, wenn die Verstorbenen viel durchgemacht haben, wenn ich es mal so sagen darf.

Werbung

Die offene Aufbahrung ist ja auch nicht überall üblich. Früher war es verbreiteter, daß man am offenen Sarg vom Verstorbenen Abschied nahm. Ganz früher wurden die Toten zu Hause im Bett verabschiedet. In ihre besten Kleider gewandet, brennende Kerzen ringsherum, so nahmen die Menschen Abschied. Das dauert manchmal drei Tage und dann kam der Schreiner, brachte den Sarg und gemeinsam trug man den dann zum Friedhof.
Heute ist das alles anders, obwohl man es auch heute noch genau so machen könnte.

Die allermeisten Menschen winken ab, wenn der Bestatter die Frage stellt, ob sie noch einmal vom Verstorbenen Abschied nehmen möchten.
„Nein, wir wollen den Verstorbenen so in Erinnerung behalten, wie wir ihn gekannt haben.“ Das ist der Satz den wir dann immer hören.

Manchmal ist das auch besser so. Das gilt vor allem dann, wenn die Toten eben nicht mehr so aussehen, wie zu Lebzeiten.
Das kann sein, weil sie lange krank waren und die Krankheit sie verändert und ausgezehrt hat. Dann erschrecken Verwandte, die diesen Prozeß nicht mitbekommen haben.
Und natürlich gilt das, wenn der Verstorbene durch einen Unfall oder einen Suizid stark verstümmelt ist.
Es kann aber auch sein, daß der Bestatter sein Handwerk nicht versteht. Dann hat er die Frisur falsch gemacht, den Mund nicht gut verschlossen und den Toten falsch geschminkt. Auch dann erschrecken die Angehörigen oft, und nicht selten hört man dann die Frage, ob das wirklich ihr Vater, Onkel oder Opa sein soll.

Gut, Herr Schweez wollte sowieso keine Aufbahrung.
Am Nachmittag wollte er noch einmal vorbeikommen und die restlichen Papiere bringen. Er blieb noch eine halbe Stunde, weinte, und ich tröstete ihn. Nach so vielen Jahren weiß man als Bestatter, was man sagen muß. Ich glaube, ich fand die richtigen Worte, jedenfalls sagte der Mann, daß er sich jetzt etwas erleichtert fühlte.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

Schlagwörter: , ,

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 1. März 2017

Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle journalistische Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bittet das Bestatterweblog um Ihre Hilfe. Es fehlen in diesem Jahr noch über € 7.500,- um den Server, IT, Redaktion und um die anderen Kosten zu decken. Bitte beschenken Sie uns mit einer Spende, sonst müssen wir in Zukunft die meisten Artikel kostenpflichtig bereitstellen. Das wäre schade, auch weil das weitere unkreative Arbeiten erfordert, die wir zeitlich kaum stemmen wollen. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen



Rechtliches


0
Was sind Deine Gedanken dazu? Kommentiere bittex