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Pietät oder Profit? Neue Bestattungsform „Reerdigung“ pro & contra

Leiche auf dem Kompost

„Asche zu Asche, Staub zu Staub“ – so heißt es schon in der Bibel. Mindestens ebenso alt ist der Wunsch der Menschen, wieder in die Elemente zu zerfallen, aus der der Körper nach christlicher Vorstellung entstanden ist.

Vom Homo Sapiens zu Humus sozusagen. Ein Berliner Startup verspricht, diese Vorstellung umzusetzen.

Die „Reerdigung“ ist eine neuartige Bestattungsform, bei der der Leichnam in eine speziell dafür entwickelte Wanne gelegt wird, die mit feuchtem Grünschnitt und Stroh ausgelegt ist. Luftdicht verschlossen, soll der Körper mit Hilfe von Mikroorganismen in Erde „transformiert“ werden. Dieses Konzept des Berliner Startups „Meine Erde“ hat in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit in Medien, Politik und Institutionen, die sich mit dem Tod beschäftigen, erregt.

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Gerade weil traditionelle Bestattungsplätze an Attraktivität verlieren und Menschen vermehrt nach nachhaltigen und liberalen Bestattungsformen suchen, scheint die Idee der „Reerdigung“ für viele ansprechend zu sein. Laut einer repräsentativen Umfrage wünschen sich immerhin 27,4 Prozent1 der Befragten diese Form der Bestattung für sich selbst oder ihre Angehörigen. Doch das Interesse und die Akzeptanz stoßen auf Hindernisse, insbesondere im rechtlichen Rahmen.

Die Bestattungsform „Reerdigung“ ist bisher nur im Bundesland Schleswig-Holstein geduldet. Bestattungsgesetze sind Ländersache, und während in einigen Regionen Interesse an dieser neuen Form besteht, bleiben andere Länder, u.a. Berlin, bisher skeptisch.
Der Gesundheitsausschuss des Berliner Senats hat kürzlich das Bestattungsgesetz novelliert, aber die „Reerdigung“ fand darin keine Berücksichtigung. Die politische Haltung dazu ist gespalten, wobei die SPD sich für die „Reerdigung“ ausspricht, während die CDU in großen Teilen dagegen ist.

Die Bestattungsmethode wird von verschiedenen Seiten kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite stehen Befürworter wie der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft, der die „Reerdigung“ als eine mögliche, nachhaltige Alternative ansieht. Er betont, dass eine offene Diskussion notwendig ist und wissenschaftliche Erprobungen weitergeführt werden sollten. Eine Studie der Universität Leipzig, in der die beschleunigte Transformation eines Verstorbenen zu Humus innerhalb von 40 Tagen bestätigt wurde, wird von ihm als aussagekräftig angesehen.

Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch kritische Stimmen, insbesondere von Vertretern der Bestatter-Innung Berlin und Brandenburg. Obermeister Fabian Lenzen äußert Bedenken hinsichtlich der Praktikabilität und der ethischen Aspekte der „Reerdigung“. Er hinterfragt die ökologischen Versprechen des Startups und verlangt mehr belastbare CO2-Studien sowie andere Nachweise. Zudem gibt es Zweifel an der pietätvollen Abwicklung, der Sicherheit und der Hygiene bei der Umsetzung dieses Bestattungsverfahrens.

Ein zentraler Punkt der Debatte ist auch das wirtschaftliche Interesse. Die Bestatter-Innung vermutet, dass der Widerstand des Bundesverbands der Bestatter gegen die „Reerdigung“ vor allem auf monetären Interessen beruht. Die Konkurrenz zu herkömmlichen Bestattungsmethoden und der mögliche Verlust von Sargverkäufen könnten hier eine Rolle spielen. Dem wird entgegengehalten, dass das Startup den Bestattern hohe Provisionen verspreche und somit keine finanzielle Einbuße zu befürchten sei.

Trotz der kontroversen Diskussion und der ungelösten rechtlichen Fragen eröffnet die „Reerdigung“ eine faszinierende Perspektive auf alternative Bestattungsformen in Zeiten des Wandels. Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik wirft nicht nur Fragen zur Pietät und Ethik auf, sondern auch zu ökologischer Verantwortung und wirtschaftlichen Interessen in der Bestattungsbranche. In jedem Fall zeigt die Debatte um die „Reerdigung“ einen gesellschaftlichen Bedarf nach innovativen Ansätzen im Umgang mit dem Tod und wirft die Frage auf, welche Rolle Traditionen und Innovationen in diesem sensiblen Bereich spielen sollten.

1 Die Umfrage gilt aufgrund der Art und Weise der Durchführung und Auswertung als repräsentativ. Im engeren Sinne gilt eine Stichprobe dann als repräsentativ, wenn alle Merkmalsträger der Grundgesamtheit die gleiche Chance besessen haben, Teil dieser Stichprobe zu werden. Als alleiniges Qualitätsmerkmal einer Statistik ist die Repräsentativität auf keinen Fall ausreichend.
Befragt wurden 2.000 Bürgerinnen und Bürgern. Jedoch: Auftraggeber für die Befragung von der Stiftung des Unternehmens selbst, durchgeführt wurde sie vom Hamburger Marktforschungsunternehmen Appinio im Mai 2023 .

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Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. Januar 2024 | Peter Wilhelm 26. Januar 2024

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Igge
3 Monate zuvor

Wenn die Reerdigung einfach nur als neue Variante dazukommt und nichts „Altes“ verboten oder einfach nicht mehr angeboten wird, ist es für mich kein Problem.
Für mich ist eine traditionelle Erdbestattung mit Holzsarg und dem dazugehörigen Grab immer noch wichtig.

Felix
3 Monate zuvor

> Laut einer repräsentativen Umfrage wünschen sich immerhin 27,4 Prozent der Befragten diese Form der Bestattung für sich selbst oder ihre Angehörigen.

Ich möchte SEHR stark anzweifeln, dass diese Umfrage repräsentativ für die erwachsene Gesamtbevölkerung in Deutschland war. Von diesen ca. 70 Mio. Menschen haben, so behaupte ich, weniger als 1/4 je von der „Reerdigung“ gehört. Zudem sind allein 7,2% der Bevölkerung 80 Jahre oder älter und mutmaßlich nur schwer für diese Innovation zu gewinnen.

Felix
Reply to  Peter Wilhelm
3 Monate zuvor

Tja, glaube keiner Statistik/Umfrage, die du nicht selbst gefälscht hast …
Man müsste zumindest mal wissen, was denn eigentlich die Frage war und wie im Gespräch auf sie hingelenkt wurde. Da ja im Grunde niemand „Reerdigung“ kennt, war das vielleicht im besten Falle so: „Wenn es eine umweltschonende Bestattungsmethode ohne Sarg gäbe, würden Sie diese dann für sich selbst und Ihre Angehörigen in Betracht ziehen?“ Und wenn das z.B. im WWW gefragt wurde statt persönlich/telefonisch, sind doch schon so einige „Merkmalsträger der Grundgesamtheit“ außen vor.




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