Menschen

Muckele

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Frau Klopprath war schon an die 90 als ich sie das erste Mal besuchte. Sie hatte bei uns angerufen und um einen Besuch gebeten.
Bei ihr angekommen, erzählte sie mir, mit nun knapp 90 sei es wohl an der Zeit, das Erforderliche zu regeln und alles einmal mit dem „Totengräber“ durchzusprechen.
Warum ich denn kein Maßband dabei hätte, wollte sie wissen, ich müsse doch wohl maßnehmen, damit der Sarg später auch passt.

Die Frau war kaum Einssechzig groß und weniger als 50 Kilo schwer, da würde jeder Sarg passen, wahrscheinlich hätte man sie auch in einer Urne untergekriegt…

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Es war ein netter Nachmittag bei Frau Klopprath, so alte Damen haben oft einen überraschend zeitgemäßen (oder zeitlosen?) Humor.

Ein paar Wochen später war längst alles unter Dach und Fach, wir hatten die Akte gut verwahrt und Frau Klopprath musste eigentlich nichts anderes machen, als eines Tages mal zu sterben.
Da rief sie an einem Abend bei uns an und fragte, ob wir eventuell auch Tiere beerdigen würden.
Ihr Muckele sei, so glaube sie, eben verstorben.
Ich erinnerte mich an Muckele, eine ziemlich alte und fette, rote Katze, deren Fell schon ziemlich abgewohnt ausgesehen hatte, und die blind war und zischend atmete. 22 Jahre sei die Katze alt, hatte Frau Klopprath behauptet und man merkte ihr an, daß sie sehr an dem Tier hing.

Sollte ich ihr jetzt sagen, daß wir so etwas nicht machen und daß sie einen Tierbestatter für viel Geld anrufen solle?
Ach Quatsch, sagte ich zu mir selbst und zu Frau Klopprath, daß ich gleich vorbei käme.

Mit einem Pappkarton in der passenden Größe, in den ich etwas vom weißen Sargstoff gelegt hatte, bin ich dann zu Frau Klopprath gefahren und habe die tatsächlich schon erschreckend steife Katze abgeholt.
Dort wo ich sonst immer mit den Hunden spazieren gehe, kenne ich eine Stelle zwischen ein paar Bäumen und da kam dann der Klappspaten zum Einsatz.
Mit dem Handy machte ich noch ein Foto von der Stelle und brachte es der alten Dame. Sie hat das alles sehr dankbar aufgenommen und ich spüre, wenn ich davon erzähle, heute noch ihre alten Finger auf meine Hand, als sie sie zum Abschied streichelte.

Frau Klopprath habe ich drei Jahre später wieder gesehen, da war sie so steif, wie damals ihre Katze.
Wir haben sie ordentlich zu Grabe getragen, so wie es sich gehört.

Schade, daß Frau Klopprath das hier nicht sehen kann:

Da wo ihr Muckele beerdigt ist, da wachsen heute, mitten in der freien Natur, weitab von jedem Haus, schöne rote Tulpen, so als habe jemand Muckeles Grab damit ausgestattet.
Ich glaube, ich fahr mal zum Grab der alten Frau und steck ihr auch so ein paar Tulpenzwiebeln in die Erde.

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